Sitzung vom 14. daß ſie dieſe Beſtimmung bereits ſo durchlöchert hat, daß die ſchwerſten Gefahren entſtehen können. Sie wiſſen: nach Schleſien dürfen wöchentlich 2500 Schweine eingeführt werden — aus dem verſeuchten Rußland, wo die Maul⸗ und Klauen⸗ ſeuche herrſcht, die ſowohl auf Rindvieh wie auf Hammel übertragen werden kann. Da geht das! Aus Oſterreich dürfen 80 000 Schweine nach Bayern und Sachſen eingeführt werden — aus Oſterreich, welches die Schweineſeuche in immerhin bedeutenderem Maße als bei uns aufweiſt! Ja, wenn das ſo ſchlimm iſt, hätte man gelegentlich der Handelsvertragsverhandlungen auf keinen Fall dieſe Konzeſſionen machen dürfen! Meine Herren, aus Oſterreich wird eingeführt, aus Rußland wird eingeführt, aber aus dem ſeuchenfreien Dänemark dem geſunden Holland, aus der Schweiz, ja ſogar aus England darf nichts eingeführt werden! Ja, meine Herren, ich kann in dieſem Syſtem eine Logik nicht mehr entdecken. Aber trotz alledem werden dieſe Beſtimmungen noch heilig gehalten, ich möchte beinahe ſagen: als wenn es ſich um die zwei Geſetzestafeln handelt, die Moſes vom Sinai gebracht hat. (Heiterkeit.) Sie werden nicht um des im Geſetze angegebenen Zweckes, ſondern um des angenehmen Beige⸗ ſchmackes wegen aufrecht gehalten, daß ſie einer Reihe von Leuten nach wie vor die hohen Preiſe ſichern. Ich glaube aber, wir können dieſen Kult nicht mitmachen, ſondern wir müſſen darauf beſtehen, daß die Grenzen geöffnet werden, und daß der Import, den wir brauchen, möglich gemacht wird, und nicht nur möglich, ſondern ſo billig gemacht wird wie möglich und befreit wird von allen läſtigen Scherereien und Plackereien. Deswegen fordern wir: Offnung der Grenzen, die Herabſetzung der Zölle; wir fordern auch Herabſetzung der Zölle auf Futtermittel, damit auch der kleine Landwirt in der Lage iſt, in geſteigertem Maße aufziehen zu können. Wir fordern dieſe Maßregeln nicht vorüber⸗ gehend, ſondern auf die Dauer, und zwar mit vollem Grunde. Ich glaube, Ihnen vorhin nach⸗ gewieſen zu haben, daß es ſich nicht um einen ſporadiſchen Zuſtand handelt, ſondern daß wir dauernd mit dieſem Zuſtand zu rechnen haben, und dauernden Übeln gegenüber kann man auch nur mit dauernden Maßregeln helfen. Eine vorüber⸗ gehende Offnung der Grenzen wäre auch völlig nutzlos und deswegen gefährlich. Völlig nutzlos, weil augenblicklich das Ausland gar kein Vieh ab⸗ zugeben hat. Und warum hat es nichts abzugeben, wenigſtens nicht in großem Maße? Einfach des⸗ wegen, weil man natürlich früher in dem Ausland auf den großen deutſchen Markt nicht rechnen konnte. Man konnte wohl aufziehen, die Möglichkeit war da, aber man zieht doch Vieh nur in dem Maße auf, als man es abſetzen kann. Mit dem Moment, wo es feſtſteht, daß Deutſchlands Grenzen dauernd dem ausländiſchen Vieh geöffnet werden, wird ſich überall eine größere Produktion von Vieh regen, und wir werden wahrſcheinlich dauernd dieſe böſen Zuſtände, die wir jetzt haben, nicht wieder⸗ ſehen. Deshalb muß ich dem gegenwärtigen Land⸗ wirtſchaftsminiſter — ich weiß ſeinen Namen nicht, es kommt auch nicht darauf an — (Heiterkeit und Zurufe) recht geben, daß, nur vorübergehend getroffen, eine ſolche Maßregel nichts nutzen kann; ja, ich halte ſie September 1910 367 für gefährlich, von unſerem Standpunkt. Es würden die Gegner kommen und ſagen: Seht, eure Maßregel war nutzlos, und was ihr petitioniert und beantragt hattet, iſt ſinnlos! Deshalb müſſen wir von vornherein nur verlangen, daß es eine dauernde Maßregel iſt, und dürfen uns auch in dieſem Punkt, wenn wir können, nichts abhandeln laſſen. Meine Herren, wenn Sie dieſen meinen Aus⸗ führungen gefolgt ſind, und wenn Sie ſie für be⸗ rechtigt halten, dann ergibt ſich eigentlich daraus ein ſehr einfacher Satz: Deutſchland iſt nicht mehr in der Lage und wird auch in Zukunft nicht in der Lage ſein, ſeinen Bedarf an Fleiſch und Vieh nur aus eigenen Mitteln zu decken, es wird deswegen genötigt ſein, vom Auslande Vieh zu beziehen, es muß der Import dieſes Viehes deswegen ermöglicht werden. Die Urſachen, von denen ich Ihnen ge⸗ ſprochen habe, die dieſe Dinge bewirken, wirken weiter fort, und zwar von Tag zu Tag in ver⸗ ſtärktem Maße. Deshalb wird auch ihr Reſultat und der Einfluß, den ſie auf unſer Wirtſchaftsleben ausüben, von Tag zu Tag deutlicher werden. Deswegen bin ich feſt überzeugt, daß der Tag kommen wird, an dem man nicht mehr verſtehen wird, daß man an dieſer einfachen wirtſchaftlichen Notwendigkeit vorübergegangen iſt, an dem man nicht mehr verſtehen wird, wie man eine ſachlich, materiell unterhöhlte und deswegen nicht mehr haltbare Situation deswegen halten wollte, um einer Minderzahl von Produzenten einen großen Vorteil zu gewähren, während man die große Überzahl der Konſumenten einfach aufopfert. Für mich ſteht es feſt, daß dieſe Schranken, die Deutſch⸗ land von dem Auslande trennen, fallen müſſen und fallen werden. Aber daß ſie bald fallen, dazu müſſen wir beitragen, und das halte ich für unſere Pflicht. Ich habe das Vertrauen zum Magiſtrat, daß er in Gemeinſamkeit mit uns zuſammen die richtigen Wege und Worte finden wird, die zur Erfüllung dieſes Zieles beitragen, eines Zieles, allerdings auf das innigſte zu wünſchen. (Lebhafter Beifall.) Vorſteher Kaufmann: Meine Herren, zu dem Antrage des Herrn Kollegen Dr Frentzel iſt von Herrn Kollegen Dr Borchardt und ſeinen Freunden folgende Abänderung bzw. folgender Zuſatz beantragt wor⸗ den. Die Herren beantragen: im zweiten Abſatz die Worte „mindeſtens vor⸗ übergehend“ zu ſtreichen und ferner dem An⸗ trage zuzufügen: Die Stadtverordnetenverſammlung er⸗ ſucht den Magiſtrat ferner, mit ihr in ge⸗ miſchter Deputation über weitere Maß⸗ nahmen zur Linderung der Fleiſchnot für die Charlottenburger Bevölkerung zu be⸗ raten. Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, in der Beurteilung der Fleiſchnot, und zwar ſowohl der Gründe als der Wirkung dieſer Fleiſchnot, iſt der Magiſtrat, wie in früheren Jahren, ſo auch dies⸗ mal mit Ihnen vollſtändig einig. Wenn nun, obgleich es nahe lag, zu dem Ergebnis zu kommen, zu dem Sie gekommen ſind, das ſich in dem Antrage des Herrn )r Frentzel verdichtet hat, daß nämlich ebenfalls wieder in einer Petition dieſe Geſichts⸗ punkte geltend gemacht werden ſollten, der Magi⸗ ſtrat nichtsdeſtoweniger beſchloſſen hat, dieſen Weg