368 Sitzung vom 14. nicht zu gehen, ſo möchte ich Ihnen die Gründe, die für den Magiſtrat maßgebend geweſen ſind, mitteilen, ohne deshalb hier etwa gegen den Antrag des Herrn Stadtv. Dr Frentzel polemiſieren zu wollen. Sie mögen nur erwägen, ob nicht, wenn ich Ihnen dieſe Gründe auseinandergeſetzt habe, die Schritte, die der Magiſtrat beſchloſſen hat, auch von Ihnen gebilligt und dem ihnen von den Herren Antragſtellern empfohlenen Vorgehen vorgezogen werden könnten. Meine Herren, aus dem Referat auch bereits bekannt geworden iſt, wiederholt Petitionen desſelben Inhalts, wie ſie jetzt von Herrn Stadtv. Dr Frentzel beantragt worden ſind, an die zuſtändigen Inſtanzen — Reichskanzler, Reichstag, Bundesrat uſw. — ge⸗ richtet, bisher mit einem vollſtändig negativen Er⸗ gebnis. Der Magiſtrat hat ſich nun die Frage vor⸗ gelegt: iſt es zweckmäßig, derartige Maßnahmen zu wiederholen, von deren Erfolgloſigkeit wir uns früher haben überzeugen müſſen, und von deren Erfolgloſigkeit, wenigſtens wenn nicht anders vor⸗ gegangen wird, wir auch diesmal überzeugt ſein fönnen. Deshalb hat ſich der Magiſtrat die Aufgabe geſtellt, den Gründen zu begegnen, aus denen nach ſeiner Meinung unſere früheren Petitionen er⸗ folglos geweſen ſind. Der Magiſtrat iſt nämlich mit der Geſundheits⸗ pflegedeputation zu der Erkenntnis gelangt, daß uns eine genügende Kenntnis der ſo verſchieden⸗ artigen Momente, die die Fleiſchteuerung hervor⸗ rufen, ſelbſt an der Hand desjenigen ſtatiſtiſchen Materials, das uns unſchwer zugänglich iſt, nicht zur Verfügung ſteht, daß man insbeſondere die Mitteilungen, die von den Intereſſentenkreiſen in die Welt geſetzt werden, und die den ſtatiſtiſchen Nachweis führen ſollen, daß an der Fleiſchteuerung am allerwenigſten die Fleiſchproduzenten ſchuldig ſind, nicht mit genügenden Gegengründen zu wider⸗ legen imſtande iſt. Herr Stadtv. Dr Frentzel hat ja eine große Summe von Gründen hier zuſammen⸗ getragen und eine ganze Maſſe wiſſenſchaftlicher] H Arbeiten hier verwertet und ſelbſt geleiſtet, und nichtsdeſtoweniger, glaube ich, wird auch er ſagen müſſen, daß er einen abfolut zwingenden Gegen⸗ beweis gegen die von den Fleiſchproduzenten auf⸗ geſtellte Statiſtik nicht liefern und vertreten kann. Dem Magiſtrat ſowie der Geſundheitspflege⸗ deputation hat eine Denkſchrift des Deutſchen Landwirtſchaftsrats vorgelegen, deren Verfaſſer ein Herr Dr Gerlich iſt, über das Thema: „Maß⸗ nahmen der deutſchen Städteverwaltungen für die Fleiſchverſorgung der Bevölkerung“. In dieſer Denkſchrift, die dem Landwirtſchaftsrat ſo über⸗ zeugend erſchienen iſt, daß er ſich ſogar berechtigt gefühlt hat, nicht nur alle Angriffe gegen die Fleiſchyroduzenten abzulehnen ſondern auch zu Angriffen gegen die Zwiſchenhändler und die Großſtädte überzugehen, iſt eine Menge ſtatiſtiſchen Materials verarbeitet, das einer ſehr gründlichen und ſachverſtändigen Prüfung bedarf, um eine Reihe von Trugſchlüſſen, die daraus abgeleitet worden ſind, klarzulegen. Unſer Dezernent, Herr Stadtrat Dr Gottſtein, hat ſich die Mühe genommen, dieſe Arbeit ſehr gründlich und wiſſenſchaftlich zu ſtu⸗ dieren, und hat eine ganze Reihe von Geſichts⸗ punkten nachgewieſen, die zu den Fehlſchlüſſen geführt haben, zu denen der Landwirtſchaftsrat auf Grund dieſer Arbeit gekommen iſt. Ich will nur einige wenige hier erwähnen, da ich ſelbſt nicht der Magiſtrat hat, wie Ihnen ſag September 1910 genügend Statiſtiker und ſonſt Sachverſtändiger bin, um die Arbeit des Herrn Dr Gottſtein im ein⸗ zelnen zu vertreten. 5 Der Bearbeiter dieſer Denkſchrift will zunächſt nachweiſen, daß die deutſche Landwirtſchaft auch heute noch in der Lage iſt, den geſteigerten Fleiſch⸗ bedarf der Bevölkerung zu decken, und er geht nun ſo vor. Er ſtellt aus den verſchiedenen Vieh⸗ zählungen ſeit 1873 den Beſtand des Viehes hin⸗ ſichtlich der verſchiedenen Viehgattungen feſt und agt: nun werde ich dieſes Vieh umrechnen in Schlachtfleiſch. Er reduziert nun einfach die Summe dieſer verſchiedenen Viehgattungen auf den Prozentſatz, der als normale Schlachtausbeute für das einzelne Stück Vieh der verſchiedenen Tier⸗ gattungen anerkannt iſt, und ſagt: alſo liefert die deutſche Landwirtſchaft ſo viel an Schlachtvieh. Darin iſt natürlicherweiſe eine ganze Reihe von Fehlſchlüſſen enthalten. Denn erſtens iſt es von vornherein unzuläſſig, für jedes einzelne durch die Viehzählung ermittelte Stück ohne weiteres die normale Schlachtausbeute für ein ausgewachſenes und durchgemäſtetes Tier in Anſatz zu bringen. Im übrigen iſt auch dieſes Vieh nicht jeden Augenblick am Markte; mal iſt viel, mal wenig da. Durch die Viehzählungen ſind eben nur die im Augenblicke der Zählung vorhandenen Beſtände ermittelt; wenn aber wirklich ſo anſcheinend ein ausreichender Beſtand als vorhanden nachgewieſen iſt, ſo iſt doch damit noch nicht bewieſen, daß dieſer Beſtand eine gleichmäßige Verſorgung gewährleiſtet, insbeſon⸗ dere, daß dieſes Vieh jeden Augenblick nach Maßgabe des Bedarfes in Schlachtvieh umgewandelt wird. Der Herr Referent hat ſchon eine ganze Reihe von Geſichtspunkten angegeben, weshalb dieſes Vieh im Stall bleibt und nicht geſchlachtet wird. Des weiteren wird dann der Bedarf der Bevölkerung an Hand von verſchiedenen Erfahrungsſätzen und ſtatiſtiſchen Zahlen für Fleiſch un d Fett berechnet und in einer einheitlichen Summe dem vorherigen Ergebnis der Fleiſcherzeugung gegenübergeſtellt. err Dr Gottſtein hat uns nachgewieſen, daß es ein Mißgriff iſt, Fleiſch und Fett in einer Summe zu behandeln, daß man individualiſieren muß, da mit der Entwicklung der großſtädtiſchen Bevölkerung der Bedarf dieſer beiden Produkte im Laufe der Jahre ſich ſehr verſchoben hat, ſo daß aus der unter⸗ laſſenen Trennung ein ganz falſches Bild heraus⸗ kommt. Es iſt zudem endlich das Bild der Vieh⸗ produktion von 1873 an berechnet, während ander⸗ ſeits die Schlachtgewichte erſt von 1883 an be⸗ rechnet ſind. In der Diskuſſion ſind dann dieſe Zahlen durcheinander geworfen worden, was natür⸗ lich ebenfalls zu Trugſchlüſſen geführt hat, welche der Bearbeiter der Schrift vielleicht nicht beab⸗ ſichtigt hat, wenn er ſie auch nicht verhindert hat; denn diejenigen, die weniger in dieſe Denkſchrift einzudringen in der Lage waren, haben ohne weiteres angenommen, daß ſich das alles aus dieſer Denkſchrift ſo nachweiſen läßt, wie es ihnen gerade angenehm war. Meine Herren, wir haben deshalb gemeint: es iſt durchaus notwendig, daß die Fleiſchkonſu⸗ menten — und das ſind vor allen Dingen natürlich die Städte und die Großſtädte — mit vollem wiſſen⸗ ſchaftlichen Rüſtzeug an die Bearbeitung dieſer Fleiſchfrage herangehen, 2 (Sehr richtig1) und daß ſie ein Material liefern müſſen, daß den Anſpruch erheben kann, mindeſtens gleichwertig, I.