370 Ihrem Kreiſe vorgeſchlagen waren, zweitens, um Ihnen zu zeigen, daß der Magiſtrat bisher dieſer Frage nicht müßig gegenübergeſtanden hat, ſondern ſie ſich eingehend überlegt hat und auch ſchon zu Beſchlüſſen gekommen iſt, zu denen Sie vielleicht weitere noch hinzufügen mögen, von denen Sie aber nicht werden beſtreiten können, daß ſie eben⸗ falls geeignet ſind, zum Ziele zu führen. Stadtv. Gebert: Meine Herren, um auf die Ausführungen des Herrn Magiſtratsvertreters, des. Herrn Bürgermeiſters Matting, gleich zu antworten, wundert mich eins: daß der Magiſtrat nicht ſelbſt die Initiative anläßlich dieſer ungeheuren Fleiſchnot ergriffen hat, ſofort mit derartigen Vorſchlägen hervorzutreten, wie ſie eben gemacht ſind. Der Herr Magiſtratsvertreter ſagte ja, daß der Magiſtrat ſchon den Gedanken erörtert hat, für die ſtädtiſchen Arbeiter billige Fleiſchbanken einzuführen. Ich frage: wo bleiben aber alle diejenigen Arbeiter, und nicht bloß Arbeiter, ſondern auch Beamten und fleinen Leute, die nicht bei dem Magiſtrat be⸗ ſchäftigt ſind? Auch dieſe Perſonen leiden unter der Fleiſchteuerung genau ſo wie die ſtädtiſchen Arbeiter. Die großen Fabriken 3 la Siemens & Halske, Siemens & Wernecke haben es durch Konſum⸗ vereine, die, ſoweit dieſe Fabriken in betracht kommen, eigentlich nur Privatkonſumvereine ſind, verſtanden, einigermaßen gut und billig Ware an ihre Fabritbetriebe abgeben zu können. Aber der Kreis iſt nur beſchränkt, jeder Beliebige kann dort nicht Ware beziehen. reichen, was erreicht werden ſoll. Wenn nun der Magiſtrat davon überzeugt ge⸗ weſen iſt, daß Petitionen gar keine Wirkung gehabt haben, dann wäre es eigentlich unſere Pflicht ge⸗ weſen, ſchon im Jahre 1905 die Initiative zu er⸗ greifen, vielleicht in ähnlicher Weiſe, wie es Wien 1906 und 1907 gemacht hat, in dem es eine Ein⸗ richtung getroffen hat, eine ſogenannte Annahme⸗ ſtelle errichtet, dann eine Aktiengeſellſchaft gebildet hat, an welcher der Magiſtrat ſelbſt als Aktionär be⸗ teiligt iſt. Wenn ſie auch ſchlecht iſt, man darf das eine nicht vergeſſen: immerhin wirkt eine derartige Einrichtung ohne weiteres mit auf den Warenmarkt; daß kann man nicht beſtreiten. Daß der Magiſtrat mit uns vollſtändig eins iſt, freut uns, und hoffentlich wird auf Grund dieſes allgemeinen Einvernehmens es auch möglich ſein, in der hier beantragten gemiſchten Deputation etwas zu ſchaffen, wenn der Wille vorhanden iſt. Herr Kollege Vogel machte ja die ſchöne Be⸗ merkung: dann nicht erſt die gemiſchte Deputation, nach einem Jahre einberufen! Was nun den Vorſchlag anbetrifft, dieſe ganze Geſchichte dem Städtetag zu überweiſen und dort an geeigneter Stelle ein Bureau einzurichten — ja, meine Herren, wie lange ſoll denn das dauern? (Stadtv. Dr Frentzel: Sehr richtig 1) Der Städtetag tritt erſt im nächſten Jahre zu⸗ ſammen, dann wird das erwogen, dann erſt wird das Bureau eingerichtet, das muß ſtatiſtiſches Material ſammeln, dann ſind 5, 6 Jahre ins Land gegangen, und dann heißt es: ja, das Bureau hat jetzt keinen Zweck mehr, da die Fleiſchpreiſe um einen kleinen Prozentſatz heruntergegangen ſind! Das iſt ein Vorſchlag, den ich nicht alzeptieren kann. Was nun die ſchönen Ausführungen unſeres Kollegen Dr Frentzel anbetrifft, ſo hätte ich ge⸗ Wir würden alſo nur einen halben Weg gehen, und wir können nicht das er⸗ Sitzung vom 14. September 1910 wünſcht, daß dieſe Ausführungen ſo ein richtiger, echter Landagrarier zu hören bekommen hätte. (Sehr gur!) Es wäre wirklich gut geweſen, dieſen Herren mal das zu ſagen, was hier geſagt worden iſt. Ich ſehe mich aber dennoch veranlaßt, um Ihnen das kraſſe Elend dieſer Not vor Augen zu führen, nur ganz kleine Zahlen anzugeben, und zwar amtliches ſtatiſtiſches Material. Es ſind im Jahre 1908 136 273 Pferde zum Genuß geſchlachtet worden. Im Jahre 1909 hat dieſe Zahl gewaltig zugenommen, und zwar ſind 151 357 Pferde zum Genuß geſchlachtet worden. Aber man iſt ja mit der Zeit, ſagen wir mal, ſo ein kleines Leckermaul geworden; man nimmt nicht mehr mit Pferden vorlieb, ſondern vergreift ſich auch an Hunden, und da ſehen wir folgendes ſtatiſtiſche Material: 1908 ſind zum Genuß 6131, 1909 6999 Hunde geſchlachtet worden. (Zuruf.) Wir ſehen alſo auch hier, wie allmählich der Konſum dieſes Fleiſches geſtiegen iſt. Und nun wollen wir in betracht ziehen, wie viele Hunde im Stillen ge⸗ ſchlachtet werden, auch hier in unſerer wunderſchönen Stadt Charlottenburg! Ein kleiner Spaziergang, gemacht durch die Laubenkolonien, wo die ärmere Bevölkerung noch in der Lage iſt, friſche Luft zu genießen: da muß ſo mancher Moppel über die Klinge ſpringen. (Heiterkeit.) So liegt es nun einmal mit unſeren Fleiſchver⸗ hältniſſen. Nun ſagte der Herr Kollege Dr Frentzel, daß die Stadt Eharlottenburg ſich ſchon im Jahre 1898 mit der Frage der Fleiſchteuerung beſchäftigt hat. Nein, das war ſchon im Jahre 1890; damals iſt von dem damaligen Vertreter meiner Partei dieſe Frage im Stadtparlament angeſchnitten worden; auch da hat man gebeten, man möge etwas tun. Daß man nun in der Region unſerer Regierung dieſe ganze Fleiſchteuerung auf die leichte Schulter nimmt, iſt für mich klar. Denn wenn man dieſe Regierung anſieht, ſo ſetzt ſie ſich eigentlich in ihrer Mehrzahl aus Großjunkern, aus Großgrund⸗ beſitzern zuſammen, und daß dieſe Herren ſich ſelbſt nicht ins Fleiſch ſchneiden wollen, iſt ja erklärlich. Aus dieſem Grunde wandern auch alle dieſe Petitionen meiner Überzeugung nach in den Papier⸗ korb; mindeſtens wird der Miniſter, der die Ent⸗ ſcheidung über dieſe Petitionen treffen ſoll, nur ein Achſelzucken für ſie haben. Daß die Arbeiter, wenn die Lebensmittel teurer werden, auch höhere Löhne fordern, iſt ja erklärlich; denn ſie müſſen, wenn ſie auf der einen Seite höhere Ausgaben haben, auf der anderen Seite ſich Erſatzmittel verſchaffen. Es wurde auch England als das Land der ſtarken Fleiſchfrequenz angeführt. Ich habe hier ebenfalls eine kleine Statiſtik vom Jahre 1910, und daraus ergibt ſich: das Rindfleiſch 1. Qualität in Berlin pro Doppelzentner 149,5 ℳ., in London 119,5 ℳ; das Rindfleiſch 1I1. Qualität in Berlin 99,3 ℳ, in London 57,4 ℳi; 401 (Chört, hört!) das Schweinefleiſch 1. Qualität in Berlin 138,9 ℳ, in London allerdings etwas höher, 139,6 ℳ, das Schweinefleiſch II. Qualität in Berlin 133,4 ℳ, in London 128,9 ℳ; das Kalbfleiſch 1. Qualität in Berlin 208,8 ℳ und in London 148,7 ; das Hammelfleiſch I. Qualität in Berlin 158,3 ℳ, in *