Sitzung vom 14. September 1910 371 London 134,3 ℳ, das Hammelfleiſch II. Qualität in Berlin 119 und in London 65,5 ℳ. Wir ſehen hier einen ganz gewaltigen Unterſchied. Und worin iſt der Unterſchied begründet? Ganz gewiß darin, daß die Grenzen geſperrt ſind. Herr Genoſſe Dr Frentzel ſagte (Heiterkeit und Zurufe) — das ſchadet ja nichts, er wird vielleicht auch noch einmal Genoſſe — (erneute Heiterkeit) — Herr Dr Frentzel ſagte ja, daß dieſe Miſere ohne weiteres in der Grenzſperre zu ſuchen iſt, und daß man die Grenzſperre hauptſächlich aus rein hygie⸗ niſchen Gründen eingeführt hat. Ja, auch die deutſchen Rindviecher ſind verſeucht geweſen; (Heiterkeit) erſt vor garnicht langer Zeit hat man ja 40 Ochſen zurückweiſen müſſen, weil ſie verſeucht waren. Alſo auch vor dieſer Seuche können die Grenzen nicht ſchützen, und ich bin überzeugt, wir haben weiter nichts zu tun, als zu verlangen: auf mit den Grenzeu! Denn dieſe Grenzſperre kann unter keinen Umſtänden die Seuchen zurückhalten. Nun zu den Anträgen. Wir ſtehen auf dem Standpunkt, den Herr Dr Frentzel ausdrückte, welcher ſagte: es ſollen nicht vorübergehend, ſondern dauernd die beſſeren Zuſtände geſchaffen werden. Nun heißt es aber in dem Antrag: Es ſind zum Zwecke vermehrter Aufzucht von Vieh die Zölle auf Futtermittel, min⸗ deſtens vorübergehend, aufzuheben. Ja, wenn wir verlangen, ſie „mindeſtens vorüber⸗ gehend“ aufzuheben, dann iſt wieder der Weg ge⸗ geben, eines guten Tages das, was man aufgehoben hat, wieder einführen zu können. Das wollen wir nicht. Wir ſtehen auf dem Standpunkt, daß man ſagt: ſie werden aufgehoben. Ich glaube, es be⸗ ſteht vielleicht auch nicht die definitive Abſicht, unter allen Umſtänden dieſe Worte „mindeſtens vorüber⸗ gehend“ ſtehen zu laſſen. Nun zu unſerem Ergänzungsantrag. Ja, meine Herren, was wollen wir damit? Wir wollen damit, daß die gemiſchte Deputation ſo ſchnell wie möglich zuſammentritt und das tut, was bereits einige andere Städte getan haben. Ich will nur darauf hinweiſen, daß Ludwigsburg, Eßlingen, Tuttlingen, Gerabronn, Schwäbiſch⸗Gmünd, Stuttgart und auch einige preußiſche Städte beigekommen ſind, ſelbſt Fleiſch eingekauft und zu geringem Preiſe abgegeben haben; hat das Fleiſch nicht gelangt, haben ſie Fiſche eingekauft und auf dieſe Weiſe billige Nahrungsmittel beſchafft. Warum ſoll das in Charlottenburg nicht möglich ſein? Ohne weiteres müſſen wir doch auch in der Lage ſein, billiges Fleiſch zu beſchaffen. Man hat uns bei der Dreiteilungsgeſchichte auf die Schweine in Seege⸗ feld hingewieſen, und ich habe gefragt: können wir denn da keine Schweine bekommen? Da wurde geſagt: es ſind gar keine Schweine mehr da. Alſo mit der eignen Mäſterei iſt es nichts. Nun müſſen wir Mittel und Wege finden, was zu tun iſt, und das will unſer Antrag. Unſer Antrag will dem Magiſtrat ſagen: hör mal, lieber Magiſtrat, jetzt raſch an die Arbeit heran, jetzt der Bevölterung, und nicht nur der minder bemittelten, ſondern der Geſamtbevölkerung billige Fleiſchware liefern! Daß die Qualität zurückgegangen iſt, brauche ich weiter nicht zu erwähnen. ache iſt — ich habe in der Mark Brandenburg mit verſchiedenen Bauern, die Vieh auf den Markt treiben, geſprochen, und ſie haben mir das ohne weiteres geſagt —: ſofern das Vieh eine gewiſſe Reife hat, ob es fett genug iſt oder mager, ſpielt keine Rolle, ſo kommt es auf den Markt; geht es nicht hoch genug im Preiſe, kommt es wieder nach Hauſe! Die Regierung will ein Kartell, einen Truſt nicht gefunden haben. Das trifft zu. Einen Truſt wird ſie nicht finden. Aber die Großgrundbeſitzer haben ein ganz beſtimmtes Abkommen; da muß man ſuchen, und da wird man auch finden, wie ſie es verſtehen, ihre Preiſe zu halten. Alſo ich will Sie bitten, unſeren Zuſatzantrag anzunehmen, damit wir ſo ſchnell wie möglich unſerer Bevölkerung das bieten, was zu verlangen ſie berechtigt iſt. 2 Stadtv. Gredy: Meine Herren, ich habe zu erklären, daß unſere Fraktion beſchloſſen hat, für den Antrag Frentzel und Gen. zu ſtimmen. lege Wert darauf, das ausdrücklich zu konſtatieren, und ich glaube auch, daß die Herren, ſoweit ſie nicht abgehalten ſind, noch hereinkommen werden, um mit uns zu ſtimmen. (Zuruf.) Jedenfalls danke ich ſowohl in meinem Namen als im Namen der meiſten meiner Freunde Herrn Kollegen Dr Frentzel aufs wärmſte für ſeine Aus⸗ führungen. Ich habe noch zu bitten, das der Magiſtrat — er hat ja verſprochen, mit uns zu wirken — ſehr bald in Tätigkeit treten möge. Er kommt wirklich nicht darauf an, mit der Regierung wiſſenſchaftliche Meinungen auszutauſchen. (Sehr richtig!) Bismarck hat ſich auch in ſeinem ganzen Leben nicht um Statiſtik und Wiſſenſchaft gekümmert, ſondern getan, was er gewollt hat. Meine Herren, wenn wir der Regierung recht kräftig ſagen, was wir wollen, und andere Kommunen das auch tun, ſo wird ſie wohl ein willigeres Ohr haben, als wenn wir bloß mit ihr theoretiſieren. (Sehr richtig!) Ich möchte bitten, daß bald etwas geſchieht im Sinne der Herren Antragſteller. (Ein Antrag des Stadtv. Guttmann auf Schluß der Beratung wird angenommen.) Antragſteller Stadtv. Or. Frentzel (Schluß⸗ wort): Meine Herren, aus den Ausführungen des Herrn Bürgermeiſters Matting habe ich eins ent⸗ nommen: daß der Magiſtrat ſachlich im weſent⸗ lichen mit uns auf demſelben Standpunkt ſteht. Das hat mich nicht gewundert; denn das wußten wir ſchon von früher her. Eher hätte mich das Gegenteil ſehr gewundert. Die übrigen Ausführungen des Herrn Bürger⸗ meiſters haben mich allerdings ſehr ſtark enttäuſcht — das muß ich hier ohne Rückhalt ſagen. Der Herr Bürgermeiſter glaubt, daß der Magiſtrat noch nicht in der Lage iſt, jetzt ſich einer friſchen, fröh⸗ lichen Aktion, wie ſie von allen anderen Städten vorgenommen iſt, anzuſchließen, weil ihm noch der zwingende Nachweis dafür fehlt, daß das, was wir wollen, und was wir hoffen, was der Magiſtrat auch will, das Richtige iſt. Nun, meine Herren, ich halte ſehr viel vom Magiſtrat, aber das traue ich ihm nicht zu, daß er jemals den Agrariern und der Regierung den zwingenden Nachweis liefert, d. h. den Nachweis, der ſie zwingt, zu bekennen: