372 ſie haben Unrecht. Das iſt unmöglich. Das ſetzt der Magiſtrat, das ſetzen Sie, Herr Bürgermeiſter Matting, niemals durch! Und wenn Sie Jahre lang ſtatiſtiſch darüber arbeiten und die Arbeit dem Städte⸗ tag und allen möglichen Körperſchaften übertragen, Ihre Worte werden ebenſo verhallen und ebenſo ungeleſen bleiben, als wenn Sie ſich begnügen, das in knappen Worten zuſammenzufaſſen, was Ihnen die Volksſtimmung ſagt, und womit ſie recht hat, und was ſich einfach beweiſen läßt durch einen Hinweis und Hinblick auf ein paar Zahlen, die ge⸗ gegeben worden ſind. Meine Herren, da ſind uns die Agrarier bei weitem über: ſchreien, ſchreien, ſchreien proklamieren ſie, und Sie ſehen, daß ſie damit Erfolg haben. Wir brauchen nicht bloß zu ſchreien, Herr Bürgermeiſter Matting; ich bin der Anſicht — es mag ſein, daß ſie unbeſcheiden iſt —, daß das, was ich im Großen angeführt habe, und was ſich noch viel klarer und detaillierter ausführen läßt, was ſich hier aber mit Rückſicht auf die Zeit verbietet, für den, der ſehen will, ſchon genügt: und wer nicht ſehen will, dem können Sie Bände von Tabellen und Zahlen bringen, es wird nichts helfen. (Sehr richtig!) Hier liegen vor mir die Verhandlungen des Städte⸗ tages von 1905 — das iſt alles ungehört verhallt; und wenn Sie die Verhandlungen noch einmal ſo dick machen, wird es auch ungehört verhallen. Es handelt ſich nicht um die Austragung wiſſenſchaft⸗ licher Streitfragen, ſondern es handelt ſich um die Austragung wirtſchaftlicher Machtfragen, (ſehr richtig!) und da können wir die Anzahl der Kämpfer nur dadurch erhöhen, daß wir mit in die Reihen treten und mitkämpfen, und zwar ſchnell. Sonſt werden wir uns den Ruf zuziehen: Charlottenburg cuncta- tor — und ich glaube, den verdienen wir im allge⸗ meinen wohl nicht. (Bravo!) Was der Herr Bürgermeiſter ſonſt im übrigen über die vorzunehmenden Maßregeln vorgetragen hat, damit kann man ſich einverſtanden erklären. Aber das iſt ganz etwas anderes, als was wir wollen. Dieſe Einkaufsgenoſſenſchaft können Sie auch machen, wenn Sie billiges Fleiſch haben. Wenn Sie das aber als Prinzip hinſtellen und ſagen: darin liegt des Rätſels Löſung, dann geben Sie den Leuten Recht, die ſagen: der Zwiſchen⸗ handel verteuert die Sache. Wir würden, wenn wir das zum Prinzip erheben, der Sache ſchaden. Aber dieſe Fragen haben mit dem, was wir hier verhandeln, faſt gar nichts zu tun. Gegen die gemiſchte Deputation, die gewünſcht wird, will ich mich natürlich auch nicht ausſprechen. Aber wenn wir warten wollen, bis die das Material geſichtet hat, kommen wir auch wieder zu ſpät. Ich hoffe, daß der Magiſtrat auch zuſtimmt, wenn die Herren ſo freundlich ſind, meinen Antrag an⸗ zunehmen — oder es war ja eine Anderung bean⸗ tragt, die ich gutheiße. Was wir tun müſſen, iſt: in beſchleunigtem Tempo vorgehen. Die wiſſen⸗ ſchaftliche Kleinarbeit kann immer noch kommen. 2 (Bravo!) Vorſteher Kaufmann: Wir kommen zur Ab⸗ ſtimmung. Von Herrn Kollegen Dr Borchardt iſt beantragt worden, in dem Antrage Frentzel in dem zweiten Abſatz die Worte „mindeſtens vorüber⸗ gehend“ zu ſtreichen. (Die Verſammlung beſchließt demgemäß.) Sitzung vom 14. September 1910 Ich darf feſtſtellen, daß das einſtimmig be⸗ ſchloſſen iſt. Ferner hat Herr Dr Borchardt beantragt, für den Fall der Annahme des Antrages Frentzel einen Zuſatz hinzuzufügen: Die Stadtverordnetenverſammlung erſucht den Magiſtrat ferner, mit ihr in gemiſchter Deputation über weitere Maßnahmen zur Linderung der Fleiſchnot für die Charlotten⸗ burger Bevölkerung zu beraten. (Die Verſammlung beſchließt demgemäß.) Ich darf wiederum die Einſtimmigkeit kon⸗ ſtatieren. Der Antrag Frentzel würde nunmehr lauten: Die Stadtverordnetenverſammlung erſucht den Magiſtrat, mit ihr gemeinſam bei den Reichs⸗ und Staatsbehörden dahin vorſtellig zu werden, daß behufs Beſeitigung der be⸗ ſtehenden Fleiſchnot und zur Verhütung künftigen Fleiſchmangels die Grenzen dauernd für die zoll⸗ und quarantainefreie Einfuhr von Vieh geöffnet werden, das direkt behufs ſofortiger Abſchlachtung an die Schlachthöfe verſandt wird. Auch ſind zum Zwecke vermehrter Aufzucht von Vieh die Zölle auf Futtermittel aufzu⸗ heben. Die Stadtverordnetenverſammlung erſucht den Magiſtrat ferner, mit ihr in gemiſchter Deputation über weitere Maßnahmen zur Linderung der Fleiſchnot für die Charlotten⸗ burger Bevölkerung zu beraten. (Die Verſammlung ſtimmt dem Antrage in dieſer Faſſung zu.) Auch das iſt mit Einſtimmigteit angenommen. (Bravo!) Meine Herren, das Protokoll der heutigen Sitzung bitte ich die Herren Zietſch, Bergmann und Gersdorff zu vollziehen. Wir haben nun noch den eingangs verleſenen Antrag des Kollegen Braune zu verhandeln, für den die Dringlichkeit beantragt iſt. Ich frage, ob Widerſpruch gegen die Dringlichkeit erhoben wird. — Der Dringlichkeit iſt nicht widerſprochen; der Antrag iſt als dringlich zu behandeln. 3 Antrag der Stadtv. Braune und Gen. betr. Unter⸗ ſtützung hilfsbedürftiger Veteranen. Der Antrag lautet: Die Unterzeichneten beantragen: Die Stadtverordnetenverſammlung wolle beſchließen, den Magiſtrat zu er⸗ ſuchen, mit ihr in gemiſchter Deputation zu beraten, in welcher Weiſe hilfsbedürf⸗ tigen Kriegsveteranen ſtädtiſcherſeits eine Zuwendung gemacht werden kann. Antragſteller Stadtv. Braune: Meine Herren, anläßlich der vierzigjährigen Wiederkehr der denk⸗ würdigen Siegestage Deutſchlands, dem Vorbilde zahlreicher deutſcher Städte folgend, hat eine große Anzahl Kollegen den Antrag eingebracht, um den verdienten hilfsbedürftigen Veteranen aus den