Sitzung vom 14. Feldzügen von 1848/49 bis 1870/71 helfend zur Seite zu ſtehen. Prinzipiell ſtehen auch wir auf dem Standpunkt, daß Zuwendungen an dieſe verdienten Männer vom Reiche aus erfolgen müßten. (Sehr richtig!) Sie wiſſen, meine Herren, wie geringfügig der ſo⸗ genannte Ehrenſold iſt, der eigentlich Hungerſold genannt werden müßte: 10 ℳ monatliche Zu⸗ wendung von Reichs wegen! Das veranlaßte uns, hier ein warmes Herz für die bedürftigen Veteranen, namentlich mit Rückſicht auf die Charlottenburger Verhältniſſe, zu zeigen, um ſie nicht darben zu laſſen. (Bravo!) Es handelt ſich nur um eine verhältnismäßig ge⸗ ringe Anzahl unſerer bald 300 000 Perſonen betragenden Einwohner; ca. 600 unterſtützungs⸗ bedürftige Veteranen befinden ſich in Charlotten⸗ burg. Wir haben es bitter beklagt, daß das Reich hier keine ausreichenden Unterſtützungen gibt, und daß den von allen Parteien des Reichstages an⸗ läßlich der 40 jährigen Wiederkehr der ruhmreichen Gedenktage geſtellten Anträgen um Unterſtützung der Kriegsveteranen, angeblich mangels genügender Mittel, nicht entſprochen wurde. Meine Herren, ich würde empfehlen, daß die Deputation, der der Antrag wohl überwieſen werden dürfte, ihre Arbeit ſchleunigſt, bis zur nächſten Sitzung, erledigt, um den hilfsbedürftigen Vete⸗ ranen möglichſt bald dieſe Zuwendung zuzuführen; denn wer ſchnell hilft, hilft doppelt. Den Herren Kollegen, welche hierbei auf einen prononziert politiſchen Standpunkt ſich ſtellen, möchte ich zu⸗ rufen: diesmal Politik des Herzens in dieſer ernſten Frage zu treiben. Ich empfehle Ihnen — wie dem auch in der Berliner Stadtverordnetenverſammlung ſtattge⸗ geben wurde — die einſtimmige Annahme unſeres Antrages. Stadtu. Zietſch: Meine Herren, im Namen meiner Freunde kann ich erklären: wenn irgend⸗ wie ſich einmal die Gelegenheit bietet, den Kriegs⸗ veteranen, die deſſen bedürftig ſind, etwas zuzuführen, dann werden wir gern zu jeder Hilſe bereit ſein. Denn es ſind gerade meine Partei⸗ freunde in geſetzgebenden und verwaltenden Körperſchaften geweſen, die zu einer wirkſamen Veteranenhilfe ſtets bereitwilligſt die Hand ge⸗ boten haben. Und wenn Sie die Geſchichte der Anträge, die ſich auf die Veteranenfürſorge im Deutſchen Reich beziehen, zurück verfolgen wollten, würden Sie immer in allererſter Linie auf ſozial⸗ demokratiſche Spuren in dieſen Anträgen ſtoßen. Es iſt bisher immer das Vorrecht der Sozialdemo⸗ kraten geweſen, die weitgehendſten Anträge im Intereſſe der Veteranen im Reichstage geſtellt zu haben. Und denſelben Standpunkt haben wir auch dort eingenommen, wo es ſich um Hilfeleiſtung für bedürftige Veteranen in der Verfolgung irgend⸗ eines anderen als des reichsgeſetzlichen Weges handelte. Die langen Diskuſſionen über eine Veteranenfürſorge, die den Reichstag im ver⸗ gangenen Jahr und noch im Mai dieſes Jahres beſchäftigt haben, weiſen ebenfalls nach, daß meine Parteifreunde im Reichstag eine ſehr weit⸗ gehend freundliche Stellung für die Veteranen eingenommen und Forderungen erhoben haben, September 1910 373 die weit über diejenigen der anderen Politiker hinausgingen. Aber wenn hier die Frage aufgeworfen wird, für die hieſigen Veteranen angeſichts des jetzigen Standes der Frage der reichsgeſetzlichen Beihilfen und Fürſorge etwas zu tun, dann möchte ich doch betonen, daß man dabei nicht allein eine Politik des Herzens treiben darf, ſondern man muß ſich dabei in erſter Linie von dem Gedanken leiten laſſen, ob man mit einer kommunalen Veteranen⸗ fürſorge nicht zu voreilig die ſchweren Sünden der Reichsregierung, gegen die Veteranen begangen, verdeckt. Das ſollten wir nicht auf uns nehmen. Wenn bisher für die Veteranen ſo jammervoll ge⸗ ſorgt worden iſt, dann iſt das vor allen Dingen die Schuld der Reichsregierung, des volks⸗ und veteranenfeindlichen Zuges, der durch die Reichs⸗ regierung und den Reichstag bisher gegangen iſt. Wenn das nicht der Fall wäre, wäre der Antrag, daß aus Mitteln der Stadt den Veteranen ein Almoſen gegeben werden ſoll, ganz unmöglich; dann könnte man den Veteranen in Charlottenburg die Gelegenheit erſparen, von der Stadt hier etwas entgegennehmen zu müſſen, was in letzter Linie nicht mehr als ein Almoſen iſt. Ich will, wenn ich an die letzten im Reichstage darüber geführten Debatten denke, nicht darauf eingehen und hier hervorheben, wie gerade die be⸗ ſitzenden Klaſſen am erſten verpflichtet wären, für die Veteranen einmal in die eigenen Taſchen zu greifen, weil ſie aus der Reichsgründung die weſentlichſten materiellen Vorteile gezogen haben. Das iſt nicht geſchehen. Man verläßt ſich ſchließlich allein auf die kommunale Hilfe, nachdem die Reichs⸗ regierung erklärt hat, es ſei kein Geld da, um den über 60 Jahre alten und unter 600 ℳ jährliches Einkommen beziehenden Veteranen einen Ehren⸗ ſold von 120 ℳ jährlich zu zahlen. Und weil das Reich ſich für unfähig erklärt, die noch erforderlichen § Millionen Mark für die Erhöhung des Veteranenſoldes aufzubringen, und weil die Fülle der Erbitterung in dem patriotiſchſten Herzen anſchwillt — da glaubt man, das damit beſchwichtigen zu können, daß man die Gemeinden einſpringen läßt für die Verfehlungen des Reiches. Damit befriedigen Sie den Rech ts anſpruch, den die Veteranen an an eine dauernde Unter⸗ ſtützung haben, nicht. (Zurufe bei den Liberalen: Wollen wir auch nicht!) — Ganz recht! Das wollen Sie auch nicht. Aber ich komme hiernach auf eine andere Seite der Frage, die beweiſen wird, daß man dieſe Frage nicht nur als eine Angelegenheit des Herzens be⸗ trachten darf. Sie nehmen mit einer, wenn auch nur einmalig zu zahlenden Veteranenunterſtützung eine neue Verpflichtung auf ſich, die das Reich auf ſich zu nehmen hat! Denken Sie doch daran, daß gerade durch die unglückſelige agrariſche Politik, die wir bei der Fleiſchteuerung genügend beſprochen haben, und die uns ſo ſehr erregt hat, eine weitreichende Verarmung des Volkes eingetreten iſt, daß infolge⸗ deſſen die Armenlaſten der Städte ganz erheblich geſtiegen ſind. Und zwar durch die Verfehlungen der Reichsregierung. Das Steigen der Ausgaben, die notwendig ſind, um die ſozialen Aufgaben der Gemeinden zu erfüllen, iſt im weſentlichen darauf zurückzuführen, daß das Reich nicht vorwärts ſchreitet in der Erfüllung ſeiner ſozialreforma⸗ toriſchen Aufgaben. So ſehen Sie, wie das Reich in der jetzigen Zuſammenſetzung ſeiner Regierung