Sitzung vom 9. November 1910 auch in der Landwirtſchaft nicht um Gotteslohn, ſondern um des Erwerbes willen arbeitet und Betriebe unterhält. Wenn nun hier ein neuer Begriff „Erwerbsgärtnerei“ eingeführt wird, den weder die Juriſten, noch die Behörden, noch die Geſetze kennen, ſo erklärt ſich das aus der Abſicht, alle — auch die ihrem Weſen nach landwirtſchaft⸗ lichen — Gärtnereibetriebe den Beſtimmungen der Gewerbeordnung, des Krankenverſicherungsgeſetzes und der ſonſtigen gewerblichen Nebengeſetze zu unterſtellen. Dem ſteht die anerkannte Praxis der Gerichte wie der Wortlaut unſerer gewerblichen Geſetzgebung entgegen. Die Herren Petenten haben nun ebenſo kurz als entſchieden eine grundfalſche Rechtsanſicht als Begründung ihrer Petition aufgeſtellt. Dieſe Be⸗ gründung iſt wirklich nicht ſehr lang und lautet ſo: Die am 1. Januar 1910 in Kraft tretende Gewerbeordnungsnovelle unterſtellt durch § 154 Abſ. 1 Ziffer 4 die Erwerbsgärtnerei grundſätzlich der Gewerbeordnung und be⸗ ſeitigt damit die bisher darüber entſtandenen Zweifel. Die Wahrheit iſt, daß im ganzen Geſetz der Aus⸗ druck „Erwerbsgärtnerei“ überhaupt nicht vor⸗ kommt, und daß niemand bei der letzten Gewerbe⸗ ordnungsnovelle daran gedacht hat, in einem ſolchen grundlegenden und weſentlichen Punkte eine Anderung eintreten zu laſſen. Weder die Re⸗ gierung noch der Reichstag hat damals daran ge⸗ dacht, die Landwirtſchaft, inſoweit dieſe Gärtnerei⸗ betriebe umfaßt, den Beſtimmungen der Gewerbe⸗ ordnung zu unterſtellen. Die Behauptung alſo, die hier zur Begründung der Petition aufgeſtellt iſt, ſteht in direktem Widerſpruch zum wahren Inhalt der Geſetzgebung. Nun iſt mir bekannt, daß die Herren Petenten noch mit einem anderen juriſtiſchen Scheingrund operieren. Die jetzige Faſſung der Gewerbeord⸗ nung in § 154 Abſ. 1 Ziffer 4 iſt folgende: Die Beſtimmungen der §§ 135—139 finden nicht Anwendung. . 4. auf Gärt⸗ nereien, auf Gaſt⸗ und Schankwirts⸗ gewerbe, ſowie auf das Verkehrsgewerbe. Daraus wollen die Herren deduzieren, daß alle anderen Beſtimmungen nun grundſätzlich anch auf alle Gärtnereien Anwendung finden müßten. In Wahrheit iſt die Sache ſo, daß die Gewerbeord⸗ nung immer auf rein gewerbliche Gärtnereien An⸗ wendung gefunden hat, und daß auch dieſer Para⸗ graph ſich nur auf dieſe gewerblichen Gärtnereien bezieht und auf nichts anderes, nicht auf die darüber hinausreichenden Betriebe. Hiernach ſcheint mir der Antrag des Petitionsausſchuſſes durchaus begründet. Wenn es nötig wäre, noch irgendwelche Autorität auf juriſtiſchem Gebiete hier anzuziehen, ſo will ich das mit Rückſicht auf den heute Abend neu eingegangenen Antrag gleich vorweg nehmen. Ich darf Ihnen aus dem neueſten Kommentar von Neukamp zur Gewerbeordnung vielleicht die Erläuterung zu dieſem Paragraphen vorleſen — das braucht eine Sekunde —: Demnach iſt klargeſtellt, daß im übrigen die Beſtimmungen der Gewerbeordnung auf gewerbliche Gärtnereien, aber nur auf dieſe, Anwendung finden. Ich kann hiernach nur den Antrag des Petitions⸗ ausſchuſſes, den auch der Magiſtrat unterſtützt hat, 417 zur Annahme empfehlen, alſo: Übergang zur Tagesordnung. Stadtv. Dr. Borchardt: Meine Herren, der Herr Referent macht ſich die Sache außerordentlich leicht, indem er ſagt: ein hier vielleicht ungeſchickt gewähltes Wort müſſe dazu führen, über eine Petition zur Tagesordnung überzugehen, deren Inhalt er, wie ſeine allerletzten Ausführungen be⸗ weiſen, unterſtützt. Denn in ſeinen letzten Aus⸗ führungen ſagt er: die Beſtimmungen der Gewerbe⸗ ordnung finden Anwendung und haben immer An⸗ wendung gefunden auf alle gewerblichen Gärtne⸗ reien, der Gewerbeordnung unterliegen die gewerb⸗ lichen Gärtnereien. Ja, meine Herren, mehr wollen die Petenten auch nicht. Der Herr Referent hat eben unrecht, wenn er ſagt, die gewerblichen Gärtnereien haben immer der Gewerbeordnung unterlegen. Auch die gewerblichen Gärtnereien wenn wir dieſen Ausdruck für geſchickter halten wollen als die Erwerbsgärtnereien; denn wenn der Herr Referent ſagt: die landwirtſchaftlichen Betriebe werden des Erwerbs wegen betrieben, ſo kann man ebenſo gut ſagen: auch landwirt⸗ ſchaftliche Betriebe werden als Gewerbe betrieben; ich will ihm aber zugeben, daß der Ausdruck „Er⸗ werbsgärtnerei“ nicht ganz geſchickt gewählt iſt. Das ändert aber nichts an der Tatſache, daß früher die Gärtnerei ganz allgemein als ein landwirt⸗ ſchaftlicher Betrieb angeſehen wurde, daß aber ſeit dem 1. Januar 1910 eben ſolche Gärtnereien, wie ſie der Herr Referent als gewerbliche kenn⸗ zeichnet, vom Geſetz anerkannt werden als ſolche, die der Gewerbeordnung unterliegen, und der Sinn der ganzen Petition iſt der, dafür zu ſorgen, daß die in Charlottenburg betriebenen Gärtnereien, die ja doch keine landwirtſchaftlichen Gärtnereien ſind, ſondern die tatſächlich, wie die Petenten ſagen: Erwerbsgärtnereien ſind, wie der Herr Referent ſagt: gewerbliche Gärtnereien ſind, eben als gewerbliche Gärtnereien angeſehen werden. Daß der Umſtand — wenn man ſich auf den Standpunkt ſtellen will —, daß das Wort nicht ganz geſchickt gewählt iſt, dazu führen ſoll, nun den Petenten zu ſagen: wir gehen über euren Wunſch zur Tagesordnung über, das will mir abſolut nicht einleuchten, ſondern ganz im Gegen⸗ teil, wenn man in der Sache mit den Petenten einig iſt, wenn man ihnen ſagen will: ja, wir wollen dieſe gewerblichen Gärtnereien, die Sache, die ihr meint, der Gewerbeordnung unterſtellen, — dann ſoll man das in der Weiſe tun, daß man dieſe Petition dem Magiſtrat zur Berückſichtigung empfiehlt. Eben aus dem Umſtande, daß früher die Gärtnereien ganz allgemein der Gewerbe⸗ ordnung nicht unterſtanden, reſultiert auch heute noch ein Zuſtand, daß viele Gärtnereien, die nach der neuen Gewerbeordnungsnovelle ohne weiteres der Gewerbeordnung unterſtellt werden können, ihr doch nicht unterſtellt werden. Dieſem Zuſtande wünſchen die Petenten abzuhelfen, und darin ſollte man ſie unterſtützen. Deshalb bitten wir, die Petition dem Magiſtrat zur Berückſichtigung zu überweiſen. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) (Die Beratung wird geſchloſſen.) Berichterſtatter Stadtv. Dr. Flatan (Schluß⸗ wort): Ich glaube, daß Herr Kollege Borchardt