Sitzung vom 9. November 1910 geeignet ſind, ein völlig falſches Bild — wenn überhaupt ein Bild — zu geben und darum irre zu führen. Und drittens, meine Herren, iſt in den Flugblättern davon die Rede, daß eine „unrichtige Wirtſchaftspolitit“, eine, ½ s wörtlich heißt, „unökonomiſche Finanzpolitik“ in der Stadtge⸗ meinde getrieben würde, und es wird geſagt: Das Syſtem der leichten Hand läßt auch die Ausgaben die den Etat nur einmal belaſten, ins Ungemeſſene anſchwellen. So⸗ weit ſie nicht aus den laufenden Einnahmen gedeckt werden können, hilft eben das Schuldenmachen. Meine Herren, zu dieſen drei Hauptpunkten möchte ich mich äußern. Ich komme zunächſt auf den erſten Punkt, die Anleiheſchulden. Das erſte Flugblatt ſagt, es ſeien 183 ½ Millionen Anleiheſchulden nunmehr bewilligt. Es gibt ſodann eine Statiſtik von Schulden von dem Jahre 1881 ab bis zum Jahre 1908 und ſpricht dann wieder von einer weiteren Anleihe, von der neuen Anleihe von 42 ½ Millionen. In dem Flugblatt iſt als letzte Zahl des Jahres 1908 ein Schuldenſtand von 141 Millionen an⸗ gegeben. Meine Herren, ich habe nicht erſehen können, worauf die Ziffer 183½ Millionen An⸗ leiheſchulden beruht. Offenbar ſcheint es mir ſo zu ſein, daß die Verfaſſer einfach zu den 141 Millionen Schulden die 42 ½ Millionen Anleihe zugezählt haben und ſo auf die Summe 183½ Millionen gekommen ſind. Sollte dieſe Ver⸗ mutung richtig ſein, ſo müſſen wir uns fragen, ob eine derartige einfache Addition möglich iſt, oder ob, wenn ſie vorgenommen wird, ein ſolches Verfahren nicht ſehr unvorſichtig zu benennen iſt. Meine Herren, ich möchte zunächſt aus der ganzen Struktur des Flugblattes ſchließen, daß die Statiſtik nur von Anleih e ſchulden ſprechen wollte. Denn am Eingang iſt von Anleiheſchulden die Rede, am Ende iſt von Anleihen geſprochen; in der Mitte iſt von Schulden geſprochen. Das iſt meines Erachtens unmöglich; denn das Bild würde ſich dadurch völlig verwiſchen, und da ich annehme, daß mit dieſem Flugblatt eine ernſthafte Statiſtit über unſer Anleiheweſen gegeben werden ſollte, ſo kann ich nicht annehmen, daß mit der Statiſtik etwas anderes gemeint ſein kann als Anleiheſchulden. Und, meine Herren, da kommt man bei Prüfung zu dem Reſultat: die Angaben ſind falſch. Man kommt, ſelbſt wenn man annimmt, daß allgemeine Schulden, alſo An⸗ leiheſchulden plus irgendwelche anderen Verbind⸗ lichkeiten — Hypotheken uſw. — genommen ſind, ferner zu dem Reſultat, daß die Summe von 183½ Millionen trotzdem falſch iſt. Wenn man nun dieſe Statiſtik richtigſtellen will, ſo tritt naturgemäß die Frage auf: wie kann man das am beſten erreichen, und da iſt, glaube ich, der einzig richtige Weg der, zu fragen: was iſt an Anleihen be willigt, was iſt bisher von den Anleihen begeben, was iſt von den Anleihen getilgt, was noch nicht abgehoben? Und was dann übrig bleibt, meine Herren, das iſt derjenige Betrag, der wirklich an Anleihen im Umlauf iſt, und der wirklich als Anleiheſchuld zu betiteln iſt. 1 (Sehr richtig!) Nur auf dieſe Weiſe kann man, glaube ich, ein richtiges Bild unſerer Anleiheſchuld beiommen, und dieſes Bild ſtellt ſich nun folgendermaßen. 421 Am 31. März 1910 haben wir — ausſchließlich der Bismarckſtraßenanleihe in Höhe von 12 Millionen — eine geſamte Anleiheſchuld be⸗ willigt gehabt von 161 220 000 d. Von dieſem Betrage ſind getilgt geweſen 16 665 200 ℳ, noch nicht abgehoben 18 915 537 ℳ, (hört, hört!) ſodaß wir am 31. März 1910 125 639 263 ℳ wirkliche Obligationsſchulden hatten. (Hört, hört!) Dieſe Zahlen ſtellen ſich naturgemäß für das Jahr 1908 niedriger; andererſeits, wenn ich die Jetztzeit nehme und nicht bloß die bereits bewilligten und begebenen Schulden, ſondern auch die neue, noch nicht einmal genehmigte Anleihe in Höhe von 42 ½ Millionen hinzuzähle, höher. Denn be⸗ willigt ſind dann, wenn Sie die Amortiſa⸗ tionsbeträge, noch nicht abgehobene Anleihen uſw. außer acht laſſen, rund 161 plus 42 ½ Millionen, das heißt rund 203 500 000 ℳ. Aber ich glaube, ein ſolches Bild dürfte wohl nicht das richtige ſein; denn wenn man von Anleiheſchulden ſpricht, muß man ſelbſtverſtändlich diejenigen Beträge abziehen, die noch nicht begeben ſind, und wenn ſie begeben ſind, diejenigen, welche noch nicht abgehoben ſind. (Sehr richtig!) Wenn Sie nun ſo die Ziffern aus dem Flug⸗ blatt richtig ſtellen, ſo bekommen Sie folgendes Ergebnis. Im Jahre 1881 waren nicht 1 % Millio⸗ nen, ſondern 1 338 000 ℳ Anleiheſchulden, 1901 ſtatt 49% Millionen 43 422 000 ℳ,; 1907 ſtatt 128 Miilionen 107 353 000 ℳ und 1908 ſtatt 141 Millionen 119 239 000 ℳ Anleiheſchulden vorhanden. (Hört, hört!) Meine Herren, ein anderer, meines Erachtens viel ſchwererer Fehler als dieſer findet ſich aber in dem zweiten Flugblatt. Hier iſt auch wieder von den Schulden der Stadt Charlottenburg die Rede und im Anſchluß daran ausdrücklich geſagt: Die hierdurch verurſachte jährliche Belaſt un g für Zinszahlung und Schulden⸗ tilgung betrug über 7 ½ Millionen, d. h. über eine Million Mark mehr als die Einnahmen aus der Einkommenſteuer. Meine Herren, beide Zahlen, die hier genannt ſind, kann ich nicht als richtig gelten laſſen. Zu⸗ nächſt iſt die jährliche Belaſtung, wenn ich dieſe in Vergleich zur Einkommenſteuer bringen will, nicht diejenige Summe, die überhaupt für Schuldentilgung und Amortiſation zu bezahlen iſt, ſondern diejenige Summe, die ich aus den Einkommenſteuern decken muß, und dieſer Betrag iſt nicht 7 ½ Millionen, ſondern er ſtellt ſich am 31. März 1909 — ſage und ſchreibe — auf 2 696 392 . (Hört, hört!) Meine Herren, die Verfaſſer des Flugblattes haben offenbar bei der Aufſtellung überſehen, daß den Ausgaben für Amortiſation und Tilgung ſehr erhebliche Einnahmen gegenüberſtehen, daß die Kanaliſationswerke, die Ladeſtraßen, der Stätte⸗ platz, das Elektrizitätswerk, die Gaswerke, die Waſſerwerke, das Bismarckſtraßenunternehmen und der Grundſtückserwerbsfonds ſehr erhebliche Er⸗ ſtattungen zu tragen haben und trotzdem zum teil — ich nehme insbeſondere die ſtädtiſchen Werke in Bezug — noch Millionen Überſchüſſe außerdem an uns abliefern. (Hört, hört!)