Sitzung vom 9. hingeben. Die Anforderungen werden koloſſal ge⸗ wachſen ſein. Sie hören ja: heute ſind wiederum Petitionen in dieſem Saale beraten worden, die darauf hinausgehen, ſehr erhebliche Summen für Straßenpflaſterungen und andere Sachen für das Etatsjahr 1911 zu fordern. Es iſt ja richtig, daß der Abſchluß für das Jahr 1909, der Ihnen vorgelegt worden iſt, ein weſentlich beſſeres Ergebnis gezeigt hat als der des Jahres 1908; es iſt ferner richtig — ſo glaube ich wenigſtens bis jetzt ſagen zu können —, daß die Entwicklung des Jahres 1910 in ſteuerlicher Hinſicht befriedigend iſt; wir haben bis jetzt der⸗ artige Eingänge, daß die Hoffnungen, die wir im Etat ziffernmäßig zum Ausdruck gebracht haben, durchaus nicht enttäuſcht werden. Aber wenn auch alles dies der Fall iſt, ſo glaube ich doch davor warnen zu ſollen, ſich übertriebenen Hoffnungen auf das Jahr 1911 hinzugeben, auch nicht etwa aus dem Grunde, daß, wie wir jetzt geſehen haben, die Bevölkerungszunahme in Charlottenburg ſich in einem ſehr erfreulichen Wachstum befindet und wir zur Zeit bereits nahezu 300 000 Einwohner haben. Man ſoll nicht vergeſſen, daß wir ja bei unſerem Etat immer mit den 100% rechnen müſſen, und wir werden deshalb, wenn wir zur Etatsbalanze kommen wollen — das ſind freilich nur meine Ge⸗ danken ohne feſte Grundlagen — an den ver⸗ ſchiedenſten Stellen wahrſcheinlich auch in dieſem Jahre wieder ſtreichen müſſen, werden uns Reſerve nach verſchiedener Richtung auferlegen müſſen und auch auf ſozialem Gebiete, das ſehr große Opfer in den letzten Jahren von uns verlangt hat, uns ſehr große Reſerve auferlegen müſſen, vielleicht auch können. Ich möchte aber ausdlücklich an dieſer Stelle noch einmal feſtlegen, daß das alles nur Ge⸗ danken ſind ohne eine beſtimmte Grundlage. Le⸗ diglich dafür kann ich die Garantie übernehmen, daß, wie ich Ihnen geſagt habe, die Steuerver⸗ hältniſſe des laufenden Jahres durchaus befrie⸗ digen und den Hoffnungen gerecht werden, die wir ziffernmäßig im Etat auf ſie geſetzt haben. Weitere Ausführungen möchte ich zur laufen⸗ den Verwaltung einſtweilen nicht machen, ſondern die Debatte abwarten. Meine Herren, wir wiſſen im Magiſtrat, daß Sie faſt alle hier im Saale mit uns die Wirtſchafts⸗ politik und die Finanzpolitik, die wir bisher einge⸗ ſchlagen haben und bisher auch als richtig erkannt haben, gutheißen und in dieſer Hinſicht mit uns einig ſind. Ich glaube, darüber brauche ich kein Wort weiter zu verlieren. Wir können nicht, wie es bei der Beratung des Etats und der letzten Anleihe⸗ vorlage vorgeſchlagen wurde, einfach alles ſtreichen; wir können nicht Verkehrsanſtalten und Anlagen, die von uns gefordert werden, ohne weiteres hemmen; wir können nicht den Handel unter⸗ graben, indem wir ihm nicht dasjenige geben, was er haben muß, wenn er ſich entfalten will; wir können nicht aufhören, Schulen zu bauen, Bedürfniſſe nach Bildung nicht befriedigen und Kulturaufgaben einfach nicht löſen. Es können viel⸗ leicht mal Zeiten kommen, wenn die Entwicklung allgemein ſtockt, wenn die Bevölkerungszunahme nicht ſo ſtark iſt wie zur Zeit, daß auch wir ein etwas langſameres Tempo einſchlagen können; ein Auf⸗ hören aber, glaube ich, wird es nach dieſer Richtung vorläufig nicht geben; und, meine Herren, der weit⸗ ſichtige Weg, der bisher von Ihnen im Verein mit dem Magiſtrat beſchritten worden iſt, der bisher der richtige geweſen iſt, und der die Veranlaſſung November 1910 425 geweſen iſt, daß Charlottenburg unter den Groß⸗ ſtädten einen Namen erlangt hat — dieſer Weg wird uns hoffentlich auch weiter richtig führen und die Stadt Charlottenburg zur weiteren Blüte und Entfaltung bringen! (Bravo!) Vorſteher Kaufmann: Von Herrn Kollegen Otto iſt mit genügender Unterſtützung die Be⸗ ſprechung der Anfrage beantragt worden. Wir treten in die Beſprechung ein. Stadtv. Dr. Liepmann: Meine Herren, für die Flugblätter, die hier vorgeleſen ſind, übernehme ich die volle Verantwortung. (HKeiterkeit.) Sie ſind zwar nicht von mir direkt verfaßt worden, ſondern ſie ſind von einem gut freiſinnigen Herrn in Charlottenburg verfaßt worden, (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Sitzredakteur!) ich habe ſie aber durchgeſehen, zuſammengeſtellt, geprüft und gebilligt, ſo daß ich, wenn Sie ſo wollen, als verantwortlicher Redakteur für ſie die volle Ver⸗ antwortung übernehme. Ich muß natürlich auf die Frage eingehen, ob die Blätter ernſt zu nehmen ſind. Selbſtverſtänd⸗ lich, meine Herren, ſind die Angaben, die wir machen und die ich mache, ernſt zu nehmen, ſelbſt wenn ſie im Wahlkampf geſchehen. (Heiterkeit.) Natürlich können ſie nicht jenen Anforderungen genügen, die der Herr Kämmerer hier aufſtellte unter Benutzung des geſamten amtlichen Materials, (hört, hört!) das er in Händen hat; wir wollten kein ſtatiſtiſches Werk herausgeben, (hört, hört!) ſondern es ſollen eben Flugblätter mit Zahlen ſein. (Zurufe: Falſche Zahlen!) — Meine Herren, ich habe ſowohl den Herrn An⸗ frager wie den Herrn Kämmerer reden laſſen, ohne Zwiſchenreden zu machen. Sie ſind in der Mehrheit — bitte, knebeln Sie nicht die Minderheit und laſſen Sie mich ausreden! Nachher kommen Sie auch zum Wort! — (Sehr richtig!) Es iſt nichts weiteres zu verlangen, als daß die Zahlen, die wir angegeben haben, wahr, und daß ſie nicht in einer unſinnigen Weiſe gegenübergeſtellt ſind. Zunächſt wollten wir auch — dieſe Flug⸗ blätter waren eben Mittel des Kampfes — den Wahlkampf in der größten Ruhe führen, und als ich zum erſten Male ziemlich ſcharf angegriffen wurde, im Türkiſchen Zelt von Herrn Kollegen Meyer, habe ich derart erwidert, daß von den ver⸗ ſchiedenſten Herren auf Ihrer Seite und auch von für mich ſehr maßgebenden Herren die „vornehme“ Art und Weiſe anerkannt wurde, mit der ich ent⸗ gegengetreten wäre. Ich und meine Freunde wären gern in dieſer Art weiter gegangen, wenn uns die Gegner das möglich gemacht hätten. Aber wir ſind angezapft worden mit ſolchen Entſtellungen und mit ſolchen Inſinuationen, daß wir unmöglich weiter Gewehr bei Fuß verharren konnten. Es iſt uns immerzu vorgeworfen worden, wir, der nationalliberale Ortsverband, ſtellen Sonder⸗ kandidaturen auf. (Stadtv. Dr Crüger: Zur Sache! Zur Sache!) — Das gehört zum Flugblatt, das gehört zum