Sitzung vom 9. wie ſich die Geldwirtſchaft Charlottenburgs in Zukunft geſtalten wird. Es mag ſein, daß dies für einen gelehrten Statiſtiker nicht die richtige Methode iſt — für das große Publikum ergibt ſich hieraus das richtige Bild. (Hört, hört! und große Heiterkeit.) Dann, meine Herren, hat der Herr Kämmerer eben die Zahlen der Schuldenbelaſtung ange⸗ zweifelt. Dieſe Angaben ſind gemacht worden im Berliner Tageblatt. Soweit ich weiß, hat das Berliner Tageblatt eine größere Verbreitung als unſer Aufruf, der nur in 4000 Exemplaren in die Welt gegangen iſt. Wenn dieſe Angaben falſch ge⸗ weſen wären, hätte meiner Anſicht nach der Herr Kämmerer in der Preſſe eine Berichtigung oder Entgegnung herbeiführen ſollen, zumal er glaubte, daß dadurch das Anſehen der Stadt Charlottenburg geſchädigt wird. Ich bin ja nicht der Anſicht. Nun hat der Herr Kämmerer, um dieſe Zahlen zu entkräften, geſagt: ja, die anderen Städte, die beſſer daſtehen als Charlottenburg, ſind ältere Städte. Hinſichtlich des Satzes der Schuldenlaſt auf den Kopf der Bevölkerung iſt das nicht be⸗ weiſend. Denn erſtens, meine Herren, hat er ſelbſt zugeben müſſen, daß Rixdorf, Wilmersdorf, Berlin, Schöneberg viel beſſer daſtehen als wir — und die leiden auch nicht Mangel an Gas uſw. (Zurufe: Aber Krankenhäuſer! — Keine Ahnung!) Vorſteher Kaufmann: Ich bitte, den Redner nicht zu unterbrechen. Stadtv. Dr. Liepmann (fortfahrend): Zweitens meine Herren, können wir uns deswegen nicht darauf berufen, daß die anderen ältere Städte ſind, weil wir, meine Herren, falls wir ſo weiter wirtſchaften, gerade dann, wenn wir älter ge⸗ worden ſind, eine ungeheure Schuldenlaſt auf⸗ gehäuft haben werden. Alſo damit iſt das nicht zu erklären, daß die älteren Städte weniger Schuldenlaſt haben. Weiter habe ich das Ver⸗ mögen von Berlin und Charlottenburg und die Höhe ihrer Schulden gegenübergeſtellt. Dagegen konnte auch nichts eingewendet werden, daß Berlin ein über doppelt ſo großes Vermögen hat als Schulden, während wir nur ein Plus von knapp 1% der Schuldenlaſt als Reinvermögen aufweiſen können. Alſo, Herr Kämmerer, meine Herren, Redensarten ſind das nicht, die hier in dem Flug⸗ blatt gemacht worden ſind! (Rufe: Doch!) — Nein, es ſind keine Redensarten, und ich muß mich dagegen verwahren. (Stadtv. Zander: Kaufmänniſch iſt das nicht!) Es zeigt jedenfalls, daß, wie ſchon Herr Kollege Frentzel bei ſeiner Etatsrede geſagt hat, eine große Pumpgenialität entwickelt iſt. (Stadtv. Dr Frentzel: Wo?!) — Ja, das haben Sie geſagt, Herr Kollege. Alſo es iſt nur gut und kommunalpatriotiſch, wenn wir darauf hingewieſen haben. (Stadtv. Zander: Zum Zwecke der Wahl!) — Ich wollte nur Herrn Kollegen Zander darauf aufmerkſam machen: er hat wohl nichts zum Zwecke der Wahl getan?! (Stadtv. Dr Crüger: So iſt's recht! — Heiterkeit.) Dann hat uns der Herr Kämmerer aufge⸗ fordert, er möchte doch Vorſchläge an richtiger Stelle zur Sparſamkeit haben. Ja, heute Abend zu ſo ſpäter Stunde kann ich Ihnen nicht alle die Vorſchläge bringen, die ich zum teil ſchon gemacht November 1910 427 habe. Zweitens werde ich nicht ſo unpraktiſch ſein und mir durch ſolche Vorſchläge durch den einen den und durch den anderen den unſerer Anhänger weniger freundlich zu machen, da wirkliche Er⸗ ſparungen dadurch doch nicht zu erzielen ſind. (Hört, hört! und ſtürmiſche Heiterkeit.) Das tue ich, meine Herren, an richtiger Stelle, im Etatsausſchuß oder bei der Etatsberatung hier oder gegenüber Vorlagen, denen gegenüber wir Vor⸗ ſchläge zur Sparſamkeit machen zu können glauben; aber heute Abend geht das nicht. Meine Herren, ſtellen wir uns nun aber auf den Standpunkt der Zahlen des Herrn Kämmerers ſelbſt, ſo iſt unſere Beurteilung, ob danach wirtſchaftlich oder unwurtſchaftlich verfahren iſt, verſchieden von der Ihrigen; das hängt eben von der Individualität ab. Nach meiner Anſicht geht das Schuldenmachen, wie es der Herr Kämmerer uns dargelegt hat, und wenn die Zwecke auch noch ſo ſchön ſind, doch zu weit. Der Herr e gibt uns einen Proſpekt, der nicht ſehr angenehm und roſig iſt, für die Zukunft. Meine Herren, die Folgerungen aus den Zahlen uſw. ſtammen ja nicht von dem Verfaſſer des Flgublattes her; ſie ſind dem Organ der freiſinnigen Partei in Char⸗ lottenburg, der „Neuen Zeit“, entnommen. Alles das ſind wörtliche Zitate, nicht unſere Anſicht. (Erneute große Heiterkeit.) Daß eine Kataſtrophe eintreten kann — meine Herren, das iſt nicht unſere Anſicht, (Bravo! und Zurufe) ſondern es iſt nur unſere Anſicht, daß der Zuſtand für Charlottenburg ſehr bedenklich iſt, und daß die Wähler darüber aufgeklärt werden müſſen. (Erneute Zurufe: Und Ihre Anſicht?!) — Schön, Sie wollen meine Anſicht haben. Ich bin der Anſicht, daß, wenn ein Mann ein großes Einkommen, ſagen wir: 100 000 ℳ hat, aber 200 000 ℳ jährlich ausgibt, indem er das Fehlende ſich hinzupumpt, (Stadtv. Zander: Muß er Pleite machen!) und er verwendet dieſe 100 000 ℳ zum Nutzen oder zur Verſchönerung ſeines Hauſes, für Zinſen von Parzellen, die er hofft, ſpäter günſtig ver⸗ kaufen zu können uſw., ſo halte ich das für leicht⸗ ſinnig und unwirtſchaftlich; er lebt über ſeine Verhältniſſe, wenn vielleicht auch ſpäter einmal ein günſtiger Moment ergeben wird, daß der Mann noch heil aus den Schwierigkeiten heraus⸗ kommt. Trotzdem kann ich ſolche Finanzgebahrung nicht billigen. (Stadtv. Dr Frentzel: So!) Aber, meine Herren, wir wollen nicht nur das Anleiheweſen, das Pumpſyſtem eingeſchränkt wiſſen, wir wollen auch die Ausgaben eingeſchränkt wiſſen. (Stadtv. Meyer: Welche denn?) Wir werden viel weniger ausgeben, wenn wir weniger borgen. Denn wie bei einem Privat⸗ mann, ſo wird auch bei einer ſtädtiſchen Verwaltung eine leichtere Hand erzeugt und leichteres Aus⸗ geben, wenn das Geld durch eine Anleihe herbei⸗ gebracht wird, als wenn es ſchwer von den Steuerzahlern entnommen wird. Und wenn Sie ſchon, meine Herren der Mehrheit, dabei bleiben wollen, daß das gleiche Maß an Aus⸗ gaben weiter gelten ſoll, wie bisher, dann, meine Herren, tun Sie jedenfalls richtiger, die Bereitſchaft des Geldes für die Ausgaben — und da komme ich auch auf eine Bemerkung des Herrn Kämmerers über das Flugblatt —, die dann nötig gemacht