434 Sitzung vom 9. Ich will damit meine Kritik des Flugblattes ſchließen. Ich lege dem Flugblatt wirklich nicht allzu⸗ viel Bedeutung bei. Ich ſtimme vollkommen mit dem überein, was von Ihnen im zweiten Flug⸗ blatt geſagt iſt, daß es ſich in der Hauptſache um kleinliche Fraktionsintereſſen handelt. In Wirk⸗ lichkeit ſind hier kleinliche Fraktionsintereſſen im Spiel, und wer daran noch gezweifelt hat, muß durch die Ausführungen des Herrn Kollegen Meyer zu der Überzeugung gekommen ſein, daß es ſich um nichts weiter als um kleinliche Fraktions⸗ intereſſen handelt. Herrn Kollegen Liepmann möchte ich zum Schluß bitten, ſich das Keſſeltreiben, das hier gegen ihn veranſtaltet wird, nicht allzu ſehr zu Herzen zu nehmen. Die Sache iſt wirklich nicht ſo ſchlimm, und die Liberalen ſind keine unver⸗ ſöhnlichen Gegner; ſie ſtehen auf dem Standpunkt, daß über einen Sünder, der Buße tut, mehr Freude iſt als über hundert Gerechte. Das haben wir auch in Charlottenburg erlebt, und wer noch nicht weiß, daß die Liberalen ſo großmütige, edelmütige Leute ſind, kann ſich durch einen Blick in die Unterſchriften, die die Interpellation trägt, davon überzeugen. Sie finden nämlich unter den Unter⸗ ſchriften auch den Namen des Herrn Kollegen Zander, und, Herr Kollege Liepmann, was Ihnen hier vorgeworfen wird, iſt genau mit denſelben Worten und von derſelben Fraktion vor einigen Jahren dem Kollegen Zander vorgeworfen worden. Wir haben am 4. November 1908 genau dieſelbe Debatte gehabt; da ſollte Herr Kollege Zander den Konkurs von Charlottenburg an die Wand gemalt oder ſchon angemeldet gehabt haben — ich weiß es nicht ſo genau —, da hat auch einer der Herren von der liberalen Fraktion den Magiſtrat interpelliert, und auch da ſagte der Magiſtrat: wir ſind dankbar, daß die Anfrage gekommen iſt — ganz programmäßig genau ſo wie heute. Alſo die Sache iſt gar nicht ſo ſchlimm, und es iſt keines⸗ wegs ausgeſchloſſen, daß, wenn wir vielleicht über zwei Jahre wieder über den Verfaſſer eines unbotmäßigen Flugblattes zu Gericht ſitzen, zu den Unterzeichnern der Interpellation — au Herr Kollege Liepmann gehört! (Heiterkeit.) Stadtv. Dr. Liepmann: Meine Herren, der Herr Vorredner hat mich ja deſſen überhoben, dem Herrn Kollegen Meyer auf ſeine in ſo großem Pathos gehaltenen Vorwürfe über die Art und Weiſe des Flugblattes zu entgegnen Mir liegt ſolch Pathos nicht, und ich habe mich deshalb darüber gefreut, daß dieſe Vorwürfe von Herrn Kollegen Hirſch abgewieſen ſind. (Stadtv. Dr Crüger: Sehr genügſam!) Aber, meine Herren, auf einige Bemerkungen des Herrn Kollegen Mever muß ich doch erwidern, weil ſie direkt ſo verletzend waren, daß ich hoffen konnte, der Herr Vorſteher würde dagegen einſchreiten. Herr Kollege Meyer hat zunächſt überſehen und es überſehen wollen, da er durch meine Erklärung informiert war, daß ich mich als verantwortlich für das Flugblatt bezeichnet und noch geſagt habe, ich hätte das Flugblatt geprüft, durchgeſehen und gebilligt. Hiernach in alſo alles, was gegen den Verfaſſer des Flugblattes geſagt iſt, allein gegen mich gerichtet geweſen. Ich glaube, dieſes Verſteck⸗ ſpielen von ſeiten des Herrn Kollegen Meyer war November 1910 ſo klar, daß dagegen von Ordnungs wegen wohl etwas hätte geſchehen ſollen. Herr Kollege Meyer hat dann geſagt, daß ich es als unſere Abſicht ausgedrückt hätte, wir wollten ſtatt der Anleihen die Steuern erhöhen. Das Gegenteil habe ich ausgeſprochen. Ich habe geſagt: wir wollen Sparſamkeit haben und uns in den Ausgaben und im Aufnehmen von Anleihen be⸗ ſchränken. Dann fuhr ich fort: wenn Sie aber, die Herren der Mehrheit, dieſelben Ausgaben weiter haben wollten wie bisher, dann wäre es von Ihrem Standpunkt aus ſelbſt richtiger, die Steuern zu erhöhen. Daß w ir nicht die Steuern erhöhen wollen, iſt ſelbſtverſtändlich. Herr Kollege Hirſch hat davon geſprochen, daß die Angaben in der Zeitung, auf die ich Bezug ge⸗ nommen habe, nicht hätten berichtigt werden können, weil es nur korrekt wäre, wenn ſich der Magiſtrat auf Berichtigungen während des Wahl⸗ kampfes nicht einlaſſe. Aber, meine Herren, dieſe Artikel ſind erſchienen am 24. 11. 09, 10. 6. 10 in der „Neuen Zeit“ und am 5. 3. 10 im Tageblatt, alſo zu einer Zeit, wo ſehr wohl, wenn unrichtige Zahlen gegeben wären, das von ſeiten des Magi⸗ ſtrats hätte richtig geſtellt werden können. Dies iſt aber nicht geſchehen, weil ſie eben nicht unrichtig ſind; denn ſie beruhen, wie ich dargeſtellt habe, auf den amtlichen Angaben in dem Bericht über die Verwaltung der Stadtgemeinde. Deswegen iſt es eine Entſtellung, wenn Herr Kollege Meyer dem Verfaſſer des Flugblattes weiter vorwirft, daß gefälſchte Zahlen angegeben wären; ich muß hiergegen wie gegen die weiteren gegen den Verfaſſer der Flugblätter gerichteten Vor⸗ würfe auf das entſchiedenſte proteſtieren. Vorſteher Kaufmann: Ich möchte mich Herrn Kollegen Liepmann gegenüber gegen den invol⸗ vierten Vorwurf, ich hätte Herrn Kollegen Meyer unterbrechen müſſen, verwahren. Herr Kollege Meyer hat direkt geäußert, er freue ſich, daß Herr Kollege Liepmann nicht der Verfaſſer wäre, denn er hätte ihm derartige Ausdrücke nicht zugemutet ch und ihm auch nicht ſo entgegentreten können, wie er dem unbekannten Verfaſſer entgegengetreten iſt. Ich glaube, daß für mich kein Anlaß war, Herrn Kollegen Meyer deswegen zu rettiftzieren. Sta dtv. Dr. Frentzel: Meine Herren, ich habe mich zuerſt mit Herrn Kollegen Hirſch zu be⸗ ſchäftigen. Ich möchte aber zunächſt erklären, daß ich die Tonart, in die er verfallen iſt, nicht an⸗ ſchlagen will, ſelbſt wenn ich ſicher wäre, mit einigen Witzchen und Späßchen eben ſo viel Erfolg zu er⸗ zielen, wie es ihm gelungen. Aber ſelbſt wenn ich, der ich allerdings ſonſt derartigen etwas ironi⸗ ſierenden Betrachtungen in ähnlichen Fällen nicht ganz abhold bin, nicht ſo verfahren kann wie Herr Kollege Hirſch, ſo kann ich das nicht, weil für mich die Angelegenheit von ernſterer und tieftragenderer Bedeutung iſt, als Herr Kollege Hirſch anzunehmen ſcheint. Wenn es ſich hier im vorliegenden Falle darum handelt, daß der Kredit unſerer Stadt in ſehr erheblicher und in ſehr leichtfertiger Weiſe angegriffen worden iſt, ſo iſt das allerdings für diejenigen, die ſich für die Finanzwirtſchaft dieſer Stadt mehr oder weniger auch mit verant⸗ wortlich fühlen, eine Angelegenheit von großem Ernſt und Bedeutung, die ich glaube mit etwas mehr Würde behandeln zu ſollen; deswegen möchte ich