Sitzung vom 9. in den Ton, in den Herr Kollege Hirſch mit ziemlich viel perſönlichem Erfolg verfallen iſt, nicht weiter einſtimmen. Aus dieſem in den oben geſagten Worten näher ausgeführten Grunde ergibt ſich für mich auch der Nachweis, daß ich dieſe Interpellation im Gegenſatz zu Herrn Kollegen Hirſch für eine dringende Notwendigkeit halte, für eine dringende Notwendigkeit darum, damit bereits jetzt, in dieſem Augenblick, alles das, was Falſches eventuell in der Bürgerſchaft durch die erwähnten Flugblätter verbreitet iſt und was in ſeiner Falſchheit und Un⸗ richtigkeit wie ein Wurm weiter freſſen könnte, abgetötet wird und zur Vernichtung gelangt. (Sehr richtig!) Es handelt ſich nicht — und ich beſtreite Herrn Kollegen Hirſch auch das Recht, das zu behaupten — um kleinliche Fraktionsgezänke, ſondern um ga n z er nſte Sach e n. Es handelt ſich nicht um kleine Wahlplänkeleien; wäre es ſo, dann wäre es töricht, ſie jetzt anzuſtellen, und wir müßten uns, Herr Kollege Hirſch, ſagen, daß ſie uns jetzt für künftige Wahlen nicht helfen würden. Hätten wir dies Ziel im Auge gehabt, hätten wir beſſer bis zum Ok⸗ tober gewartet und wären mit den noch friſchen Worten des Herrn Kämmerers in den Wahlkampf hinausgegangen. Aber wir denken nicht an Wahl⸗ manöver, ſondern wir denken vor allen Dingen da⸗ ran, den Ruf der Stadt Charlottenburg und ſeiner Finanzwirtſchaft wiederherzuſtellen und von den⸗ jenigen Angriffen zu reinigen, die auf ſie geſchleudert worden ſind. Herr Kollege Hirſch hat noch eine andere Be⸗ merkung gemacht, von der ich ſagen muß, daß ich ſie nicht recht verſtanden habe. Er behauptet, es gäbe da eine verkappte und eine unverkappte Partei, und ich weiß nicht recht, welche die ver⸗ kappte und welche die unverkappte ſein ſoll. Wenn er mit der letzteren uns meint, ſo muß ich ihm er⸗ klären, daß mit einer derartigen bloßen, beweis⸗ loſen Behauptung abſolut gar nichts getan iſt, ſondern daß wir hier ſowohl wie an anderen Stellen unſere Ziele, denen wir nachleben, offen und ehrlich ſtets bekannt haben und ſie aufzuſtellen uns in keinem Augenblick geſcheut haben. Wozu ſollten wir denn auch? Wir ſind von der Richtigkeit der⸗ ſelben viel zu ſehr durchdrungen, verehrter Herr Kollege. (Stadtv. Hirſch: Aber in den Flugblättern ſteht das Gegenteil!) Deshalb erübrigt ſich auch, auf die Vorwürfe einzugehen, die Herr Kollege Hirſch gegen meinen Fraktionskollegen Meyer geſchleudert hat, indem er behauptet, dieſer hätte die Antwort, die er Herrn Kollegen Liepmann gegeben hat, zu einer Wahlrede ausgearbeitet. Davon iſt abſolut keine Rede. Wenn Sie etwas zugehört hätten, würde es Ihnen nicht entgangen ſein, daß Herr Kollege Meyer nur ſo weit auf die Wahlen eingegangen iſt, wie Herrn Kollegen Liepmanns Ausführungen es nötig machten; Ausführungen, durch die er der Antwort auf den Vorwurf, daß er ganz falſche irreführende Zahlen⸗ gruppierungen gebracht hat, ſich hat entziehen wollen. Nun komme ich zu Herrn Kollegen Liepmann ſelbſt. Mir fiel, als er ſprach nur der eine Vers aus Goethes Fauſt ein: „O ſelig, wer noch hoffen kann, aus dieſem Meer des Wahnes aufzutauchen!“ Während ſeiner Gedankenſprünge ſehnte ich mich, eingedenk der mir ſeit lange geläufigen, aus den November 1910 435 Etatsberatungen feſt im Gedächtnis haftenden Zahlen zurück nach den klaren Ausführungen, die der Herr Kämmerer gemacht hat, und an denen zu rütteln auch nicht in dem kleinſten Punkte Herrn Kollegen Liepmann geglückt iſt. Wenn aber als Antwort das erfolgen konnte, was wir eben gehört haben, ſo muß ich ſagen, Herr Kollege Liepmann verſteht eben dieſe Rede nicht, (ſehr richtig!) ebenſo wenig, wie er in meiner Rede den Paſſus vom Pumpgenie verſtanden hat, nicht ver⸗ ſtanden hat, daß es ein Kompliment für den Ma⸗ giſtrat geweſen iſt, der es verſtanden hat, ſo große Geldſummen zur gegebenen Zeit herbeizuſchaffen — genau in dem Sinne der Rede des Herrn v. Gwinner, in welcher er ſeinerzeit den Finanzminiſter an⸗ riff. 8 60 Kollege Liepmann verſteht aber auch die in dieſem Verwaltungsbericht gegebene Sta⸗ tiſtik nicht. Ich habe bisher dieſes Werk für ein ziemlich harmloſes Ding gehalten, heute habe ich geſehen, daß es in der Hand eines Unkundigen ein gemein⸗ gefährliches Inſtrument ſein kann. Herr Kollege Liepmann greift aus den Zahlen der oft zitierten Seite 40 eine Zahl willkürlich heraus, und von ihr aus⸗ gehend entwickelt er die gefährlichen und drohenden Bilder der Zukunft. Aber wenn er ſich nur die Mühe genommen hätte, eine Seite weiter zu blättern, ſo hätte er dort, auf Seite 39, die Zahl gefunden, die logiſch und notwendigerwe iſe ſtets als Gegenſeite und in Verbindung mit der Zahl von 140 Millionen genannt werden muß, er hätte geſehen, daß den Schulden ein gewiſſes Vermögen gegenüberſteht und daß dieſes die Verbindlichkeiten um mehr als 27 Millionen übertrifft. Durch die Betrachtung dieſer einen Zahl hätte er ſchon an ſeiner Gott⸗ ähnlichkeit bange werden müſſen. Er hat aber geſagt, er hätte nicht die Abſicht gehabt, ſtatiſtiſche Arbeiten herausgegeben, er hätte für das Volk, für die Wähler geſprochen. Nun, ich werde einmal ſeinen Wegen folgen und werde verſuchen, den Fehler, den er gemacht hat, ganz klar an einem einzigen Beiſpiele in ganz volks⸗ tümlicher Weiſe darzuſtellen. Da Sie Amtsgerichts⸗ rat geweſen ſind und deswegen wohl auch National⸗ ökonomie ſtudiert haben werden, glaube ich, werden Sie dieſe einfachen Darlegungen auch ohne weiteres verſtehen. Nehmen Sie z. B. einen Herrn X, der meinetwegen Bankdirektor iſt und als ſolcher eine Einnahme von 70 000 ℳ hat, und nehmen Sie an, daß dieſer Herr Grundſtücke, bewohnte Häuſer be⸗ ſitzt im Werte von 4 Millionen, und daß auf dieſen Häuſern erſte Hypotheken im Betrage von 2 Mil⸗ lionen laſten; dann ſagt alle Welt: der Herr X iſt in außerordentlich guter Vermögenslage, er iſt ein reicher Mann. Anders Herr Kollege Liep⸗ mann. Wenn der gefragt wird: wie ſteht es mit den Vermögensverhältniſſen des Herrn X?2 dann ſagt er: der Mann hat 2 Millionen Schulden, die Zinſen dieſer Schulden betragen 80 000 ℳ, und denen ſteht nur eine Einnahme von 70 000 ℳ aus ſeinem Bankdirektorpoſten gegenüber — der Mann geht einer Kataſtrophe entgegen! (Sehr richtig! und Heiterkeit.) Und wenn jemand kommt und ſich bei ihm erkun⸗ digt und fragt: kann ich dem Mann etwas borgen? — dann wird er erklären: um Gotteswillen, nicht einen Groſchen und auch nicht einen Pfennig kannſt du dem Mann borgen! Freilich, würde Herr Kollege Liepmann von dem ſo kritiſierten Manne