436 wegen dieſer ſeiner Auskunft vor Gericht gezogen und verklagt werden, dann könnte ihm allerdings paſſieren, daß ihm von einem ſeiner früheren Richterkollegen der Vorwurf nicht erſpart wird, daß er nicht ſo vorſichtig bei ſeiner Auskunfts⸗ erteilung vorgegangen wäre, als nötig, ja es könnte ihm paſſieren, daß er eventuell wegen einer Ver⸗ mögensſchädigung zu einer Buße verurteilt würde. (Heiterkeit.) So und nicht anders liegen die Dinge auch für unſere Stadt. Hier überſieht Herr Kollege Liepmann, daß der Mann aus ſeinen Häuſern mindeſtens das Doppelte ſeiner Schuldenzinſen an Renteneinnah⸗ men hat, und bei uns überſieht er ganz vollkommen, daß unſeren Schulden große Vermögensobjekte gegenüberſtehen, die nicht nur Zinſen des aufge⸗ wendeten Kapitals einbringen, ſondern außer⸗ dem noch große Beiträge zu den allgemeinen Säckel geben, und er überſieht auch ganz und gar, daß im übrigen auch die Steuerkraft der Gemeinde, die doch zum großen Teil eben durch dieſe Aufwen⸗ dungen geſchaffen worden iſt, auch als Einkommen aus dieſen Aufwendungen in gewiſſem Sinne ohne weiteres zu rechnen iſt. Meine Herren, ich glaube, einfacher kann man den Grundirrtum, der hier begangen iſt, nicht darſtellen. — Und nun möchte ich einmal hören — es wäre mir ſehr intereſſant, das von anderer Seite zu hören —, ob mein Bei⸗ ſpiel richtig iſt, oder ob es falſch iſt. (Stadtv. Mann: Sehr richtig!) Es iſt ja ſehrſchwer, mit Herrn Kollegen Liepmann zu ſtreiten; denn wird er gefragt, behauptet er mit einem Male: das iſt ja gar nicht meine Anſicht, das ſteht ja bloß in dem Flugblatt drin, und dieſen Paſſus des Flugblattes habe ich aus dieſer oder jener Zeitung entnommen, ſodaß man gar nicht weiß, was denn ſeine Anſicht iſt, und wofür er eigent⸗ lich wirklich verantwortlich ſein will. Als er ſpäter ziemlich emphatiſch einen Anlauf nahm und anfing, zu ſagen, was denn ſeine eigentliche Anſichf iſt, hörte er mit einemmal wieder auf und erklärte, daß er ſeine eigentlichen Gedanken doch lieber nicht verraten wolle, um ſich nicht dieſes oder jenes Wählers Gunſt zu verſcherzen. Und weiter glaubte er ſich dem Druck der Angriffe dadurch entziehen zu können, daß er ausführte, es handle ſich um individuelle Meinungsverſchiedenheiten. Aber die Frage einer individuellen Meinungsverſchiedenheit hier aufzuwerfen und es ſo hinzuſtellen, als ob dieſe Dinge, die klar und zahlenmäßig zu beweiſen ſind, überhaupt einer individuellen Anſicht noch unter⸗ liegen können, das iſt ganz und gar nicht richtig und völlig verfehlt. Über Zahlen läßt ſich ebenſo wenig ſtreiten wie über den Geſchmack; das ſind Dinge, die feſtſtehen; wenn ſonſt über die Unzweckmäßigkeit oder die Zweckmäßigkeit einer Maßregel eine in⸗ dividuelle Meinung zuläſſig iſt, dann ſollte ich aber doch meinen, daß die Außerung jeder dieſer Mei⸗ nungen diktiert und kontrolliert ſein muß durch das Gefühl der Verantwortung, welches alle diejenigen haben ſollten, welche in dieſem Saale und an un⸗ ſerer Gemeindearbeit überhaupt mitzuwirken haben. (Sehr richtig!) Ich glaube, die Fehler, die hier gemacht worden ſind, ſind ſo deutlich erkennbar, und ſie ware uſo leicht zu vermeiden, daß man wohl ſagen kann: hier iſt dieſe ſo nötige Kontrolle durch das Pflicht⸗ gefühl und das Pflichtbewußtſein gegenüber der Stadt nicht gewahrt worden. (Sehr richtig!) Sitzung vom 9. November 1910 Meine Herren, es iſt behauptet worden, es müſſe im Wahlkampf ſchließlich manches entſchuldigt werden. Ja, meine Herren, aber eine gewiſſe Barriere gibt es doch, über die niemand, auch bei ſolchen Gelegenheiten nicht, hinüberſpringen darf, und dieſe Barriere iſt unter anderem auch die Schonung des ſtädtiſchen Kredits, den zu beein⸗ trächtigen gerade in dem Moment am aller⸗ ſchädlichſten iſt, in welchem wir in Begriffe ſtehen, eine neue große Anleihe von 42 Millionen aufzu⸗ nehmen. Ich glaube, daß die Wahl des Momentes den Ernſt der Angelegenheit nur noch verſchärft hat und den Tadel, den auszuſprechen wir uns für Ac. halten, nur noch berechtigter erſcheinen äßt. (Bravo!) Sta dtv. Hirſch: Meine Herren, ich habe eigentlich nur noch einige mehr perſönliche Aus⸗ führungen zu den Worten des Herrn Kollegen Frentzel zu machen. Ich bedaure es lebhaft, daß Herrn Kollegen Frentzel der Ton meiner Rede nicht gefallen hat; aber darauf kommt es mir auch gar nicht an. Ich darf wohl um ſo mehr annehmen, daß der Inhalt meiner Ausführungen ihm gefallen hat. Herr Kollege Frentzel, der Ton Ihrer Rede hat mir auch nicht gefallen: der väterlich mahnende Ton, als wenn Sie allein der Vater der Stadt ſind und wir anderen nicht die Würde zu wahren wiſſen, nicht daſſelbe Verantwortlichkeitsgefühl haben wie Sie. Ich glaube, daß Sie dazu nicht das Recht haben; Sie dürfen auch nicht verſteckt einer anderen Partei den Vorwurf machen, daß ſie nicht dasſelbe Verantwortlichkeitsgefühl für die Finanzen der Stadt habe wie Sie. Ich darf namens meiner Partei erklären, daß wir genau dasſelbe Verant⸗ wortlichkeitsgefühl haben wie Sie. Ich muß mir derartige Vorwürfe entſchieden verbitten. Wenn nun Herr Kollege Frentzel auf die offenen oder verſteckten Parteiprinzipien zu ſprechen gekommen iſt und gefragt hat, ob ich mit denen, die ihre Parteiprinzipien während der Wahl verſteckten, ihn und ſeine Freunde gemeint habe, ſo habe ich durch einen Zwiſchenruf ſchon zu verſtehen gegeben, daß Sie damit gemeint ſind. Das bezieht ſich darauf, daß Sie jetzt als unpolitiſch in den Wahl⸗ kampf ziehen, während Sie früher am allerſchärfſten die politiſchen Parteiprinzipien hervorkehrten und ſtolz darauf geweſen ſind, als politiſch zu erſcheinen. (Zuruf bei den Liberalen: Wo ſteht das?!) Wenn Sie fragen: wo ſteht das? — gut, Sie können das erfahren. Ich habe hier eine ganze Reihe Ihrer Flugblätter. Früher haben Sie ſich gegen un⸗ politiſche Wahlen erklärt. Da heißt es: Wir werden bei den bevorſtehenden Wahlen daran feſthalten: Wahlen unter „unpolitiſcher“ Parole zu bekämpfen; denn für uns gilt nach wie vor die Auffaſſung: unpolitiſch iſt inſofern unaufrichtig, als unter dieſer Flagge das offene Bekenntnis der Zugehörigkeit zu irgend einer Partei verdeckt wird. Sie werden mir zugeben, daß Sie damit direkt Front gemacht haben gegen unpolitiſche Wahlen. Meine Herren, ich habe hier ein anderes Flugblatt, wo Sie ſich gegen den Vorwurf verwahren, daß Sie Partei⸗ politik in die Stadtverordnetenverſammlung hinein⸗ getragen haben. — — 4 (Sehr richtig!)