Sitzung vom 9. Vorſteher Kaufmann (unterbrechend): Herr Kollege Hirſch, ich glaube, daß das doch ſehr weit von der Finanzlage entfernt iſt. Ich bitte Sie, auf dieſe zu kommen. Sta dtv. Hirſch (fortfahrend): Ja, Herr Vor⸗ ſteher, gewiß; aber wenn ich das nicht ausführe, wird Herr Kollege Frentzel nicht belehrt, und dann gibt es im nächſten Wahlkampf Flugblätter von dieſer Seite (zu den Liberalen gewendet), die ebenſo viel Unrichtigkeiten enthalten wie diejenigen des Herrn Kollegen Liepmann. Ich meine, das iſt doch jetzt ein Aufwaſchen. 5 —. heißt es in einem Flugblatt wörtlich: ie — nämlich die liberale Frakiton — fragt nicht nach der Parteizugehörigkeit ihrer Mitglieder und läßt ihnen die volle Freiheit der Entſcheidung. Einmal ſo, einmal ſo, wie's trifft. (Stadtv. Dr v. Liszt: Da iſt die Hauptſache weg⸗ gelaſſen: der liberale Standpunkt!) — Es wird mir zugerufen, daß ich die Hauptſache weggelaſſen habe: den liberalen Standpunkt. Das iſt nichts weiter als eine Redensart. Was verſtehen Sie unter dem liberalen Standpunkt? Zur Zeit des Bülow⸗Blocks — — Vorſteher Kaufmann (unterbrechend): Ich muß doch bitten, daß wir dieſe Frage hier heute nicht erörtern. 2 Sta dtv. Hirſch (fortfahrend): Dann konſtatiere ich, daß über den Liberalismus dieſer Herren heute hier nicht geredet werden darf, und begnüge mich mit den Ausführungen, die ich gemacht habe. Ich behalte mir die ausführlichere Antwort für ſpäter vor. Sta dtu. Dr. Frentzel: Ich will bloß bemerken, daß ich von dem Verantwortlichkeitsgefühl der ſozialdemokratiſchen Partei gar nicht geſprochen habe, ſondern ich habe nur darauf hingewieſen, daß unſer Verantwortlichkeitsgefühl ſich in ern ſten Worten, Ihres (zu den Sozialdemokraten) i n Witzen Luft macht. Im übrigen haben Sie auch nicht den geringſten Beweis dafür geliefert, daß wir heute verkappt vor⸗ gegangen wären, daß wir heute politiſch und morgen wieder unpolitiſch wären, ſondern im Gegenteil, wir ſind immer politiſch in den Wahlkampf eingetreten, und wenn dort von der „Partei“ geſprochen wird, ſo November 1910 437 werden Sie doch wohl zwiſchen Fraktion und Partei zu unterſcheiden wiſſen. Sta dtv. Hirſch: Herr Kollege Frentzel wirft mir vor, daß ich keinen Beweis dafür erbracht habe, daß Sie verkappt auftreten. Ich konſtatiere aber, daß der Herr Vorſteher mich gehindert hat, als ich den Beweis antreten wollte. Vielleicht ſetzen Sie es durch Ihren hohen Einfluß bei dem Herrn Vor⸗ ſteher durch, daß ich die nötige Erwiderunggeben kann. Sta dtv. Dr. Liepmann: Ich kann Herrn Kollegen Frentzel nicht als Richter betrachten über die Höhe des Verantwortlichkeitsgefühls, das irgend⸗ einer der Kollegen haben darf. Von meinem Stand⸗ punkt aus muß ich ſagen, daß ich ein höheres Ver⸗ antwortlichkeitsgefühl darin ſehe, daß wir die An⸗ leihe abgelehnt haben, gegenüber ſeinem Verhalten, unter Hervorhebung des Pumpgenies die Anleihe in ihrer ganzen Höhe zu bewilligen. (Die Beratung wird geſchloſſen.) Borſteher⸗Stellv. Dr. Hubatſch (den Vorſitz übernehmend): Das Wort hat der Herr Vorſteher zur perſönlichen Bemerkung. Sta dtv. Kaufmann: Meine Herren, Herr Kollege Liepmann hat in einer ſeiner Reden be⸗ dauert, daß es als eine Beleidigung hätte aufgefaßt werden können, daß in irgendeinem Flugblatt meine Perſon geſtreift worden iſt. Ich nehme ſehr gern Akt davon, daß Herrn Kollegen Liepmann das ferngelegen hat. Er hat aber weiter bemerkt, ich ſei der Ver⸗ treter der Mehrheit. Dagegen muß ich mich ver⸗ wahren. Ich bin Vertreter der Geſamtheit der Stadtverordnetenverſammlung. (Bravo! bei den Liberalen und der vereinigten alten Fraktion.) Vorſteher Kaufmann (den Vorſitz wieder über⸗ nehmend): Eine genügende Anzahl von Kollegen beantragen, nun ſämtliche anderen Gegenſtände von der Tagesordnung abzuſetzen und auf die nächſte Sitzung zu vertagen. Iſt die Verſammlung damit einverſtanden? (Zuſtimmung.) Das Protokoll vollziehen heute die Herren Kollegen Becker, Dr Flatau und Jacobi. Damit ſchließe ich die Sitzung. (Schluß der Sitzung 11 Uhr 5 Minuten.) Monompefat und Druck von Adolf Gertz G. m. b. H., Charlottenburg. 6