Sitzung vom 23. November 1910 ſelbſt ſchon einige Maßnahmen vorgeſehen, die die Sache ſehr mildern. Bezüglich der Handhabung der Beſtimmungen iſt ja eine Kommiſſion, beſtehend aus 3 Magiſtrats⸗ mitgliedern, 3 Stadtverordneten und drei Bürger⸗ deputierten, in Vorſchlag gebracht. Es wird ſich darüber auch noch ſprechen laſſen. Ich würde wünſchen, daß die Mehrzahl der Kommiſſions⸗ mitglieder aus Sachverſtändigen beſtände. Es iſt unter meinen Freunden geſagt worden, die Ortsſtatuten reglementieren die Kunſt, alles ſei doch Geſchmackſache. Ich will durchaus nicht ſagen, daß es nur einen guten Geſchmack gibt; aber es gibt doch einen natürlichen äſthetiſchen Sinn. Ich meine, man kann von einer Sache ſagen, ſie widerſpreche in bezug auf ihre äſthetiſche Er⸗ ſcheinung jedem natürlichen Empfinden eines Menſchen, und hier iſt auch gerade im Geſetz geſagt, daß unbeſchadet der Eigenart einer Faſſade nur das Geſamtbild nicht geſtört werden ſoll. Es kann alſo jeder in einem Stil bauen, wie er luſtig iſt; das Gewand, das Kleid macht es nicht, ſondern mehr die normalen Bedingungen, die eigentlich jedes äſthe tiſche Auge empfinden müßte Ich ſchlage vor, um alle dieſe ſchwierigen Fragen zu beraten, eine Kommiſſion von 15 Mit⸗ gliedern zu wählen Stadtv. Wöllmer: Meine Herren, nachdem der Herr Berichterſtatter beantragt hat, die Vorlage einem Ausſchuß zu überweiſen, könnte man ja zu⸗ nächſt überhaupt auf eine größere Debatte ver⸗ zichten, und ich werde das auch inſofern tun, als ich auf Einzelheiten nicht eingehe. Aber es handelt ſich einmal um eine ſehr wichtige Sache, nämlich um ein Ortsſtatut, das auf lange Zeit Gültigkeit haben und zu Recht beſtehen ſoll, und es handelt ſich ferner für einen Teil von uns um grundſätzliche Be⸗ denken, die wir gegen dieſe Vorlage haben. Dieſes Ortsſtatut, das der Magiſtrat und die Herren, die dabei mitgeholfen haben, heraus⸗ gearbeitet haben, kann man als eine wahre Siſyphus⸗ arbeit bezeichnen, indem man etwas in Paragraphen zwängen wollte, was ſich ſehr ſchwer hineinbringen läßt, was ſich vielleicht überhaupt nicht hinein⸗ zwängen läßt, nämlich den Geſchmack. (Sehr richtig!) Nun möchte ich mir doch geſtatten, ſo kurz wie möglich die Hauptgeſichtspunkte hervorzuheben, die uns die Vorlage als außerordentlich bedenklich erſcheinen laſſen Der Herr Berichterſtatter hat mit Recht geſagt, daß ſich das Ortsſtatut im großen und ganzen an das Geſetz gegen die Verunſtaltung von Ortſchaften anlehne und daß es gleichſam in zwei Teile zerfalle: erſtens in den § 2 des Geſetzes, nach dem durch Orts⸗ ſtatut für beſtimmte Straßen und Plätze von ge⸗ ſchichtlicher und künſtleriſcher Bedeutung vorge⸗ ſchrieben werden darf, daß die baupolizeiliche Ge⸗ nehmigung zur Ausführung von Bauten zu verſagen iſt, wenn dadurch die Eigenart des Orts⸗ oder Straßenbildes beeinträchtigt werden würde, und den zweiten Teil, der ſich in § 4 kriſtalliſiert, daß nämlich auch beſondere baupolizeiliche Anforderungen ge⸗ ſtellt werden können, ſoweit es ſich um die Bebauung beſtimmter Flächen, wie Landhausviertel, Bade⸗ orte, Prachtſtraßen uſw. handelt. Ungefähr in dieſerArt iſt ja auch das Ortsſtatut eingeteilt worden. Nun ſagt der Herr Berichterſtatter, daß die in dem § 4 des Geſetzes angeführten Teile der Stadt, 449 beſtimmte Flächen, wie Landhausviertel, Badeorte Prachtſtraßen uſw., nur beiſpielsweiſe angeführt wären. Meine Herren, nach dem Ortsſtatut handelt es ſich aber um die Ausdehnung dieſer Be⸗ ſtimmungen auf große Stadtviertel, ja, man kann ſagen: auf den größten Teil der Stadt. Ich habe daher ſtarke Bedenken, ob das Ortsſtatut in dieſem Teil überhaupt im Sinne des Geſetzes abgefaßt iſt, und wenn dieſe Bedenken berechtigt ſind, ſo iſt zweifellos auch zu befürchten, daß eventuell ſich Prozeſſe daran knüpfen können, wenn das Orts⸗ ſtatut Geſetz werden ſollte. Mag ſein, daß meine Befürchtung übertrieben, nicht begründet iſt; vor⸗ handen iſt ſie aber jedenfalls, und berechtigt iſt ſie durchaus. Dann fürchten wir nicht nur eine Erſchwerung, ſondern auch eine Verteuerung der Bautätigkeit, durch das Ortsſtatut. Der Herr Berichterſtatter hat zwar geſagt, er perſönlich wäre nicht dieſer Anſicht, er befürchtete keine wirtſchaftliche Schädigung aus dieſem Ortsſtatut. Warum aber, meine Herren, hat man denn nicht das Ortsſtatut auf die ganze Stadt ausgedehnt? Doch nur deshalb, weil man ſich ſagte: man kann dieſem und jenem Viertel nicht noch zumuten, daß der Beſitzer, der dort bauen will, beſondere Ausgaben hat. Denn ich könnte nicht begreifen, weshalb man dann nicht logiſcher⸗ weiſe das Ortsſtatut für das ganze Stadtbild er⸗ laſſen will. Aber mehr, meine Herren, in den Kunſt⸗ paragraphen, wie ich ſie nennen will, in den §8 5 und 6 unter 1 bis Y uſw. ſind ausdrücklich Be⸗ ſtimmungen getroffen worden, die zweifellos darauf hindeuten, daß eine Verteuerung des Baues in dieſem oder jenem Fall — ich will mich ganz vor⸗ ſichtig ausdrücken — wahrſcheinlich eintreten kann. Wenn ein Erker kürzer gebaut wird, oder wenn dieſe oder jene Anſprüche geſtellt werden, daß z. B. ſichtbare Giebelteile des Hauſes zu bekleiden ſind, oder von einem Zurücktreten der Hausfront die Rede iſt, ſo iſt daraus zu folgern — ich drücke mich, wie ich wiederhole, ſehr vorſichtig aus —, daß eine Verteuerung des Baues eintreten kann. Und, meine Herren, der Magiſtrat ſpricht ja in § 8 ſelbſt von den Koſten, die entſtehen können, in dieſem Paragraphen, den ich als Bremsparagraphen be⸗ zeichnen kann, in dem es heißt: wenn „die Koſten der trotzdem auf Grund des Statuts ge⸗ forderten Anderungen in keinem angemeſſenen Verhältnis zu den dem Bauherrn zur Laſt fallenden Koſten der Bauausführung ſtehen“, dann ſoll dieſer Bremserlaß eintreten; alſo ſetzt der Magiſtrat doch voraus, daß in dieſem oder jenem Falle eine Ver⸗ teuerung des Baues eintreten kann. (Sehr richtig!) Ich weiß alſo nicht, wie man ſagen kann, daß keines⸗ falls eine Verteuerung des Baues eintreten kann. Dann, meine Herren, beſteht bei uns auch die Befürchtung, daß, wenn dieſes Ortsſtatut Geſetz werden ſollte, auch eine Verlangſamung in der Konzeſſionserteilung eintreten würde. (Sehr richtig!) Auch hier hat ja der Magiſtrat in der Begründung auf Seite 460 geſagt: Um etwaige Bedenken zu beſeitigen, die ſich gegen das Ortsſtatut aus den Geſichts⸗ punkten richten könnten, daß durch Schaffung neuer Prüfungsgegenſtände das an und für ſich ſchon langwierige Konzeſſionsverfahren verlängert wird, haben wir uſw.