Sitzung vom 23. wird hier berührt, nein, das In⸗ tereſſe der geſamten Bevölkerung. Freuen wir uns darüber, daß wir in unſerer Stadt Balkons haben, auf denen wir ſitzen können, auf denen wir hin und wieder friſche Luft atmen können. Wenn Sie die iefe der Balkons und Erker von 1,35 mauf 0,85 m zurückſchrauben, dann haben Sie keine Balkons mehr, auf denen Sie richtig ſitzen können. (Sehr richtig!) Das iſt ein Punkt, der im Intereſſe der geſamten Bevölkerung liegt. Wenn Sie ſagen, dadurch werde im Intereſſe der Wirtſchaftlichkeit von den Bauunternehmern gewiſſermaßen die Bauflucht, die Breite der Straße reduziert — ja, meine Herren, dann ſetzen Sie doch die Bau⸗ fluchten anders feſt, nehmen Sie für die betreffenden Straßen ſtatt 18 m Bauflucht 19 m! Das hat die Stadt doch im weſentlichen in der Hand. Ich muß auch ſagen, daß einige Straßen, z. B. in der Nähe des Reichskanzlerplatzes, Neben⸗ ſtraßen in dem neuen Gebiet, die mit Hochbau verſehen ſind, viel zu eng angelegt ſind. (Sehr richtig!) Ich hätte gewünſcht, daß ſie bedeutend breiter gemacht wären. Ich habe von Herren, die nach Charlottenburg ziehen wollten, erſt in jüngſter Zeit von zwei Seiten gehört: „In ſo enge Straßen ziehen wir nicht, wir ziehen lieber nach anderen Vororten.“ Darauf müßte die Stadt⸗ verwaltung viel mehr Wert legen, daß die Straßen breiter angelegt werden; ich möchte namentlich bitten, in dem neuen Viertel nach der Richtung weitergehende Anforderungen zu ſtellen. Aber beſchränken Sie nicht die Möglichkeit, Balkons und Erker zu beſitzen, die man wirklich als ſolche zur Erholung benutzen kann. Ich möchte glauben, daß wir beim Erlaß eines Ortsſtatuts nach Möglichkeit dem Vor⸗ bilde von Berlin und Schöneberg fv lgen ſollten, d aß wir uicht die Einzelheiten in dieſer Weiſe feſt⸗ legen, nicht den ganzen Kreis der Kommune in das Geſetz hinein⸗ ziehen, ſondern daß wir uns auf ge wiſſe Gegenden beſchränken ſollten, wo wir allerdings das Intereſſe haben, das Straßenbild, unſer Stadtbild zu verſchönern. Ich gebe Ihnen ohne weiteres zu: in einer Stadt, wie Düſſeldorf z. B., erregt es Freude, wenn man die Fronten ſieht, die zum Teil mit ganz gering herausſpringenden Erkern angelegt ſind. Da handelt es ſich aber um alte, enge Straßen, in denen allerdings weit vorſpringende Erker und Balkons nicht am Platze wären. Ahnliche Schönheitsrückſichten mögen manchmal durchaus am Platze ſein; die Wirtſchaftlichkeit und die Geſundheit des Volkes verlangen aber auch eine Rückſicht⸗ nah m e. Ich möchte bitten, in der Ausſchuß⸗ beratung von zu weit gehenden Anforderungen an die Aſthetik abzuſehen auch mit Rückſicht darauf, daß der Richter der Aſthetik immer nur eine Perſon iſt, die ſich irren kann. (Bravo!) Stadtbaurat Bredtſchneider: Meine Herten, ich nehme an, daß Sie unſere Vorlage einem Ausſchuſſe überweiſen werden. Wir werden ja November 1910 453 da Gelegenheit haben, über die Einzelheiten der Vorlage zu ſprechen. Ich will daher heute darauf verzichten, auf die Anregungen, die inbezug auf einzelne Beſtimmungen unſerer Vorlage gemacht worden ſind, näher einzugehen. Ich werde mich vielmehr darauf beſchränken, Ihnen einige all⸗ gemeine Geſichtspunkte vorzuführen. Ich will vorwegſchicken, daß unſere Vorlage in zwei verſchiedenen Kommiſſionen und im Ma⸗ giſtrat ſehr eingehend durchberaten iſt und daß ich genau das Bild dort geſehen habe, das ich heute hier wieder finde: zunächſt allgemeines Kopfſchütteln, allgemeines Zweifeln darüber, was man wagt, den Mitgliedern der Kommiſſion oder des Magiſtrats anzubieten; je mehr man aber in die Materie hineinſtieg, deſto mehr hat man ſich davon überzeugt, daß doch das, was in unſerer Vorlage verlangt wird, notwendig iſt. Dabei muß ich ſagen: auf Kleinigkeiten kommt es gar nicht an; die Hauptſache iſt, daß das Ortsſtatut ſo geſtaltet wird, daß es dem Geiſte, der es trägt, entſpricht. Ob der Erker in dem einen Falle ſo oder ſo geſtaltet werden ſoll, darüber wird ſich ſchon reden laſſen. Die Hauptſache iſt, daß wir Sie überzeugen im Ausſchuß und ſpäter hier in der Stadtverordnetenverſammlung, daß die Vorlage nicht ſo böſe iſt, wie ſie Ihnen auf den erſten Blick erſcheinen mag. Nun komme ich zu den Ausführungen all⸗ gemeiner Art. Wir haben es erlebt, daß der Städtebau ſeit einem Jahrhundert in bezug auf die äußere Ausgeſtaltung der Häuſer ganz weſentlich heruntergegangen iſt. Wir haben erlebt, daß in dem letzten Jahrhundert, und beſonders in ſeinen letzten Jahren „Häuſer gebaut worden ſind, die dem guten Geſchmack geradezu Hohn ſprechen, nicht allein in den Städten, auch auf dem Lande; man hat ſich allmählich daran gewöhnt, auf das Außere der Häuſer überhaupt keinen Wert mehr zu legen. Wir haben aber in den letzten Jahren die Schwächen unſerer Zeit erkannt, und wir haben uns geſagt — ich meine nicht wir im Ma⸗ giſtrat, ſondern überhaupt in Deutſchland —: ſo geht das nicht weiter, es muß Wandel geſchaffen werden; es muß irgendetwas geſchehen, zu ver⸗ hindern, daß die Geſchmacksverwirrung, die Ge⸗ ſchmackloſigkeit nicht noch weiter getrieben werden kann. Aus dieſen Erwägungen heraus iſt das Geſetz gegen die Verunſtaltung von Ortſchaften entſtanden. Dieſes Geſetz weiſt den Stadtge⸗ meinden und überhaupt den Gemeinden das Recht zu, ein Ortsſtatut zu erlaſſen und in dieſem Ortsſtatut darauf hinzuwirken, daß der Ver⸗ ſchandelung ein Ziel geſetzt wird. Wir haben aus dieſen Erwägungen heraus vor kurzem einen Wettbewerb für Groß⸗Berlin erlebt. Wir haben weiter aus dieſen Erwägungen heraus die Städte⸗ bau⸗Ausſtellung in der Hardenbergſtraße geſehen. Das ſind die äußeren Zeichen, die zutage treten aus dem Empfinden großer Kreiſe heraus: ſo geht es nicht weiter, es muß Wandel geſchaffen werden. Sie haben hier alſo, wie ich Ihnen gezeigt habe, drei Dokumente: einmal die Geſetzgebung, zweitens den Wettbewerb Groß⸗Berlin, drittens die Städtebau⸗Ausſtellung in der Hardenberg⸗ ſtraße, die gewiß Ihre Aufmerkſamkeit erregt haben. Wollen nun dieſe Veranſtaltungen mit einemmal die Hausbeſitzer zugrunde richten? Nein, dieſe Veranſtaltungen haben in erſter Linie den Zweck, die Aufmerkſamkeit auf die vorhandenen ungeſunden