Sitzung vom 23. fordern, daß er ſich in der Bauausführung nach Grundſätzen richtet, die jeder vernünftige Architekt von ſelbſt zu beobachten beſtrebt ſein wird, dann werden Sie doch nicht ſagen können, daß das eine Knebelung einer berechtigten Freiheit ſei; davon iſt gar keine Rede. Wenn wir lauter Architekten hätten, die in Berlin bauten, brauchten wir die Be⸗ ſtimmungen nicht zu erlaſſen. (Bravo!) Wir haben dadurch, daß wir ſeit mehreren Jahren an allen neu regulierten Straßen, wenigſtens an dem größten Teil der neuregulierten Straßen, die Baugeſuche unſerer Prüfung unterwarfen, nachdem wir uns durch einen Vertrag dieſes Recht vor⸗ behalten hatten, einen Einblick bekommen in das, was an Unkünſtleriſchem oder richtiger an Ge⸗ ſchmackloſigkeiten auf dieſem Gebiete geleiſtet wird, und wir haben dieſe typiſchen Fälle der Ver⸗ unſtaltung, die in Süddeutſchland zum großen Teil völlig unbetannt ſind, durch das Statut, das wir aufgeſtellt haben, zu treffen geſucht. Wir haben damit nicht den Geſchmack formulieren wollen, nicht etwa Grundſätze aufgeſtellt über das, was ſchön iſt, ſondern wir haben nur feſtgeſtellt, was in Berlin unſtreitig und poſitiv an Unſchönem ſeit Jahren geübt wird und was heute ein Teil des Publikums anſcheinend gar nicht mehr empfindet, was aber von ſämtlichen Architekten jeder Richtung verurteilt wird. Meine Herren, wenn Sie das anerkennen — und ich glaube, es wird uns bei der Beratung der einzelnen Vorſchriften dieſes Ortsſtatuts gelingen, Ihnen die Überzeugung zu verſchaffen, daß die Sache ſo liegt —, wenn Sie anerkennen müſſen, daß dieſe Vorſchriften nur das fordern, was man ver⸗ nünftigerweiſe fordern muß, dann werden Sie ſich auch mit den übrigen Bedenken, wie ſie hier geltend gemacht worden ſind, abfinden. Das Bedenken der Verteuerung kann meines Erachtens vollſtändig ausſcheiden, ſchon aus dem Grunde, weil in der Tat die Grundſätze, die wir aufgeſtellt haben, zu einer Vereinfachung des in Berlin herrſchenden zum Teil protzigen Geſchmacks dienen ſollen. Ich brauche nicht an das verſchnörkelte Haus am Kur⸗ fürſtendamm zu erinnern. In Berlin iſt in den ver⸗ ſchiedenſten Straßen zu beobachten, daß einer den andern zu übertrumpfen ſucht; einer ſucht immer noch mehr zu leiſten als der Nachbar, um dieſem in der Konkurrenz den Rang abzulaufen. Das iſt ungeſund, unnatürlich, unwirtſchaftlich. Es hat keinen Sinn, daß derartige Koſten aufgewendet werden. Die Beſtimmungen des Ortsſtatuts führen daher nicht dazu, Koſten zu verurſachen, ſondern möglichſt Koſten zu erſparen. Nun iſt ein Bedenken geäußert worden: die endgültige Entſcheidung in dieſen Fragen liege in den Händen der Baupolizei. Gerade weil die Ent⸗ ſcheidung in den Händen der Baupolizei liegt, haben wir es uns angelegen ſein laſſen, eine Formulierung desjenigen zu geben, was als Ver⸗ unſtaltung anzuſehen iſt. Wir wollten der Bau⸗ polizei möglichſt konkrete Normen zur Handhabung geben. Dies iſt uns, glaube ich, gelungen, ſo daß auch die Baupolizei die Vorſchriften ohne weiteres handhaben kann. Sollte ſich aber wirklich ergeben, daß die Regelung, wie wir ſie erſtreben, auf die Dauer nicht zu halten iſt — nun, meine Herren, die Abänderung des Ortsſtatuts liegt in denſ Händen der Gemeinderörperſchaften; wir brauchen nicht die Zuſtimmung der Baupolizei dazu. Da⸗ November 1910 455 durch, daß wir das Ortsſtatut der Baupolizei zur Handhabung überliefern, werden nicht etwa die Gemeindekörperſchaften ihres Rechtes entkleidet, über die Materie für die Zukunft zu beſtimmen, ſondern ſie können in derſelben Weiſe, in der ſie das Ortsſtatut eingeführt haben, es jederzeit auch ab⸗ ändern, und es iſt nicht daran zu zweifeln, daß, wenn ſolche Mißſtände ſich ergeben, auch eine Ab⸗ änderung dieſes Ortsſtatuts herbeigeführt werden wird. Im übrigen hat ja der Herr Miniſter auf die Reſolution im Abgeordnetenhauſe die Erklärung abgegeben, daß er die Baupolizeibehörden darauf hinweiſen will und hinweiſen wird, die bau⸗ polizeilichen Vorſchriften derartiger Ortsſtatute in einem Geiſte zu handhaben, der die wirtſchaft⸗ lichen Intereſſen möglichſt berückſichtigt und davor ſchützt, daß der einzelne durch dieſe Vorſchriften betroffen wird. 4 Ich möchte mich dann noch ganz allgemein zu der Frage äußern, ob es richtig geweſen iſt, weite Stadtgebiete unter dieſes Ortsſtatut zu ſtellen. Meine Herren, Sie dürfen nicht vergeſſen, daß Charlottenburg nur ein Teil des Groß⸗Berliner Wirtſchaftsgebietes iſt, gewiſſermaßen ein Quartier von Groß⸗Berlin, und zwar ein vornehmes Quartier. Wenn heute Groß⸗Berlin nicht nur eine Wirt⸗ ſchafts⸗, ſondern eine Rechtseinheit bilden würde, ſo könnte man in der Tat zweifelhaft ſein, ob man nicht den ganzen Berliner Weſten, zu dem ganz Charlottenburg zu rechnen iſt, als eine bevor⸗ zugte Wohngegend unter ein derartiges Ortsſtatut gemäß § 4 ſtellen kann. Wenn wir nun als eine im wirtſchaftlichen Zuſammenhang mit Berlin ſtehende Stadt große Gebietsteile von Charlotten⸗ burg unter dieſes Ortsſtatut ſtellen, ſo glauben wir dem Geiſte des § 4 des Geſetzes vollkommen gerecht zu werden. Von den Herren Architekten, den Künſtlern, iſt in der Tat der Wunſch geäußert worden, das Ortsſtatut auf die ganze Stadt Char⸗ lottenburg zur Anwendung zu bringen, weil ſie ſagten, daß das, was wir fordern, cigentlich überall berückſichtigt werden muß. Lediglich die Rückſicht auf die Faſſung des § 4 des Geſetzes hat uns ver⸗ anlaßt, eine Einſchränkung des Ortsſtatuts auf beſtimmte Gebiete vorzunehmen. Nun hat der Herr Stadtverordnete br Stadt⸗ hagen noch beſonders auf die großen Beſchrän⸗ kungen in Anſehung der Benutzung der Vorgärten exempliziert und auf die Potsdamer Straße hin⸗ gewieſen. Ja, meine Herren, die Bebauungspläne der Stadtgebiete, die wir in Anſehung der Vor⸗ gartenbeſchränkung unter das Ortsſtatut ſtellen, fehen in den Verkehrs ſtraßen Vorgärten überhaupt nicht mehr vor. Die modernen Be⸗ bauungspläne werden nach ganz anderen Grund⸗ ſätzen aufgeſtellt, wie die Pläne, die früher auf⸗ geſtellt worden ſind und zu denen der Plan der Potedamer Straße in Berlin gehört. Es war ein ſchwerer Fehler, daß man in der Potsdamer Straße, die notwendig eine Verkehrsſtraße werden mußte, im Bebauungsplan Vorgärten vorgeſehen hat. Da ſind eben die Wirtſchaftsverhältniſſe ſtärker geweſen als die Bebauungsverhältniſſe, und die Vorgärten mußten ſchwinden. Wir haben in dem Gebiete von Weſtend und in dem Gebiete nördlich des Tegeler Weges Vorgärten nur da vorgeſehen, wo es ſich um reine Wohnſtraßen handelt, und in den Wohnſtraßen ind die Läden nicht an jeder Stelle am Platze. Sie ſtehen im Widerſpruch mit den Z3wecken der Vor⸗ gärten. Sie werden bei einſichtigen Terraingeſell⸗