Sitzung vom 23. erſt die Frage zu ſtellen, ob wir hier hiſtoriſch wert⸗ volle Gebäude, die zu ſchützen ſind, haben, oder ob wir hiſtoriſch ehrwürdige Städtebilder beſitzen, die nicht durch irgendeinen profanen Neubau in ihrem Geſamteindruck beeinträchtigt werden dürfen. Ich meine, das erſte wie das zweite trifft nur in beſchränktem Maße bei uns zu. Hiſtoriſch wertvolle Gebäude haben wir in Charlottenburg leider nicht, weil die Stadt Charlottenburg jüngeren Datums iſt. Wenn auch wirklich eins vorhanden ſein ſollte — es ſind einige aufgeführt worden, namentlich das Schloß —, dann haben wir keinen Einfluß darauf, um die Verſchandelung dieſer Gebäude zu ver⸗ hindern. Das Schloß gehört weder dem Staat noch der Stadt, ſondern dem Kronfiskus, und deſſen Geſchmack iſt durchaus wandelbarer Art und deckt ſich, wie Sie wiſſen, nicht immer mit dem all⸗ gemeinen Empfinden des Volkes. Wenn da alſo ſogenannte Verbeſſerungen eingeführt werden ſollten, die wir als Verſchandelung betrachten, hätten wir eine Einwirkung nicht. Hiſtoriſche Städtebilder, die durch ihre Ver⸗ gangenheit reizvoll ſind, beſitzen wir leider auch nicht. wenn Sie nicht gar den Platz um die Kaiſer⸗Wilhelm⸗ Gedächtniskirche als ein ſolches Städtebild an⸗ ſprechen wollen, dieſen Platz mit ſeiner aufgekleckſten imitierten altromantiſchen Architektur. Wenn Sie nun aber davon ausgehen wollen, daß vielleicht in Zukunft ſolche Städtbilder oder Gebäude geſchaffen werden könnten, die Sie durch das Geſetz ſchützen wollen, dann begreife ich dieſes Beſtreben vollkommen. Und ſchützende Maß⸗ nahmen ſind ſchon aus dem Grunde verſtändlich, weil der moderne Städtebau ein anderer geworden iſt. Der Städtebau iſt aus ſanitären und hygieniſchen Rückſichten auf eine andere Grundlage geſtellt worden: breite Straßen, große Plätze, Licht und Luft ſind heute die Hauptbedingungen, und eine derartige Städteanlage fordert ganz andere Städte⸗ bilder und wird ſie auch nach ſich ziehen. Aus dieſem Geſichtspunkt heraus iſt auch, wie Herr Baurat Bredtſchneider ganz recht angeführt hat, das Beſtreben der Künſtler entſtanden, den modernen Anſprüchen und auch dem künſtleriſchen modernen Empfinden im Städtebau gerecht zu werden. Wir brauchen da nicht einmal an den Be⸗ bauungsplan von Groß⸗Berlin zu denken und an die weitſchweifenden Künſtlerträume, die ja in der Städtebau⸗Ausſtellung im Bilde und durch Pläne gezeigt wurden, ſondern wir haben ſchöne und weitreichende Gedanken in bezug auf die Aus⸗ geſtaltung unſerer Stadt ſchon im Rathaus dar⸗ geſtellt geſehen. Wir haben einen Plan, der in einem der Deputationszimmer hängt, auf dem die ganze Gegend um den Kaiſerdamm nach dem Plan des Architekten künſtleriſch gegliedert und geſtaltet, mit der Krönung durch eine Säulen⸗ halle auf dem Reichskanzlerplatz, erſcheint. Aber dieſen Künſtlertraum. — und als ſolchen müſſen wir ihn leider heute noch betrachten; denn zu ſeiner Ver⸗ wirklichung fehlt es an Geld — zu verwirklichen, iſt keine Möglichkeit vorhanden. Denn um dieſe Pläne zu erfüllen, genügt es nicht nur, daß der Wille dazu in der ſtädtiſchen Verwaltung und in der Bau⸗ verwaltung vorhanden iſt, ſondern dem muß ſich auch der Geſchmack des Publikums, der Einwohner einer Stadt angliedern, anpaſſen und anfügen, und dieſen Geſchmack, dieſe Harmonie des Willens und 457 durch ein Reglement, durch ein Ortsſtatut. Denn der gute Geſchmack in der Architektur iſt einmal vom Kunſtgefühl, zum anderen vom Kunſt⸗ verſtändnis, dann von einer gewiſſen Freiheit in wirtſchaftlicher und politiſcher Beziehung und nicht zum letzten von dem ewig ſchnöden Mammon ab⸗ hängig, der immer daran hängen wird. Den guten Geſchmack und Kunſtgefühl kann man aber nicht durch Reglements, durch ortsſtatutariſche Be⸗ ſtimmungen großziehen, ſondern ſie erwachſen aus der Zeit heraus. (Sehr richtig!) Und wenn nun der Herr Baurat Bredtſchneider mit Recht geſagt hat: ſoll man denn ſolche ver⸗ ſchnörkelten Bauten wie am Kurfürſtendamm durchgehen laſſen? — dann glaube ich, betonen zu müſſen: dieſes Parvenuweſen, dieſes Pſeudo⸗ architektentum und Banauſentum iſt doch auch nur wieder der Ausdruck unſerer gegenwärtigen Zeit, die nicht die Vorbedingungen für ein künſtleriſches Empfinden, für eine Abgeſchloſſenheit der An⸗ ſchauungen in künſtleriſch⸗harmoniſcher Weiſe geben konnten, wie ſie das Mittelalter und die Renaiſſance herausgebildet hatten. Es gehört vor allen Dingen zur Durchührung eines Planes, der dem Städte⸗ bild einen ausgeſprochenen Charakter des Schönen und Einheitlichen verleihen ſoll, auch ein gemein⸗ ſames Empfinden der Bürger, und das ſchaffen Sie wieder nicht durch ortsſtatutariſche Beſtimmungen uſw., das muß ebenfalls aus den allgemeinen politiſchen Anſchauungen und den wirtſchaftlichen Verhältniſſen herauswachſen. Nun komme ich noch auf die Geldfrage zu ſprechen. Dieſe ſpielt ja gerade bei unſeren Bauten eine Hauptrolle, und hier liegt der Architekt häufig mit dem Banauſentum des „Bauherrn“ im ſtärkſten Konflikt. Ein Architekt, der vielleicht durch eine ungemein reiche Schule theoretiſcher und praktiſcher Erfahrungen hindurchgegangen iſt, der reiches künſtleriſches Empfinden beſitzt, der möchte vielfach ganz etwas anderes in die Faſſade hinein⸗ legen, als was der Bauherr hineingelegt ſehen will. Der Bauherr will es häufig deshalb nicht, weil es einmal Geld koſtet, zum anderen, weil er nichts davon verſteht, was der Architekt will, und nun glaubt, daß ein parvenumäßiger, protzenhafter Geſchmack das einzig Richtige wäre, was zum Aus⸗ druck gebracht werden müßte. Der Herr Tiefbaurat hat vorhin ganz mit Recht geſagt: es handelt ſich bei dieſen protzenhaften Bauten nicht darum, daß Geld geſpart wird, ſondern oft wird der Bau, um dieſe Verunzierung zu erreichen, verteuert. Aber die Bauherren, die oft mit den ſogenannten Etagen⸗ geldern zu rechnen haben, die von den Banken nur dann weiteres Baugeld bekommen, wenn wieder eine Etage aufgeführt iſt, zwingen häufig di⸗ Architekten, recht wenig Aufmerkſamkeit auf eine wirklich gute Faſſade zu verwenden, ſondern ſie drängen, daß der Bau nur ſo ſchnell wie möglich hergeſtellt wird, und je ſchneller die Geſchoſſe hoch wachſen, deſto eher bekommen ſie die Schlußrate des Baugeldes von der Bank ausgezahlt. (Stadtv. Harniſch: Das iſt ein Irrtum!) — Sie werden nicht ein ſolcher Bauherr ſein, Herr Harniſch. Wenn es aber ein Irrtum iſt, was ich eben charakteriſierte, dann wundere ich mich, daß ſo viele Bauten ſo jämmerlich aufgeführt ſind und daß es ſchon vorkam, daß Häuſer, noch im Rohbau ſich November 1910 der künſtleriſchen Anſchauung bei den Einwohnern befindend, zuſammenbrechen, wie es am Königsweg und bei der Bauleitung ſchaffen Sie doch nicht) geſchehen iſt. Es iſt in der Tat häufig genug vor⸗