460 ſchein gehabt hatte, als wenn er gegen die Er⸗ laſſung des Ortsſtatuts wäre. Späterhin bekannte er ſich aber auch für die Vorlage und ſtellte ſich ebenfalls auf den Standpunkt der anderen Herren Fürſprecher. Ich möchte nur noch ein paar tat⸗ ſächliche Irrtümer berichtigen. Herr Stadtverordneter Stadthagen hat ge⸗ ſagt, bei den Erkern würden ſchließlich die Balkons mit eingeſchränkt werden, ſo daß man überhaupt nicht mehr darauf ſitzen könnte. Davon kann gar nicht die Rede ſein. Wenn die Ausladung eine ſo geringe Breite nur geſtattet, muß man eben eine Loggia machen und die Front etwas ver⸗ tiefen. Dann iſt ein weiterer Irrtum von Herrn Zietſch ausgeſprochen worden, als er vom Schloß ſprach und meinte, daß bei Um⸗ und Anbauten an dieſes die Ortsſtatute gar keinen Einfluß haben könnten. Es ſoll aber in dem Geſetz nicht bloß das Gebäude geſchützt werden, ſondern auch die Umgebung. Man muß geſtehen, daß bisher trotz der Zuwendungen, die wir den Faſſaden gegenüber dem Schloß haben zukommen laſſen, dieſes ſehr wenig äſtimiert worden iſt; es hätte doch manches ſchöner geſtaltet werden können. Meine Herren, ich hoffe, daß diejenigen unter Ihnen, welche noch Gegner der Vorlage ſind, anderen Sinnes werden, wenn ſie in der Kommiſſion mit den Herren der Bauverwaltung und den anderen Beteiligten dort arbeiten werden, und ſchließe mich den letzten Ausführungen des Herrn Kollegen Holz an, daß die perſönliche Freiheit in der Baukunſt nicht durch Anarchie erſetzt werden dürfe. Ich hoffe, daß die Beratungen zu dem Ergebnis führen werden, daß uns das Ortsſtatut, wenn auch mit einzelnen Abänderungen, die Handhabe gibt, die ſchlimmſten Auswüchſe bei Bauausführungen zu vermeiden. (Bravo!) (Die Verſammlung beſchließt einſtimmig nach dem Antrage des Berichterſtatters, die Vorlage einem Ausſchuſſe von 15 Mitgliedern zu über⸗ weiſen, und wählt zu Ausſchußmitgliedern die Stadtverordneten Becker, Brode, Dr. Frentzel, Harniſch, Holz, Jachmann, Jolenberg, Kaufmann, Klick, Marquardt, Protze, Weire, Wolffenſtein, Wöllmer und Zietſch.) Vorſteher Kaufmann: In dem Ausſchuß, den Sie zu Nr. 6 eingeſetzt haben, bittet Herr Kollege Marzahn, nicht vertreten zu ſein und an ſeiner Stelle Herrn Kollegen Dr. Stadt⸗ hagen eintreten zu laſſen. (Die Verſammlung beſchließt demgemäß.) Dann habe ich einen Antrag zur Kenntnis zu bringen, der von dem Herrn Kollegen Zander geſtellt iſt. Er lautet: Im Hinblick auf die höhere Belaſtung des Grundbeſitzes in Charlottenburg gegen⸗ über derjenigen der Nachbargemeinden er⸗ ſuchen wir den Magiſtrat, bei der Aufſtellung des Etats für 1911 eine Herabſetzung der Gemeindegrundſteuer vorzufehen. Ich werde den Antrag auf die Tagesordnung der nächſten Sitzung ſtellen. Wir kommen nun zu Punkt 2 der Tages⸗ ordnung: Sitzung vom 23. November 1910 Vorlage betr. Berſtärkung der Mittel zum Erſatz von Arbeitslöhnen bei Berwen dung minder⸗ wertiger Arbeitskräfte. — Druckſache 313. (Die Beratung wird eröffnet.) Stadtv. Zietſch: Meine Herren, bei der vorgerückten Zeit möchte ich mich auf einige Bemertungen zu dieſer Vorlage beſchränken. Wenn Sie die Begründung und namentlich die beiden Schlußſätze des erſten Abſatzes geleſen haben, dann werden Sie auch zu dem Eindruck gekommen ſein, daß es ſich eigentlich hier um eine recht leidliche Sache handelt, der man ohne weiteres zuſtimmen könnte; denn es heißt da: Immerhin zeigen aber die letzten Wochen ein ſtarkes Anſchwellen des Ver⸗ hältniſſes von Arbeitsangebot zur Nach⸗ frage. Es iſt auch zu berückfichtigen, daß die Koſten der Lebenshaltung gegenwärtig den Arbeitern ſelbſt bei verhältnismäßig guter Beſchäftigung Erſparniſſe nur in geringem Umfange geſtatten, Arbeitsmangel ſich daher ſchon nach kurzer Dauer empfindlich fühlbar machen muß. Das ſind ſo ſelbſtverſtändliche Wahrheiten, daß ſie von keiner Seite angefochten werden dürften, und uns freut es beſonders, daß ſie in einer magiſtratlichen Begründung enthalten ſind. Aber was die Vorlage an und für ſich angeht, ſo ſtellt ſie wohl die Wiederholung einer früheren Vorlage dar, die uns im vergangenen Jahre beſchäftigt hat“ Schon im vergangenen Jahre wurden wir aufgefordert, Leute zu beſchäftigen, die nicht einmal halbarbeitsfähig waren. Es wurde damals ausgeführt, daß es ſich um viertel⸗ oder halbarbeitsfähige Leute handelt, die anderswo keine Arbeit mehr bekämen. Sie ſollten beſchäftigt werden, damit ſie nicht der Armenverwaltung zur Laſt fallen. Wo anders bekämen ſie auch keine Arbeit; ſie ſollten aber keine Armenunter⸗ ſtützung erhalten, ſondern nach Maßgabe ihrer Kräfte und unter dem allgemeinen Satz be⸗ ſchäftigt werden. Wir wendeten uns damals im allgemeinen gegen die Vorlage. Die Gründe hierfür will ich nicht wieder anführen; Sie können ſie im da⸗ maligen Stenogramm nachleſen. Dieſelben Gründe beſtehen aber noch heute für uns, und ſie werden uns auch diesmal veranlaſſen, wieder gegen die Bewilligung von 10 000 ℳ. für dieſen Zweck zu ſtimmen, weil wir von dem Standpunkt aus⸗ gehen, daß es ſich nicht darum handeln dürfe, Leute, die wegen Krankheit, Alter oder anderer äußerer Veranlaſſung nur teilweiſe arbeitsfähig ſind, noch zur Arbeit anzuhalten, bei der ſie nicht einmal zur Hälfte nach den üblichen Sätzen be⸗ zahlt werden. Für uns war dabei beſonders erſchwerend das eine Moment, daß auch ein preußiſcher Miniſter die Ir duſtriellen dazu auf⸗ gefordert hat, in dieſer Weiſe vorzugehen, und wir ſahen damals ſchon die Gefahr entſtehen, daß in der Tat durch d eſe halbarbeitsfähigen, aber im Verhältnis zu den anderen Löhnen, die gegeben werden, ſchlecht bezahlten Leute eine Lohndrückerei Platz greifen könnte, die man eben im Intereſſe der geſunden und voll arbeitsfähigen Leute nicht befürworten könne. Auch dieſe Gefahr beſteht eventuell hier; ſie iſt nicht geſchwunden,