472 Sitzung vom 7. Dezember 1910 nur das, was er in tatſächlicher Beziehung ermittelt heit über das, was iſt. Dieſe Klarheit iſt uns nicht hat. Würde der Magiſtrat ſich da ſchon auf den Standpunkt geſtellt haben, daß es ganz gleichgültig iſt, ob er Einladungskarten ſchickt oder nicht, daß es gleichgültig iſt, ob er falſche Einladungskarten ſchickt oder nicht — wozu dann erſt die ganzen Feſt⸗ ſtellungen? Dann hätte der Magiſtrat einfach ſagen können: die Ausweiskarten haben gar keine Bedeutung, die Wähler hätten ſich ja an den An⸗ ſchlagſäulen informieren können, wann gewählt wird. Damit hätte er ſich begnügen können. Statt deſſen gibt uns der Magiſtrat das Reſultat ſoge⸗ nannter Ermittlungen bekannt, die dazu geführt haben ſollen, daß in Wirklichkeit das Reſultat ſich im höchſten Falle um 3 Stimmen geändert haben würde, ſo daß es nicht beeinflußt iſt. Wenn der Magiſtrat den Ausweiskarten keine Bedeutung beilegt, dann hätte er ſich wahrhaftig die Mühe der Erhebungen nicht zu machen brauchen. Aber eben dadurch, daß er uns ſagt, daß das Ergebnis nicht geändert würde, wenn die 3 Wähler erſchienen wären, gibt er zu, daß er vor der Sitzung des Ausſchuſſes den Ausweiskarten doch wohl eine etwas höhere Bedeutung beigemeſſen hat. Nun, meine Herren, ein Wort über die Art dieſer Erhebungen. Ich glaube, es ſteht einzig in der Verwaltung von Charlottenburg da, vielleicht auch in der Verwaltung aller übrigen Städte, daß in ſolcher Weiſe Erhebungen angeſtellt werden, wie es der Magiſtrat im vorliegenden Falle getan hat. Auch der Herr Referent hat ja das Vorgehen des Magiſtrats bereits gerügt. Der Magiſtrat ſchickt irgendeinen Beamten hin — ich weiß nicht, wen —, der klingelt, fragt: hätten Sie gewählt? Nein! Wenn der Mann nicht zu Hauſe iſt, ſagt die Frau: nein, mein Mann hätte doch nicht gewählt — und damit begnügt ſich der Magiſtrat. Bisher war es immer üblich, daß ſelbſt bei viel geringeren Anläſſen die Leute, die als Zeugen genannt ſind, zu Protokoll vernommen worden ſind. Das hätte man zum mindeſten vom Magiſtrat verlangen müſſen. Ich wünſche, daß in Zukunft eine derartige Erhebung nicht wieder vorgenommen wird, ſondern daß in ordnungsmäßiger Weiſe verfahren wird. Meine Herren, ich möchte nun fragen, ob angeſichts dieſer Tatſachen, angeſichts der Tatſache, daß der Magiſtrat es ſich mit den Erhebungen ſo leicht gemacht hat, um mich gelinde auszudrücken, und ferner angeſichts der Tatſache, daß die Ent⸗ ſcheidung des Oberverwaltungsgerichts auf den vorliegenden Fall gar nicht zutrifft, ob es da wirklich zu viel verlangt iſt, wenn man beantragt, daß erſt mal vernünftige Erhebungen angeſtellt werden, d. h. daß die Wähler ordnungsmäßig zu Protokoll vernommen werden, und daß erſt dann, wenn wir die protokollariſchen Erhebungen haben, eine Ent⸗ ſcheidung gefällt wird. Ich habe im Ausſchuß be⸗ reits erklärt — und ich kann dieſe Erklärung hier wiederholen —: würde es ſich bei den Ermitt⸗ lungen herausſtellen, daß tatſächlich das Wahl⸗ reſultat nicht geändert wäre, wenn die Wähler, die überhaupt Luſt gehabt hätten, zu wählen, erſchienen wären, würde es ſich ergeben, daß die Ermittlungen des Magiſtrats richtig ſind, dann würde ich der erſte ſein, der für die Gültigkeit der Wahl ſtimmt. Was wir verlangen, liegt nicht allein in unſerm Intereſſe, ſondern es liegt im Intereſſe der ganzen Stadtverordnetenverſammlung. Was wir verlangen können, iſt vor allen Dingen Klar⸗ gegeben. Der Ausſchuß hat nun ſelbſt meinen be⸗ ſcheidenen Antrag abgelehnt. Ich weiß nicht, wie das Plenum ſich dazu ſtellt. Aber das eine, meine Herren, laſſen Sie ſich geſagt ſein: wenn das Plenum auch wieder den Antrag ablehnen ſollte, dann haben Sie kein Recht mehr, in Zukunft in ſittlicher Entrüſtung zu machen über das Vorgehen des ſchwarzblauen Blocks im Reichstage. Denn genau ſo, wie der verfährt und nicht fragt, was Rechtens iſt, ſondern rückſichtslos von ſeiner Macht Gebrauch macht, genau ſo würden Sie dann Ge⸗ brauch machen von der Macht, die Ihnen das Drei⸗ klaſſen⸗Wahlrecht gibt. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Stadtv. Dr. Frentzel: Herr Kollege Hirſch macht in ſeinen Deduktionen den Fehler, daß er immer Magiſtrat da ſagt, wo er Oberverwaltungs⸗ gericht ſagen müßte. Nicht der Magiſtrat hält dieſe Karten für bedeutungslos, ſondern, wie Sie vorhin aus dem Urteil des Bezirksausſchuſſes hören konnten (Stadtv. Hirſch: Das paßt ja gar nicht!) — laſſen Sie mich doch reden, Herr Kollege Hirſch, Sie werden ja nachher zum Worte kommen — wie Sie vorhin aus dem Urteil des Bezirksausſchuſſes hören konnten, das vom Oberverwaltungsgericht beſtätigt iſt, heißt es dort: die ſe Karten ſind tatſächlichundrechtlichbedeut ungs⸗ los, alſo ſie haben keinen Wert in irgendeiner rechtlichen Beziehung. Deswegen konnte ich auch zu den Ausführungen, die Herr Kollege Hirſch machte, indem er den angeblichen Fehler noch weitaus ver⸗ gröberte, ſagen: ganz richtig. Denn das, was er ausführte, iſt auch richtig. Es iſt aber doch ganz klar: wenn von vornherein aus dem rechtlichen Grund⸗ prinzip heraus die Bedeutungsloſigkeit dieſer Karten betont und anerkannt werden muß, dann hat die Stellung der Nebenfrage, die durch die Erhebungen und Vernehmungen entſchieden werden ſollte, keinen Wert. Stellt man ſich auf den Boden — und das hat die Mehrheit des Ausſchuſſes getan —, daß dieſer Beſchluß für uns gleichſam zwingendes Recht iſt — denn es hat keinen Zweck, gegen einen Beſchluß des Oberverwaltungsgerichts hier andere Beſchlüſſe zu faſſen — wenn es zwingendes Recht iſt, dann wäre es im Gegenteil nicht logiſch, ſondern vollkommen unlogiſch, nun noch auf die Einzel⸗ heiten dieſer Wahl einzugehen. Soweit hierüber. Im übrigen iſt Herr Kollege Hirſch am Schluß ſeiner Ausführungen etwas böſe geworden und hat ſich in eine Art Entrüſtung hineingeredet, hat uns mit dem ſchwarzblauen Block verglichen und hat behauptet, daß die Sache für uns ganz anders aus⸗ ſehen würde, wenn der betreffende Kandidat, der unterlegen wäre, nicht Ihrer Partei, ſondern der unſrigen angehört hätte. Meine Herren, gegen dieſe Ausführung muß ich ganz energiſch Proteſt einlegen. Zunächſt muß ich Ihnen ſagen, Herr Kollege Hirſch: Sie ſollten doch von dem ſchwarz⸗ blauen Block nicht immer ſo ſchlecht ſprechen; der iſt ja Ihr beſter Geſchäftsführer, unbezahlt zwar, aber auch unbezahlbar, (Heiterkeit) und wenn es uns mal gelingen ſollte,ihn zu ſprengen, dann müßten Sie ihn wieder erfinden, ſonſt geht