Sitzung vom 7. Dezember 1910 473 Ihnen ein großes Aktivum in Ihrer Rechnung ver⸗ hebungen verbitte. Ich würde mir das jedenfalls loren. (Sehr gut!) Und dann, Herr Kollege Hirſch, machen Sie nicht bloß heute, ſondern auch ſonſt immer einen merk⸗ würdigen Fehler: wenn nämlich ein Ausſchuß oder das Plenum der Stadtverordnetenverſammlung ſelbſt von der Klarheit oder Richtigkeit Ihrer Aus⸗ führungen nicht überzeugt iſt, dann kann es immer nur daran liegen, daß dieſe nicht überzeugt ſein wollen; daß auf einem natürlichen und richtigen Weg ein Menſch auch mal zu anderer Anſicht kommen kann als Sie, das kommt Ihnen gar nicht in den Sinn. So haben Sie vorhin von Mitgliedern des Ausſchuſſes geſprochen, die, ehe das Material des Magiſtrats bekannt war, Ihrer Anſicht zuneigten, dann aber ſelbſtverſtändlich umfielen, als irgend etwas vom Magiſtratstiſch verleſen ſein würde; Sie ſagten, der Magiſtrat hätte irgendeine andere beliebige Entſcheidung herausgreifen können, die ſich auf etwas ganz anderes hätte beziehen können, aber ſelbſtverſtändlich wären auch dann von dem Moment die ſämtlichen Mitglieder umgefallen, als ihnen der rettende Strohhalm gereicht wurde. Zunächſt vergeſſen Sie nicht, daß im Dezember 1907 die liberale Fraktion in ihrer Mehrheit, als es ſich um die Zurückweiſung eines liberalen Pro⸗ teſtes handelte, ſich dafür entſchied, die Wahl Ihres Parteifreundes für gültig zu erklären! Alſo da ſind Ihnen als Beweis einfach die hiſtoriſchen Tat⸗ ſachen entgegenzuhalten. Aber in demſelben Augenblicke leiden Sie an einer geradezu benei⸗ denswerten Gedächtnisſchwäche, (Heiterkeit) und es ſcheint in Ihren Katechismus nicht zu paſſen, daß es auch mal Männer gibt, die eine Entſcheidung deswegen treffen, weil einfach ihr Gewiſſen ſie dazu zwingt, weil ſie ſich verpflichtet fühlen, dem Aus⸗ druck zu geben, was ſie für recht und richtig halten. So iſt es in dieſem Falle allen den Herren im Aus⸗ ſchuß gegangen, die gegen Sie geſtimmt haben, und ich bin feſt überzeugt, daß auch diejenigen — ich weiß gar nicht, wer es ſein wird —, die ſich dem Antrage des Auſchuſſes anſchließen werden, die alſo in Ihrem Sinne die Willkürlichkeit und Gewalt⸗ herrſchaft des ſchwarz⸗blauen Blockes nachmachen, das nur deswegen tun, weil ſie von der Richtigkeit ihrer Anſicht feſt überzeugt ſind und weil ſie es mit ihrem Pflichtgefühl nicht vereinigen können, gegen dieſe Vorlage zu ſtimmen, ſelbſt wenn Herr Kollege Hirſch ſie mit dem ſchwarzblauen Block vergleicht und ihnen alle möglichen ſchönen Dinge nachſagt. Und das werden wir nicht nur heute tun, ſondern werden es in Zukunft immer ſo machen, mögen Sie auch Reden halten, welche Sie wollen. (Bravo! bei den Liberalen.) Stadtv. Hirſch: Meine Herren, die Rede des Herrn Kollegen Frentzel wäre nicht vollſtändig, wenn er nicht ſeinen Gewohnheiten entſprechend gleich eine Zenſur erteilt hätte. Es iſt ja nicht das erſte Mal, ſondern wiederholt ſchon vorgekommen, daß ſich Herr Kollege Frentzel herausnimmt, wenn irgendeiner von meinen Freunden ſpricht, dann ge⸗ wiſſermaßen als Schulmeiſter — im böſen Sinne des Wortes — aufzutreten und ſeine Zeugniſſe auszuteilen. Als Herr Kollege Frentzel dies das erſte Mal tat, habe ich mich darüber entrüſtet. Heute bin ich ſo weit gekommen, daß ich höchſtens darüber lache und mir nicht einmal mehr derartige Über⸗ als Führer einer großen Fraktion nicht herausneh⸗ men. Wenn Sie das wollen — bitte fahren Sie nur weiter fort auf dieſem Wege, mich rührt das gar nicht, mich läßt es vollkommen kalt, ob Sie mir beneidenswerte Gedächtnisſchwäche vorwerfen oder was ſonſt. Dann möchte ich Herrn Kollegen Frentzel er⸗ widern, daß ich nicht behauptet habe, daß Sie, wenn der betreffende Kandidat nicht meiner Frak⸗ tion angehörte, eine andere Entſcheidung fällen würden. Das habe ich mit keinem Worte geſagt. Aber gedacht habe ich es, und da mich Herr Kollege Frentzel auf den Gedanken gebracht hat, ſo ſtehe ich nicht an, zu erklären, daß es auch meine Meinung iſt. Ich kann alſo inſofern meine Rede von vorhin ergänzen. Was nun die Sache ſelbſt betrifft, ſo ſagt Herr Kollege Frentzel wiederum: es iſt zwingendes Recht, es hat keinen Zweck, gegen einen Beſchluß des Oberverwaltungsgerichts anzukämpfen. Ja, meine Herren, ich habe vorhin nachgewieſen, daß die Ent⸗ ſcheidung des Oberverwaltungsgerichts etwas ganz anderes beſagt. Aber ich glaube, wenn ich das hundert Mal wiederholen würde, würde ich doch Herrn Kollegen Frentzel nicht belehren, weil er nicht belehrt ſein will. Der Entſcheid des Oberver⸗ waltungsgerichts ſpricht nicht davon, daß den Wählern falſche Ausweiskarten zugegangen ſind. Das iſt der ſpringende Punkt, darauf iſt Herr Kollege Frentzel ſehr vorſichtiger Weiſe überhaupt nicht eingegangen. Es iſt ja nicht das erſte Mal, daß wir das Vergnügen hatten, Mitglieder in der Ver⸗ ſammlung ſitzen zu ſehen, deren Wahl nach Ablauf ihrer Periode vom Oberverwaltungsgericht für un⸗ gültig erklärt wurde. Es iſt natürlich nur ein Zufall, daß das faſt immer Herren aus der liberalen Frak⸗ tion geweſen ſind. Sie werden auch diesmal wahr⸗ ſcheinlich wieder die Freude haben, wenn Sie die Wahl des Herrn Paſchke für gültig erklären, einen Herrn in Ihrer Mitte zu haben, der nach der klaren Entſcheidung des Oberverwaltungsgerichts — nicht nach der Entſcheidung, die Herr Kollege Frentzel hier zitiert hat, ſondern nach der, die zweifellos das Oberverwaltungsgericht fällen wird — in Wirklich⸗ keit nicht gewählt iſt. Meine Herren, auf das, was Herr Kollege Frentzel vom ſchwarz⸗blauen Block geſagt hat, ein⸗ zugehen, lohnt nicht. Ich kann nur ſagen: ich bin durchaus nicht böſe geworden, wie Herr Kollege Frentzel meinte, und ich füge hinzu, daß es auf mich nur erheiternd gewirkt hat, als Herr Kollege Frentzel ausführte: „wenn es uns“ — das heißt ihm und ſeinen politiſchen Freunden — „gelingen wird, den ſchwarzblauen Block einmal zu ſprengen.“ Meine Herren, wenn Ihnen das einmal gelingen ſoll — ich wünſche ja das —, dann gebrauchen Sie doch, das werden Sie zugeben, unſere Hilfe; aus eigener Kraft ſind Sie nicht dazu imſtande, (Stadtv. Dr von Liszt: Sie auch nicht!) — wir auch nicht —; aus eigener Kraft ſind Sie nur imſtande, hier in der Stadtverordnetenverſamm⸗ 4 zweifellos ungültige Wahlen für gültig zu er⸗ ären. Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren, da uns der Tatbeſtand nicht vorher vorgelegen hat, kann ich nur für meine Perſon zu den juriſtiſchen Fragen Stellung nehmen. Ich möchte zunächſt betonen, daß das Urteil des Oberverwaltungsgerichts