478 Sitzung vom 7. der Angelegenheit ſtanden anſcheinend zwei wich⸗ tige Vorlagen des Magiſtrats, die die Stadtverord⸗ netenverſammlung im Jahre 1905 und 1906 ge⸗ nehmigt hat: Vertragsſchlüſſe mit den hier in Be⸗ tracht kommenden Hauptgrundſtücksintereſſenten, der Neuen Weſtend⸗Aktiengeſellſchaft und der Span⸗ dauer Bergbrauerei. Dieſe beiden Verträge, von denen ich feſtſtellen möchte, daß ſie ungemein glücklich und ſcharf im Intereſſe der Stadt formuliert ſind, ſichern uns in gewiſſem Sinne die finanziellen Grundlagen für die bauliche Erſchließung, indem ſie die Tieferlegung der Spandauer Chauſſee zu einem weſentlichen Teile ſo ordnen, daß ſie ohne jede Koſtenaufwendung, ohne jedes finanzielle Opfer für die Stadt in die Wege geleitet werden kann. Die Koſtenlaſt fällt der bekannten Neuweſt⸗ end⸗Aktiengeſellſchaft zu, die, ſoweit ihre Grund⸗ ſtücke an die Spandauer Chauſſee grenzen, die Tra⸗ gung ſämtlicher Koſten unter ſehr vorſorglich zu⸗ gunſten der Stadt abgefaßten Bedingungen über⸗ nehmen mußte und die zugleich als ſelbſtſchuldneriſche Bürgin neben der Spandauer Bergbrauerei für unſere Aufwendungen aufzukommen hat. Gerade weil Bedenken aus der Koſtenlaſt in früheren Stadien der Angelegenheit laut geworden ſind, möchte ich nicht unterlaſſen, die Tragweite dieſer beiden Verträge, die anſcheinend im Laufe der letzten Jahre ein wenig in den Hintergrund ge⸗ treten ſind, hervorzuheben und insbeſondere darauf hinzuweiſen, daß namentlich durch § 4 des Ver⸗ trages mit der Neuweſtend⸗Aktiengeſellſchaft — die allem Anſchein nach augenblicklich nicht mehr ein ſehr ſtarkes Intereſſe an der Erſchließung von Nordweſtend hat — der Geſellſchaft die weit⸗ gehendſten Verpflichtungen auferlegt worden ſind. Sie iſt insbeſondere verpflichtet, alle erforderlichen Grundſtücksflächen für die Durchführung der Tiefer⸗ legung der Spandauer Chauſſee unentgeltlich her⸗ zugeben; ſie hat in der Frontlänge aller Grundſtücke, die ſie jemals dort beſeſſen hat, auch wenn ſie ſie zur⸗ zeit der Durchführung der Regulierung nicht mehr befitzt, ſämtliche Koſten für die Tieferlegung und Re⸗ gulierung zu tragen, während gleichzeitig der Stadt⸗ gemeinde vorbehalten iſt, zu beſtimmen, wann dieſe Regulierung überhaupt in Kraft tritt. Alſo ungemein glücklich und ſcharf gefaßte Beſtimmungen. Man kann bei ihrer Lektüre nur ſagen: es wäre anderen Kommunen Groß⸗Berlins nur zu wün⸗ ſchen, daß ſie in ihrem geſchäftlichen Verkehr mit Terrainintereſſenten immer die gleiche glückliche Hand gezeigt hätten. Andererſeits dürfen wir wohl die Hoffnung ausſprechen, daß dieſe Paragraphen, die ja ſeit 1906, alſo während einer vierjährigen Schonzeit für die betreffenden Intereſſenten nicht zur Anwendung gekommen ſind, möglichſt bald aus dem Archiv hervorgeholt und zur Anwendung gebracht werden. Die Stadtverordnetenverſammlung, die, wie ich erwähnte, bei früheren drei Gelegenheiten ſich für eine bauliche Erſchließung von Nordweſtend ausſprach, hat die Sachlage meiner Meinung nach durchaus zutreffend beurteilt und, was ungemein wichtig iſt: ſie hat ſich dabei durchaus mit den Emp⸗ findungen, Anſchauungen und Auffaſſungen der Charlottenburger Bürgerſchaft in Übereinſtimmung befunden. Namentlich mit den Anſchauungen und Auffaſſungen der Einwohnerſchaft von Alt⸗Char⸗ lottenburg, die ja wohl ohne Ausnahme der Mei⸗ nung iſt, daß die bauliche Erſchließung ihres Hinter⸗ landes eine wirtſchaftliche Notwendigkeit darſtellt Dezember 1910 und daß durch dieſe bauliche Erſchließung die wirt⸗ ſchaftliche Stagnation, unter der gerade dieſes Gebiet unſerer Stadt ſteht, einigermaßen gehoben, wenn nicht ganz beſeitigt werden würde. So lange unſer Charlottenburg als Stadt exiſtiert, iſt auch eine großzügige Straßenanlage vorhanden: eine — ich möchte ſagen —von einer einfachen und doch groß⸗ artigen Idee getragene Anlage, die, vom Branden⸗ burger Tor ausgehend, durch die Charlottenburger Chauſſee, die Berliner Straße, die Spandauer Straße, über die Höhe von Weſtend hinweg die Städte Berlin, Charlottenburg und Spandau ver⸗ bindet. Dieſe großzügige Straßenanlage weiſt ja ein erhebliches Alter auf, und ſie trägt den Stem⸗ pel eines Jahrhunderts, in dem noch die Traditio⸗ nen des Städtebaues wie der Straßenführung, die man jetzt erſt wieder mühſam zu erwecken ſucht, ſehr lebendig vorhanden waren und noch le⸗ bendig wirkten. Um ſo mehr iſt zu verwundern, daß in unſerer Zeit, wo doch die Mittel nicht mehr fehlen, um dieſe großartige Straßenanlage in mo⸗ dernen Formen durchzuführen, unſere Stadt, die doch unter den eigentlichen Vororten Berlins die einzige wirkliche, ſo etwas wie eine Vergangenheit aufweiſende Stadt iſt — keine bloße Verwaltungs⸗ einheit, wie ein Poſtamt oder ein Polizeirevier mit dieſer oder jener Nummer —, daß unſer Charlotten⸗ burg bei ſeiner baulichen Entwicklung nicht wieder anknüpft an dieſe hiſtoriſch gegebene Straßenanlage. Man wird den ſtädtiſchen Behörden in keiner Weiſe einen Vorwurf daraus machen dürfen, daß ſie in der Abſicht, die Steuerquellen recht gründlich zu erſchließen, auch diejenigen Projekte gefördert haben, die die bauliche Entwicklung Charlotten⸗ burgs nach anderen Richtungen hin zu leiten unter⸗ nommen haben, wenn wir auch heute manchem ſolchen baulichen Experimente etwas ſkeptiſcher gegenüberſtehen und neuerdings geſehen haben, wie auch hier nicht gleich alle Blütenträume reifen und die Hoffnungen, die man gehegt hat, nicht überall ſo reich und nicht ſo ſchnell in Erfüllung gehen, als erwartet wurde und erwartet werden konnte. Ich glaube alſo, daß, wenn wir in Überein⸗ ſtimmung mit einem großen Teile unſerer Bürger⸗ ſchaft uns für die ſchleunigere Erſchließung des Hinterlandes von Alt⸗Charlottenburg einſetzen, tat⸗ ſächlich das Intereſſe der ſtädtiſchen Allgemeinheit gewahrt wird: namentlich jetzt, wo das angrenzende Spandauer Gelände wirtſchaftlich vollſtändig er⸗ ſchloſſen wird und ſo ganz beſtimmte, nahe liegende Ausſichten beſtehen, wenn man unſerem Antrage willfahrt, ſowohl die Einwohnerzahl von Char⸗ lottenburg, als auch unſere ſteuerlichen Ein⸗ nahmen, insbeſondere durch eine ſtarke Steigerung der Grundſtückswerte in abſehbarer Zeit zu er⸗ höhen. Aus dieſem Grunde bitte ich Sie, unſerem Antrage zuzuſtimmen. (Bravo!) Stadtbaurat Bredtſchneider: Meine Herren, ich möchte zunächſt einer Auffaſſung entgegen⸗ treten, die durch die ganze Rede des Herrn An⸗ tragſtellers hindurchklang, nämlich, daß in der Entwicklung Charlottenburgs zur Zeit eine Stag⸗ nation eingetreten ſei und daß Hoffnungen, die man an die Entwicklung der Stadt geknüpft hat, nicht erfüllt worden ſeien. Das Gegenteil iſt der Fall. Wir haben ja geſtern die Zahlen be⸗ kommen, um die ſich unſere Einwohnerſchaft nach