Sitzung vom 7. tigſte. Unterſchätzen Sie nicht die Bedeutung der Sache für die Heranziehung der Steuerzahler! Ich habe es nicht aus einem Munde gehört, ſondern von ſo und ſo vielen Herren, die bei Siemens⸗ Schuckert als Ingenieure arbeiten und höhere Ein⸗ kommen beziehen, daß ſie ſich ſehr gern dort an⸗ ſiedeln würden, wenn ihnen die Möglichkeit dazu gegeben würde. Stadtv. Zander: Seit Jahren warten die alteingeſeſſenen Bürger Charlottenburgs darauf, daß Nordweſtend endlich erſchloſſen und von dem Grundſatz abgegangen wird, Alt⸗Charlottenburg vollſtändig zu vernachläſſigen. Zur Zeit der Ströhler⸗ jahre — wenn ich mich ſo ausdrücken darf — wurde alles für den Oſten Charlottenburgs getan, und in den nachfolgenden Zeiten hat man an die hiſtoriſche Entwicklung Charlottenburgs nicht weiter gedacht. Der heutige Zuſtand der Berliner und Spandauer Straße zeugt von dem Geiſte, der für uns Alt⸗ Charlottenburger im Magiſtrat herrſcht. Die Hausbeſitzer Charlottenburgs und beſonders die⸗ jenigen, die Läden haben, wiſſen ein Lied von dieſer Theorie, nur Millionäre nach Charlottenburg ziehen zu wollen, zu ſingen, Millionäre, die ihre ſämtlichen Einkäufe in Berlin machen. Wat dem einen ſin Uhl, is dem andern ſin Nachtigall. Die Untergrundbahn, der Schnellverkehr ſind ja ſehr ſchön für Charlottenburg, aber nur für die Privat⸗ perſonen; für alle Geſchäfte ſind ſie der größte Verderb, denn ſie bringen die Käufer nach Berlin. Die Bewohner der Berliner und Spandauer Straße, früher der erſten Geſchäftsſtraßen Charlottenburgs, klagen jetzt über die leerſtehenden Läden. Warum? — weil der Mittelſtand fehlt, der einzige Stand, der in Charlottenburg kauft. Die Beamten laſſen ſich ihre Sachen aus Görlitz oder aus Cottbus kommen, ſelbſt die kaufen kaum in Charlottenburg. Die Nahrungsmittel, die früher noch gekauft wurden, werden heute aus den Warenhäuſern bezogen. Was bleibt da für die Charlottenburger Gewerbe⸗ treibenden, die heute 150% Gewerbeſteuer zahlen müſſen, übrig und für die Hausbeſitzer, die über ihre leerſtehenden Läden klagen? Daß dieſe Theorie richtig iſt, beweiſt die Wilmersdorfer Straße. Dieſe Straße, die noch links und rechts kleinere Wohnungen hat und den Mittelſtand ebenfalls in den Seitenſtraßen beherbergt, iſt emporgekommen, ſie iſt heute Geſchäftsſtraße geworden. Die Berliner und die Spandauer Straße, denen man jeden Zuzug abgeſchnitten hat, ſind zurückgegangen, ſie leiden heute unter den böſen Erfahrungen, die durch die Zauderungspolitik in der Aufſchließung von Nordweſtend gemacht worden ſind. Meine Herren, die Hausbeſitzer, und am meiſten die Gewerbetreibenden, haben von Jahr zu Jahr geglaubt, daß endlich einmal wieder der Mittel⸗ ſtand nach Charlottenburg gezogen wird. Aber immer wieder heißt es: nur da, wo Millionäre hinziehen können, wird gebaut. Ich kann nicht glauben, daß ſich ſolche Schwierigkeiten der Er⸗ ſchließung entgegenſtellen, daß auf Jahrzehnte hinaus die Entwicklung von Nordweſtend verzögert werden muß, und ich möchte deshalb dafür ein⸗ treten, daß gerade dort, wenn es ſo weit iſt, eine Bebauung mit Mittelwohnungen erfolgt. Wenn der Herr Stadtbaurat meinte, daß die Siemens⸗Werke gar keinen Einfluß auf die dortige Gegend haben würden, ſo bin ich der gegenteiligen Überzeugung. Auch ich weiß von ſehr vielen Dezember 1910 481 Herren, daß ſie ſehr gern nach Charlottenburg ziehen möchten und den Übergang über die Bahn nicht ſcheuen würden, da ihnen die geringeren Steuern in Charlottenburg ja ein erhöhtes Ein⸗ kommen in Ausſicht ſtellen. Wohl aber iſt es möglich, daß wir, wenn wir jetzt nicht die Hand bieten, etwas zu ſchaffen, Spandau, das ſchon einmal ſeine Steuern durch Zuzug der Siemens⸗Werke herunter⸗ geſetzt hat, dabei helfen, auf Koſten Charlotten⸗ burgs ſeinen Steuerſatz, der heute weit über 100% beträgt, auf 100% herabzuſetzen. Dieſe Zaude⸗ rungspolitik wird dazu beitragen. Ich kann mir auch nicht denken, daß dieſe Gegend uns ſo viel koſten wird, ſelbſt wenn kleinere Wohnungen errichtet werden und viele Arbeiter ſich dort anſiedeln. Was auf der einen Seite durch die Armenverwaltung an die Kleinen gezahlt wird, wird auf der andern Seite durch die Gewerbe⸗ treibenden wieder eingebracht, bei denen dieſe kleinen Leute ihre Lebensmittel und all das, was ſie für ihren Lebensunterhalt gebrauchen, kaufen. Ich kann mich deshalb als Gewerbetreibender nur auf den Standpunkt ſtellen, daß uns der Mittelſtand hier in Charlottenburg fehlt, und möchte deshalb bitten, die Schwierigkeiten, die ſich der Erſchließung des Stadtteils etwa durch die Pumpſtation ent⸗ gegenſtellen ſollten, zu beheben. Wir haben ja ganz andere Hinderniſſe in unſerer Bismarckſtraße überwunden, für die wir ſoundſoviele Millionen aufgewendet haben und die heute auf wer weiß wie lange Zeit noch nicht nutzbringend ſein wird“ Die Läden dort werden noch wer weiß wie lange leer ſtehen und die Hausbeſitzer werden noch zwei⸗, dreimal wechſeln, bis die Zeit eintritt, wo unſer Stadtſäckel Einnahmen aus dieſer Straße haben wird. Stadtv. Klau: Meine Herren, ich möchte anregen, daß wir über den Bebauungsplan dieſes Terrains eine öffentliche Ausſchreibung ſtattfinden laſſen, wobei zu berückſichtigen iſt, in welcher Weiſe dieſes Terrain in ſeiner landſchaftlichen Schönheit uns erhalten bleiben kann. Dieſes Terrain liegt ziemlich hoch über dem Spreetal, es liegt auf dem ſogenannten Spandauer Berg und fällt zur Spree außerordentlich tief ab. Ich glaube, daß eine Löſung dieſer Frage am beſten durch eine Aus⸗ ſchreibung erreicht wird. Vielleicht legen wir die Straßen terraſſenartig nach dem Spreetal zu an. Es ſind uns ſchon verſchiedene Nachbargemeinden in dieſer Beziehung vorangegangen; ich erinnere an Schöneberg, das den Bebauungsplan für ſein Terrain am Tempelhofer Weg und am Sachſendamm auch durch öffentliche Ausſchreibung aufſtellt, wobei auf die Anforderungen des modernen Städte⸗ baus Rückſicht zu nehmen iſt. Die landſchaftliche Schönheit der Gegend über dem Sprectale iſt ſchon von den Herren Vorrednern betont worden. Wir ſollten deshalb ſo bald wie möglich mit einer ſolchen Ausſchreibung vorgehen, weil ſich danach die Kanaliſationsanlage zu richten hat. Wenn wir die Straßen dort von der Spandauer Chauſſee bis zum Spreetale terraſſenartig anlegen wollen, ehe die Kanaliſation erfolgt iſt, ſo muß ſelbſtverſtänd⸗ lich die Kanaliſation nach dieſem Bebauungsplane in beſtimmter Weiſe feſtgelegt werden; denn darauf muß ſich die Kalkulation der Koſten für die Kana⸗ liſierungsanlage ſtützen. Meine Anregung geht alſo dahin, daß der Magiſtrat ſich darüber ſchlüſſig werden möge,