Sitzung vom 7. Dezember 1910 druck gegeben worden, daß wir 3 Millionen für die⸗ ſen Zweck in die letzte Anleihe eingeſtellt haben. An der Schaffung eines interkonfeſſionell en Friedhofs iſt die geſamte Bevölkerung Charlottenburgs ſtark intereſſiert, damit in Zukunft vermieden wird, daß Familienmitglieder, die nicht derſelben Konfeſſion angehören, auf verſchiedenen Friedhöfen im Norden oder Süden beerdigt werden. Tief bedauerlich iſt es aber, daß unſere Abſichten nicht gefördert, ſondern erſchwert werden durch die Regierung, die der Orthodoxie Gefolgſchaft leiſtet und deren pie⸗ tätloſe Zentralkirchhofsgeſchäfte dadurchfördert. Wir können dem Magiſtrat, insbeſonders Herrn Bürgermeiſter Matting, nur außerordentlich dankbar ſein für die große Mühe, die er ſich in dieſer Angelegenheit gegeben hat. Ich möchte ihn namens meiner Fraktion dringend bitten, ſich durch den tragiſchen Ausgang nich t abſchrecken zu laſſen, ſondern weiter tatkräftig die Sache zu fördern. Wir müſſen unbedingt für die Zukunft Fürſorge treffen, da nur zwei Ge⸗ meinden in Charlottenburg eigene Friedhöfe haben— die eine iſt die Luiſen⸗Gemeinde, die andere die Kaiſer⸗Wilhelm⸗Gedächtnis⸗Gemeinde, die ich noch dazu rechne, trotzdem zu dieſer Gemeinde Teile von Berlin, Schöneberg und Wilmersdorf gehören — und der Trinitatisgemeinde nur pacht weiſe ein Kirchhof zur Verfügung ſteht, der ihr in ver⸗ hältnismäßig kurzen Friſten gekündigt werden kann. Wir müſſen unter allen Umſtänden unſere Mit⸗ bürger vor dieſem unglückſeligen Stahnsdorf bewahren. Wer jemals Gelegenheit gehabt hat, einer Beerdigung dort beizuwohnen, denkt nur mit einem gewiſſen Grauen daran zurück. (Sehr richtig!) Es iſt einfach furchtbar. Ich will Sie in anbetracht der vorgerückten Zeit nicht mit längeren Schil⸗ derungen der Zuſtände auf dem Stahnsdorfer Friedhof bemühen, ſie ſind hier größtenteils all⸗ gemein bekannt. Wenn man ſich aber die Beſchlüſſe der Berliner Stadtſynode vergegenwärtigt — ich habe ſie damals mitgemacht, aber natürlich gegen Stahnsdorf geſtimmt —, und wenn man daran denkt, mit welcher Wärme der General⸗ ſuperintendent von Berlin, Herr Faber, von dem neuen Zentralfriedhof geſprochen hat, dann muß man ſich wundern, wie dieſer Friedhof jetzt ausſieht. Anſtatt daß man den dürftigen Kiefernbeſtand dort erhält und noch weiter anſchont, wird kräftig abge⸗ holzt, damit recht viel Raum geſchaffen wird. Wenn Sie ſich den Beerdigungsplatz anſehen, den un⸗ ſere Epiphaniengemeinde dort hat — es iſt die erſte Gemeinde, die gezwungen iſt, ihre Toten in Stahnsdorf beerdigen zu laſſen —, wenn Sie dieſe Reihengräber ſich anſehen, und wenn Sie daran denken, daß damals von Herrn Faber ſpeziell darauf Bezug genommen wurde, daß der Friedhof nach dem Hamburg — Ohlsdorfer Muſter einge⸗ richtet werden ſoll, und wenn man dann an den Ohlsdorfer Friedhof denkt, wie ſchön und zweck⸗ mäßig der eingerichtet iſt, und den Stahndorfer Friedhof daneben hält, dann packt einen wirklich ein Grauen. Die Pietät, die die Herren von der Orthodoxie ſon ſt immer im Munde führen, iſt dort vollſtändig unberückſichtigt geblieben. Schon auf dem Wege nach Stahnsdorf geht einem alle Pietät verloren. Von der Gräberpflege will ich 487 ganz abſehen; die kann überhaupt dort nicht ſtattfin den. Ich bin im Juni in der heißen Zeit draußen geweſen: die Gräber waren faſt vollſtändig verdorrt. Sie finden auf den Hun⸗ derten von Gräbern der Epiphaniengemeinde verſchwindend wenige Gedenkſteine — ein Be⸗ weis dafür, daß meiſtens nur die Armſten der Armen notgedrungen nach Stahnsdorf ihre Toten hinausbringen laſſen. Nach den Ausführungen des Herrn Bürger⸗ meiſters beruht die einzige Hoffnung, die wir haben, um einen Kommunalfriedhof zu bekommen, auf unſerm eigenen Terrain in der Jungfernheide. Wenn es möglich iſt, was ich nach den Mitteilungen des Herrn Bürgermeiſters annehme, ſo könnten wir dort einen Friedhof tatſächlich nach dem Ohls⸗ dorfer Vorbild einrichten. Einen ſchöneren Platz gibt es für einen Friedhof eigentlich gar nich t. Ich glaube auch, daß ein Friedhof in den Rahmen der Jungfernheide hineinpaſſen würde. Dazu kommt, was ja auch unter gewiſſen Bedin⸗ gungen zu berückſichtigen iſt, daß die Rentabilität eines Friedhofs in der Jungfernheide viel geſicherter ſein dürfte, als wenn wir den Friedhof auf einem wer weiß wie weit gelegenen Terrain errichten. Ein Friedhoß in der Jungfernheide wird ſtimmungsvoll angelegt werden können und dann vor allen Dingen auch in der Nähe Charlottenburgs liegen. Ich habe namens meiner Fraktion zu erklären, daß wir geſchloſſen für den Antrag der Herren Dr Borchardt und Gen. ein⸗ treten werden, und habe ferner den Magiſtrat dringend zu bitten, in möglichſt ſchnellem Tempo die Friedhofsangelegenheit zu fördern. Denn, meine Herren, je länger die Sache hinaus⸗ geſchoben wird, deſto ſchwerer wird es ſein, die Geneh⸗ migung zu erhalten. (Bravo!) (Die Beratung wird geſchloſſen.) Vorſteher⸗Stellv. Dr. Hubatſch: Wünſcht der Herr Antragſteller noch das Schlußwort? (Wird verneint.) Wir kommen zur Abſtimmung über den Antrag der Stadtv. Dr Borchardt und Gen. Ich bitte diejenigen Herren, die dem Antrage zuſtimmen wollen, die Hand zu erheben. (Geſchieht.) Der Antrag iſt mit großer Mehrheit angenommen. (Zuruf: Einſtimmig!) Es iſt der Wunſch geäußert worden, jetzt Nr. 13 der Tagesordnung vorwegzunehmen. Wenn kein Widerſpruch erfolgt, treten wir in die Verhand⸗ lung des Punktes 13 ein: Vorlage betr. Abänderung der Kanaliſations⸗ ordnung vom 6. Mai 1896. — Druckſache 342. Berichterſtatter Stadtv. Dr. Flatau: Meine Herren, die Anträge liegen Ihnen gedruckt vor, desgleichen die Begründung zu dieſen Anträgen. Ich muß geſtehen, daß es mir nicht möglich ſein würde, der Begründung irgend etwas Erhebliches hinzuzufügen. Es handelt ſich, wie ich für Nicht⸗ juriſten bemerken will, um einen Verſuch, die Finanzen der Stadt nach Möglichkeit gegen Aus⸗ fälle zu ſchützen, die ſich neuerdings als Folge der juriſtiſchen Auslegung eingeſtellt haben, die den