Sitzung vom 7. Dezember 1910 ſchwer ſein, die Grundſteuer um dasjenige, um was wir ſie im vorigen Jahre hinaufgeſetzt haben weil wir geglaubt haben, unſer Etat würde ſich ohne dieſe Hinaufſetzung nicht balanzieren laſſen, jetzt im nächſten Etatsjahre wieder zu vermindern. Der Herr Kämmerer wird ja ſicher heute ſchon eine Überſicht haben, wie ſich der Abſchluß dieſes Jahres ſtellt, und wird daraus vielleicht eine Möglichkeit entnehmen können, den Haus⸗ und Grundbeſitzern etwas entgegenzukommen. Ich kann Sie ver⸗ ſichern, daß die Grundbeſitzer für das Geringſte dankbar ſein würden, wenn ſie nur ſehen, daß der Magiſtrat diejenige Liebe ihnen gegenüber bezeigt, die er anderen gegenüber bezeigt. Die Grund⸗ beſitzer würden, wie geſagt, ſicher dankbar ſein, wenn die Steuer auf den alten Stand von 2,4 pro Mille zurückgeführt würde. Wilmersdorf und Schöneberg zahlen ja auch weniger Grundſteuer, wir ſind ja durch ſo viele andere Sachen, z. B. durch höhere Abgaben für die Fahrſtühle uſw. uſw. belaſtet. Die Grundſteuer iſt nach dem gemeinen Wert berechnet, dabei werden auch die Gärten mit eingerechnet — ſelbſt dieſe Erholungsſtätten müſſen heute ver⸗ ſteuert werden. Alles das fällt bei denjenigen, die einzig und allein von ihren Zinſen leben, fort; aber die Grundbeſitzer zahlen nicht nur ihre Einkommen⸗ ſteuer aus ihrem wirklichen Einkommen, ſondern ſie zahlen eine zweite Einkommenſteuer aus dem Grundbeſitz, auch wenn ſie kein Einkommen haben. Ich ſtelle deshalb den Antrag und bitte den Magiſtrat, dieſem Antrage Folge zu leiſten, in der Aufſtellung des Etats für 1911 eine Herabſetzung der Gemeindegrundſteuer vorzuſehen. Stadtv. Dr. Frentzel: Meine Herren, meine Freunde und auch ich ſind mit den Antragſtellern der Anſicht, daß der Grundbeſitz in Charlottenburg ſehr reichlich und hoch belaſtet iſt, ſo hoch belaſtet iſt, daßeine weitere Erhöhung dieſer Laſten unter allen Umſtänden für uns jetzt ausge⸗ ſchloſſen erſchein t. Wir haben das bei den verſchiedenſten Gelegenheiten ausgeſprochen, bei der Gelegenheit der Etatsberatung im Etats⸗ ausſchuß, es iſt auch im Plenum hier zur Geltung gekommen, und zuletzt hat es in gle chſam pro⸗ minenter Weiſe mein augenblicklicher Nach bar, Herr Kollege Meyer, hier zum Ausdruck gebracht, als wir vor einigen Wochen Veranlaſſung hatten, uns über die ſtädtiſche Finanzlage und über ihre angebliche Schlechtigkeit eingehend zu unterhaften. Herr Kollege Meyer hat damals gleichſam pro⸗ gram matiſch erklärt, daß unſere Fraktion an eine Erhöhung der Ge⸗ meindegrundſteuer auf keinen Fall denkt, und ſo, wie dies damals er⸗ klärt worden iſt, denken wir auch heut e. Ja, meine Herren, wir gehen mit den Antragſtellern auch inſoweit konform, als auch wir den Wunſch haben, es möchte, wenn irgend möglich, eine Herabſetzung dieſer, wie ich bereits bemerkt habe, ſehr bedeutenden Laſten ſich durchführen laſſen. Es möge ſich ermöglichen laſſen, daß wir den Weg, den wir allmählich progreſſiv vorwärts gegangen ſind, und durch den wir zu ſo hohen Pro⸗Mille⸗ Zahlen gekommen ſind, wieder rückwärts gehen und dieſe Maßregeln wieder einer Reviſion unterziehen können. Aber trotz alledem ſind wir ganz und gar nicht in der Lage, den vorliegenden Antrag anzunehmen, 489 und zwar ſind die Gründe, die es uns unmöglich machen, die Worte, welche den Schluß desſelben bilden, in denen nämlich ausgeſprochen wird, daß eine Herabſetzung der Gemeindegrundſteuer „vor⸗ zuſchen ſei“. Der Herr Antragſteller hat ganz mit Recht auch ſeinerſeits gewiß die Empfindung gehabt, daß dieſe Form eine gewiſſe Schärfe in ſich ſchließt, und in dieſer Schärfe, in dieſen Worten, die uns allzuſehr vinkulieren, ſehe ich cinen Fehler, der es uns unmöglich macht, dieſen Antrag anzunehmen. Meine Herren, wenn wir einen ſolchen Antrag annehmen, und wenn der Magiſtrat, was ich ja nicht glaube, dieſem Antrage Folge leiſten ſollte, ſo würde nämlich nichts mehr und nichts weniger geſchehen, als daß wir hier eine und zwar recht wichtige Poſition des Etats beraten und feſtgelegt hätten zu einer Zeit, wo uns das Geſamtmaterial, das den Etat zuſammenſetzt, überhaupt noch nicht zugänglich iſt. Wir würden mit ſolchem Vorgehen direkt einen Verſtoß begehen gegen die allererſten Regeln, nach denen man einen Etat aufſtellen ſoll. Sie wiſſen ja alle: in unſerm Etat ſind abſolute Zahlen nur ſehr wenig enthalten, die meiſten Zahlen ſind relativ, d. h. Zahlen, die ſich aufeinander be⸗ ziehen und voneinander abhängig ſind. In den Ausgaben ſind feſte und ſichere Zahlen nur die⸗ jenigen, die auf beſtimmten eingegangenen Ver⸗ pflichtungen der Stadt beruhen, alſo die Schulden⸗ tilgungen, die Gehälter und endlich alle diejenigen Ausgaben, die zu machen ſind infolge von An⸗ ordnungen der Obrigkeiten, die höher ſtehen als die Stadt. Und bei den Einnahmen iſt das Ver⸗ hältnis noch ſchlechter; da ſind es nur eine ſehr geringe Anzahl von Poſten, die bereits vor Ein⸗ bringung des Etats feſtſtehen, nämlich eigentlich nur alles das, was auf Grund von Verträgen feſt⸗ gelegt iſt, alſo Hypothekenzinſen und dergleichen; alles andere iſt ſchwankend und fluktuierend und muß ſchwankend und fluktuierend ſo lange bleiben, als bis der ganze Etat fertig iſt, und zwar einfach deswegen, weil alles in ſeiner Wertigkeit gegen⸗ einander abgewogen werden muß, weil jeder einzelne Poſten in ſeiner 3weckmäßigreit und Not⸗ wendigkeit mit den übrigen Poſten verglichen werden und danach abgeſtimmt und beſtimmt werden muß. Die Ausgaben im Etat ſind abhängig von den Einnahmen, aber ebenſo iſt auch wieder das Maß, in welchem die Einnahmequellen eröffnet werden ſollen, in welchem die Steuern — das ſind ja doch die weſentlichſten Einnahmequellen — heran⸗ gezogen werden müſſen, abhängig von der Unum⸗ gänglichkeit und Unvermeidbarkeit derjenigen Aus⸗ gaben, die wir in den Ausgabeteil einzuſetzen haben. Es iſt nichts anderes wie ein Moſaik, gebildet aus⸗ Steinen, die ſtets verrückbar bleiben müſſen, ſolange bis der definitive Beſchluß hier in der Stadtverord⸗ netenverſammlung alles dann gleichſam mit einem Schlage zu einem feſten abgerundeten Gebilde macht. Da können wir teinen größeren Fehler begehen, als daß wir vorher, ehe wir dieſe Steine und ihre Größe kennen, gewiſſermaßen mit gewalttätiger Hand andere Elemente hineinfügen, die nach ihrer Größe nicht paſſen, und ſie an einer Stelle ein⸗ ſetzen und ſagen: dort müſſen ſie bleiben. Dann wird es unmöglich, ein abgerundetes und aus⸗ geglichenes Bild zu geben, und der Fehler, den wir machen würden, kann beſonders dann ſehr ſchlimm werden, wenn einem derartigen Beſchluſſe viel⸗ leicht ähnlich geartete andere folgen ſollten; wenn vielleicht andere Gruppen von Stadtverordneten,