Sitzung vom 7. Dezember 1910 laſſung, uns mit der Ermäßigung der Steuer zu beſchäftigen. Über den Antrag, den Herr Kollege Frentzel geſtellt hat, läßt ſich ja bei der Etatsberatung reden. Auch meine Freunde werden bereit ſein, etwaige Härten, welche die Grundbeſitzer belaſten, zu mildern; aber im allgemeinen glauben wir doch, daß es dem Haus⸗ und Grundbeſitz noch ganz gut geht; wenn die Hausbeſitzer auch die Wohnungen nicht alle vermietet haben, ſo haben ſie doch die guten Jahre hinter ſich und können heute auch mal die Steuern bezahlen, die von keinem ſo leicht abgewälzt werden wie von den Hausbeſitzern. Stadtv. Dr. Stadthagen: Herr Kollege Frentzel hat an dem Antrage des Herrn Kollegen Zander bemängelt, daß dadurch eine Sicherung nicht gegeben wäre gegen eine eventuelle Erhöhung der Gemeindeeinkommenſteuer, oder daß die Be⸗ fürchtung für eine Erhöhung dabei eintreten könnte. Dasſelbe iſt meines Erachtens auch bei dem Antrage des Herrn Kollegen Frentzel der Fall. Auch in dieſem Antrage ſteht nichts davon, daß die Ge⸗ meindeeinkommenſteuer nicht erhöht werden ſoll. Er hat ja meines Erachtens in ſehr erfreulicher Weiſe heute die Erklärung für ſeine Fraktion abgegeben, daß die Fraktion unter keinen Umſtänden daran denkt, die Gemeindeeinkommenſteuer zu erhöhen, ſolange nicht die umliegenden Gemeinden einen ähnlichen Schritt tun. Ich glaube, auch meine Freunde ſtehen auf demſelben Standpunkt. Es ſcheint mir aber doch notwendig zu ſein, dieſen Standpunkt auch wirklich feſt zu formulieren, und wenn man einen ſolchen Antrag, ſei es den des Herrn Kollegen Zander oder den des Herrn Kollegen Frentzel, hier zur Annahme bringt, dann auch einen entſprechenden Zuſatz zu machen. Ich möchte deshalb beantragen, für den Fall der Annahme des Antrages Zander oder des Antrages Frentzel ſtatt des Schlußwortes „vorzuſehen“ bzw. „vorzu⸗ nehmen“ zu ſagen: „in einer Weiſe vorzuſehen“ — bzw. „vorzunehmen“ —, daß unter keinen Umſtänden eine Erhöhung des Ein⸗ kommenſteuerzuſchlages über 100%. eintrit t.“ Das liegt im Intereſſe der Ge⸗ meinde, damit die Offentlichkeit klar ſieht, daß an eine Erhöhung des Zuſchlages nicht zu denken iſt. Wir müſſen auch mit anderen, mißgünſtigen Ge⸗ meinden rechnen, die jeden Punkt wahrnehmen, wo ſie einſetzen können, um die Leute zu veran⸗ laſſen, nach ihren Gemeinden zu ziehen ſtatt nach Charlottenburg. Daher müſſen wir der Offent⸗ lichkeit das ſagen. Ich möchte bitten, das zu tun. Im übrigen kann ich nicht einſehen, warum ſich die liberale Fraktion nicht ohne weiteres dem Antrage des Herrn Kollegen Zander anſchließt. Ich ſehe eigentlich keinen Unterſchied zwiſchen dem einen und dem andern Antrage. Der Unterſchied iſt lediglich formal; ob Sie „Grund⸗ und Gebäude⸗ ſteuer“ in dem einen Antrage oder „Gemeinde⸗ grundſteuer“ in dem andern Antrage ſagen, kommt auf dasſelbe hinaus; der Magiſtrat wird das eine wie das andere gleich auffaſſen. Die Gewerbe⸗ ſteuerklaſſen ſind ja aber bekanntlich durch die Ein⸗ nahmen aus der Warenhausſteuer weit hinauf überhaupt von der Zahlpflicht befreit. Ich möchte Sie deshalb bitten, den Antrag Zander anzunehmen, für den Fall der Annahme des Antrages Zander oder auch des Antrages Frentzel aber den Zuſatz zu machen, den ich vorgeſchlagen habe. 491 Stadtv. Dr. Liepmann: Meine Herren, die Stellungnahme der liberalen Fraktion bedeutet für mich eine angenehme Überraſchung. Ich halte zwar den Antrag noch für ſehr kautſchukartig; immerhin zeugt er doch von großem Entgegen⸗ kommen gegenüber unſerer Anſicht, daß der Grund⸗ beſitz in jetziger Zeit Not leidet und daß er bisher verhältnismäßig zu ſtark zu den Laſten heran⸗ gezogen iſt. Wenn Herr Kollege Frentzel nun dazu bemerkt, daß dem Antrage Zander nur ſtattgegeben werden kann durch Beſchränkung der Ausgaben, ſo ſtimme ich dem auch vollkommen bei. Wenn der Kollege Frentzel ferner damit dem Antrage Zander etwas Ungünſtiges nachzuſagen vermeint, daß er eine Einleitung zu den Etatsberatungen darſtelle, ſo gebe ich ihm zwar zu, daß er damit recht hat; ich finde aber, daß er eine ganz richtige und notwendige Ouvertüre zu den Erwägungen bildet, die für die Etatsaufſtellung notwendig ſind. Ich wünſche eben, daß auf dem Inſtrument der Etatsaufſtellung, wie es Herr Kollege Frentzel ja genannt hat, alle einzelnen Poſten herabgeſtimmt werden und daß das Inſtrument abgeſtimmt wird nach einem für uns neuen Grundton, nämlich dem Wunſch, das die Laſten des Grundbeſitzes demnächſt wenigſtens etwas herabgeſetzt werden. Allerdings wird ja die Stellungnahme der liberalen Fraktion ſich erſt definitiv bei der Abſtimmung über den Etat zeigen. Ich hoffe aber, daß der Antrag, den die liberale Fraktion heute geſtellt hat, keine Abfindung gegen⸗ über dem Grundbeſitz darſtellen ſoll, ſondern daß die Fraktion auch dann mit uns hält, um die Laſten herabzumindern. Als ſelbſtverſtändlich erſcheint mir, daß eine Herabſetzung der Grundſteuer nur eintreten darf, wenn die jetzige Stufe des Ein⸗ kommenſteuerzuſchlages nicht überſchritten zu wer⸗ den braucht. Das lag auch als ſelbſtverſtändlich dem Antrage Zander zugrunde, ebenſo wie Herr Kollege Frentzel es als ſelbſtverſtändlich ſeinem Antrage zugrunde gelegt hat. Deshalb glaube ich, daß wir den Zuſatz des Herrn Kollegen Stadthagen nicht brauchen, ſondern daß wir gut tun, in der entſchiedeneren Tonart des Antrages Zander zu ſprechen, und deswegen bitte ich Sie, ohne dieſes Amendement den Antrag Zander anzunehmen. Stadtv. Dr. Borchardt: Meine Herren, Herr Kollege Stadthagen fragte, warum denn nun eigent⸗ lich die liberale Fraktion noch einen beſonderen Antrag eingebracht habe, der dem Sinne nach ſich mit dem Antrage Zander eigentlich decke; er könne das nicht recht verſtehen. Nun, er ſelber mußte ſchon zugeben, daß formal der Antrag der liberalen Fraktion der korrektere iſt vom etatsrechtlichen Standpunkt betrachtet, und ich glaube, dieſes eine Zugeſtändnis könnte doch Herrn Kollegen Stadt⸗ hagen ſchon klar machen, weshalb die liberale Fraktion dieſen beſonderen Antrag eingebracht hat; denn wenn die Stadtverordnetenverſammlung An⸗ träge annehmen ſoll, dann dürfte es doch wohl er⸗ wünſcht ſein, daß dieſe Anträge auch formell korrekt ſind. Deswegen wundere ich mich ganz außer⸗ ordentlich, daß auch Kollege Liepmann, der doch als Juriſt ein Verſtändnis für formale Korrektheit haben ſollte, lieber für den Antrag Zander als für den Antrag der liberalen Fraktion ſtimmen wollte. Aber, meine Herren, ich möchte keinen Zweifel darüber laſſen, daß meine Freunde weder für den einen noch für den andern Antrag zu haben ſind.