496 Ehrengabe an die Kriegsveteranen zu beraten, iſt durch Einſetzung der Deputation entſprochen wor⸗ den. Nach eingehenden Beratungen wurden von der Deputation Beſchlüſſe gefaßt, die etwas von der heutigen Vorlage abweichen, inſofern darin zum Ausdruck gelangte, daß eine laufende Unter⸗ ſtützung bedürftigen Kriegsveteranen gewährt werden müßte zur dauernden Hilfe. Der Magiſtrat hat ſich in der Vorlage auf den Standpunkt geſtellt, nur einmalige Unterſtützungen zu geben, weil es Sache des Reichs ſei, für die hilfsbedürftigen Kriegsveteranen einzutreten. Meine Herren, bei jeder Beſprechung dieſer Frage ſtand auch die Stadtverordnetenverſammlung, ſtanden wir alle auf dem Standpunkt, daß es Sache des Reichs ſei, hier einzutreten, weil das Reich ſeine Entſtehung den Kämpfern der glorreichen Feldzüge verdankt. Die Gemeinden hätten alſo eigentlich nicht die Unterſtützung auszuüben. Da aber das Reich dieſen verdienten Mänern nur eine ſo kärgliche Zu⸗ wendung zuteil werden läßt, nicht zum Sterben, aber auch nicht zum Leben ausreichend, am aller⸗ wenigſten von 10 ℳ monatlicher Unterſtützung in Charlottenburg und angeſichts der allgemeinen teueren Verhältniſſe, auch angeſichts der heran⸗ gerückten kälteren Jahreszeit, ſo müſſen wir doch im Grunde genommen dieſen Magiſtratsbeſchluß freudig begrüßen, und ich möchte ihn zur Annahme empfehlen. Es dürfte intereſſieren, einiges über die Unterſtützungen zu erfahren, die andere Städte gewähren, die uns damit längſt vorangegangen ſind. Hamburg hat 100 000 ℳ bewilligt. Berlin hat bekanntlich 150 000 ℳ bewilligt für Kriegs⸗ veteranen, denen laufend nach dem Grade der Hilfsbedürftigkeit als Ehrengabe bezeichnete Unter⸗ ſtützungen auf Antrag zu zahlen ſind, quasi in Form einer Abfindung, wie ſie den Armen bei uns zuteil wird. Die verdienten Männer werden dort in faſt entwürdigender Weiſe veranlaßt, ſich quasi durch ein Bittgeſuch das Nowendigſte, was ſie zum Lebensunterhalt gebrauchen, zu verſchaffen. Auch Dresden hat eine laufende Unterſtützung von jährlich 20 000 ℳ, in Renten von 80, 60 und 40 ℳ pvro Kopf, bewilligt. Hannover hat 30 000, Leipzig 20 000, Magdeburg 60 000, Lübeck 5000 ℳ bewilligt. Von unſeren Nachbarorten hat Schöne⸗ berg bei Einkommen bis 900 ℳ 80 ℳ für ſolche, die fremder Wartung und Pflege bedürfen, für die anderen, die der beſondern Wartung nicht bedürfen, 40 ℳ, endlich für die mit Einkommen bis 1800 ℳ 30 ℳ. als einmalige Zuwendung be⸗ willigt. Allen Kriegsteilnehmern Wilmersdorf und Friedenau 30 ℳ, Rixdorf 35, 30 und 25 ℳ Be⸗ dürftigen. Görlitz, Lichtenberg und Hanau haben je 4000 ℳ, Hagen und einige andere Städte haben den Erlaß von Steuern bei einem Einkommen unter 900 bezw. 1300 ℳ bewilligt. Meine Herren, ſolange das Reich in dieſer Beziehung ſeiner Verpflichtung nicht nachkommt, handelt es ſich um eine Ehrenpflicht der Stadt, mindeſtens durch eine einmalige Ehrengabe jetzt aus Anlaß der 40. Wiederkehr der ruhmreichen Gedenktage dieſen verdienten Männern helfend beizuſtehen. Weitere Anträge für dauernde Unter⸗ ſtützung mir vorbehaltend, empfehle ich die ein⸗ ſtimmige Annahme der Vorlage. (Bravo!) Sitzung vom 7. Dezember 1910 Stadtv. Jaſtrow: Meine Herren, wir haben in der Stadtverordnetenſitzung am 14. September den Magiſtrat erſucht, in gemiſchter Deputation mit uns darüber zu beraten, ob und in welcher Weiſe hilfsbedürftigen Veteranen ſtädtiſcherſeits eine Zuwendung gemacht werden könne. Wir ſind natürlich davon ausgegangen, daß das Reich den Veteranen leider nichts gibt und daß dann die Stadt die Pflicht hat, für dieſe notleidenden Leute einzutreten. Der Magiſtrat iſt unſerm Er⸗ ſuchen nachgekommen. Wir finden nun in der Begründung der Vorlage die Bemerkung, daß „das Ergebnis der gepflogenen Beratungen dieſer gemiſchten Deputation in obigem Antrage des Magiſtrats niedergelegt iſt“. Ich weiß wohl, daß der Magiſtrat ſich um die Beſchlüſſe einer ſolchen gemiſchten Deputation nicht zu kümmern braucht, er kann trotz der in der Deputation gefaßten Be⸗ ſchlüſſe ſeinen eigenen Anſichten folgen. Aber ich meine immerhin, es iſt nicht richtig, wenn dann hier ſteht, daß das Ergebnis der gepflogenen Be⸗ ratungen in dem Antrage niedergelegt iſt. Das Ergebnis der gepflogenen Beratungen war durch⸗ aus nicht das, was hier beantragt iſt: denn wir ſind in beiden Deputationsſitzungen einſtimmig gegen die Stimme eines Magiſtratsmitglieds zu ganz anderen Beſchlüſſen gekommen. Ich ſollte meinen, daß es für denjenigen, der nicht in der Deputation geſeſſen hat, immerhin irreführend iſt, daß der Antrag als Ergebnis der Beratungen der gemiſchten Deputation vorgelegt wird, wie es hier ſchwarz auf weiß ſteht. Wir ſind in der Deputation zweimal zu dem Beſchluſſe gekommen, daß die Veteranen, welche unter 900 ℳ. Einkommen haben, laufend 60 ℳ jährlich bekommen ſollen, vorausgeſetzt, daß in⸗ zwiſchen nicht das Reich ausreichend für ſie geſorgt hat. Wir ſind davon ausgegangen, daß man dieſen Leuten, die ein ſo elendes Leben führen, daß ſie nicht einmal 900 ℳ verdienen können, nicht eine einmalige Unterſtützung geben ſoll, ſondern daß man ihnen eine gewiſſe Sicherheit für die Zeit, die ſie noch zu leben haben, bieten müßte, damit ſie die 60 ℳ in ihren Etat hineinrechnen können. Denn 60 ℳ bedeuten in dem Etat eines Mannes, der nur bis 900 ℳ verdient, ungeheuer viel. Wir haben uns geſagt, daß ſolche alten Leute nicht immer zwei oder drei Monate vor Ablauf des Jahres ſchlafloſe Nächte haben ſollen, ob ihre Bettelei um weitere 60 ℳ bei den ſtädtiſchen Behörden (Gehör finden wird oder nicht, ſondern wir wollten ihnen die Beruhigung geben, daß ſie bis an ihr Lebens⸗ ende dieſe 60 ℳ haben werden. Die gemiſchte Deputation hat ſich, wie geſagt, einſtimmig auf dieſen Standpunkt geſtellt und danach beſchloſſen, bis auf die eine Stimme eines Herrn des Magiſtrats. — Wenn ich boshaft ſein wollte, würde ich darüber Betrachtungen anſtellen, welchen Wert, welches Gewicht und welche Durchſchlagskraft eine Stimme manchmal im Magiſtrat haben kann gegenüber einer ganzen Anzahl anderer Stimmen. Aber da ich nicht boshaft bin und am allerwenigſten dem Magiſtrat gegenüber, ſo möchte ich dieſe Be⸗ trachtung nicht anſtellen. Immerhin bedauere ich es lebhaft, daß der Magiſtrat dieſem Beſchluſſe nicht beigetreten iſt. Denn der Notſtand iſt vor⸗ handen. Die einzige Begründung, die der Magiſtrat hier gibt, lautet, daß es eigentlich die Pflicht des Reiches iſt und daß das Reich, wenn wir erſt laufend dafür eintreten, dann gewiß nichts tut. Der letztere