Sitzung vom 7. Dezember 1910 Punkt iſt doch abſolut hinfällig. Unſer Beſchluß iſt doch immer auf der Vorausſetzung aufgebaut, daß unſere Unterſtützung wegfällt, wenn das Reich eintritt. Nun wiſſen Sie doch ganz genau, daß die Unterſtützung des Reiches noch in weitem Felde liegt, ſelbſt jetzt, wo es ſich darum handelt, daß die Reichswertzuwachsſteuer für dieſe Unter⸗ ſtützung zum Teil benutzt werden ſoll. Sie wiſſen ganz genau, daß es ganz unbeſtimmt iſt, wieviel dieſe Reichswertzuwachsſteuer bringen wird — ganz unbeſtimmt, wieviel davon für die Militär⸗ vorlage gebraucht wird, und ob überhaupt davon ein Reſt für die Unterſtützung dieſer armen Teufel bleibt. Dieſen elenden, armſeligen Menſchen hätte man doch nach dem Beſchluſſe der Deputation die Beruhigung geben müſſen, daß ſie die 60 ℳ dauernd für die kurze Zeit ihres Lebens erhalten ſollen. Wie viel macht denn nun der ganze in Frage kommende Betrag aus? Vom Herrn Kämmerer iſt berechnet worden, daß in dieſem Jahre die Be⸗ willigung von 60 ℳ. für die Veteranen, die ein Einkommen unter 900 ℳ. haben, etwa 22 000 ℳ betragen würde. Nun ſteht es feſt, daß die in Frage kommenden Leute ſich ſämtlich in einem Alter zwiſchen 62 und 70 Jahren befinden. Der genannte Betrag wird demnach ſehr ſchnell heruntergehen, ſelbſt wenn wir die laufende Unterſtützung noch 10 Jahre zu zahlen hätten; es würde ſicher durch Todesfälle ein Herabgehen auf 18 000, 14 000, 12 000 und 10 000 ℳ erfolgen, ſo daß eine große Belaſtung für die zukünftigen Jahre nicht eintreten würde. Aber wenn ſie ſelbſt eintreten würde, ſollte man doch dieſen Leuten, die für das Vater⸗ land Gut und Blut eingeſetzt haben, eine gewiſſe Sicherſtellung für ihr Lebensende geben. Es iſt natürlich nicht möglich, jetzt noch einen Antrag nach dieſer Richtung zu ſtellen, denn die Auszahlung ſoll um die Weihnachtszeit geſchehen, und es würde vielleicht das, was der Magiſtrat ihnen bewilligt hat, dadurch in Frage geſtellt werden. Ich behalte mir aber vor, im Laufe des Jahres den Antrag noch zu ſtellen, daß den Veteranen die unter 900 ℳ Einkommen haben, eine laufende Unterſtützung gewährt wird. (Bravo!) Stadtrat Seydel: Ein Irrtum darüber, was in der Deputation beſchloſſen und beraten iſt, konnte meiner Anſicht nach nur bei den Herren aufkommen, die bloß den erſten Abſatz der Vorlage geleſen haben, nicht aber den drit te n. Da iſt ganz ausführlich darauf hingewieſen, was die Deputation beſchloſſen hat und weshalb der Magiſtrat ihrem Beſchluſſe nicht beigetreten iſt. nicht im Abſatz 1: „5Fie in der Deputation gepflogenen Beratungen“ —, ſondern nur: „die gepflogenen Beratungen“. Dazu gehören doch wohl auch die, die nach der Deputationsberatung im Magiſtrat gepflogen ſind. Über die Anregung, laufende Beihilfen zu geben, brauche ich mich wohl nicht auszulaſſen, weil ein Antrag nach der Richtung nicht vorliegt. Es iſt übrigens nochmals hervorzuheben, daß es keineswegs ausgeſchloſſen iſt, einer etwaigen ſpä⸗ teren Anregung nachzukommen, wiederum ein⸗ malige Beihilfen zu gewähren — vorausgeſetzt natürlich, daß die Notwendigkeit einer ſolchen Maßnahme auch weiterhin beſtehen bleibt. Im übrigen ſteht] ſ 4⸗ 497 Stadtv. Marzahn: Meine Herren, meine Freunde ſtehen mit mir der Vorlage durchaus ſym⸗ pathiſch gegenüber, wie es uns ja ſtets große Freude bereitet, wenn es möglich iſt, armen Bedürftigen unſerer Stadt Wohltaten erweiſen zu können. Es erſcheint mir indeß nicht angängig, daß wir den⸗ jenigen Veteranen, die vielleicht vorübergehend gerade am 2. September hier anweſend waren, Unterſtützungen zuteil werden laſſen. Ich möchte deshalb beantragen, daß man nur denjenigen Veteranen Unterſtützungen gewährt, die am 2. Sep⸗ tember mindeſtens ein halbes Jahr in unſerer Stadt wohnten und auch heute noch hier anſäſſig ſind. Vorſteher⸗Stellv. Dr. Hubatſch: Darf ich bitten, den Antrag ſchriftlich einzureichen. (Geſchieht.) Stadtv. Dr. Borchardt: Meine Herren, Herr Kollege Zietſch hat bei der Beratung, auf die Herr Kollege Braune ja zurückgegriffen hat, bereits er⸗ klärt, daß wir jederzeit für die Veteranen ein ebenſo warmes Herz haben wie alle anderen Parteien, wie alle anderen Leute überhaupt, daß unſere Freunde im Reichstage das auch bei verſchiedenen Gelegenheiten bewieſen haben, daß wir aber trotz⸗ dem einem ſoichen Antrage gewiſſe Bedenken ent⸗ gegenbringen. Dieſe Bedenken würden noch außer⸗ ordentlich vermehrt werden, wenn es ſich gar um laufende Unterſtützungen handeln ſollte, wie das die gemiſchte Deputation wollte und wie das Herr Kollege Jaſtrow von neuem im Laufe des Jahres zu beantragen in Ausſicht ſtellte. Es iſt nicht un⸗ möglich, daß meine Freunde zu gegebener Zeit auch nochmals für eine einmalige Beihilfe eintreten werden. Das liegt durchaus im Rahmen der Mög⸗ lichkeit. Aber ich kann ſchon jetzt erklären, daß meine Freunde einem ſolchen Antrage, wenn er kommen ſollte, wie ihn Herr Kollege Jaſtrow angekündigt hat, dauernde Beihilfen zu bewilligen, ganz ent⸗ ſchieden widerſprechen werden, und zwar aus den Gründen, die in der Begründung zu dieſer Vor⸗ lage als die Gründe des Magiſtrats angeführt worden ſind und die ich daher hier nicht noch einmal wiederholen und vorleſen will. Dieſe Gründe ſind in der Tat entſcheidend und durchſchlagend und für meine Freunde auch beſtimmend, für eine laufende Veteranenbeihilfe nicht zu ſtimmen. Höch⸗ ſtens in einem einzigen Falle könnten wir dazu bewogen werden, der aber keine Ausſicht hat, Wirk⸗ lichkeit zu werden. Es wurde heute ſchon auf die Reichswert⸗ zuwachsſteuer hingewieſen, die für die Veteranen⸗ beihilfen vom Reiche aus zur Verwendung kommen oll. Wenn es etwa durch Verhandlungen mit dem Reichsſchatzamt oder ſonſtwie gelingen ſollte, in das kommende Reichswertzuwachsſteuergeſetz einen Paſſus aufzunehmen, daß Charlottenburg von dieſer Zuwachsſteuer fürs Reich verſchont bleibt und mit ſeiner eigenen Zuwachsſteuer machen kann, was es will, dann würden wir eventuell auch bereit ſein, aus dieſer Zuwachsſteuer laufende Veteranenbeihilfen zu bewilligen. (Die Beratung wird geſchloſſen.) Berichterſtatter Stadtv. Braune (Schluß⸗ wort): Meine Herren, in praxi wird den mit der Ehrengabe zu Bedenkenden am meiſten mit der Magiſtratsvorlage geholfen. Geſetzt den Fall, der Magiſtrat hätte ſich auf den Standpunkt der ge⸗