Sitzung vom 21. Dezember 1910 Hierbei ſcheint er ſich allerdings in einem ge⸗ wiſſen Widerſpruche zu ſeiner Vorlage des Jahres 1908 zu befinden; denn da heißt es auf Seite 102: Die Vertikalöfen bedeuten zweifellos gegen unſere bisherigen Ofen mit ſchrägen Retorten einen bedeutenden Fortſchritt. Sie erfordern leichtere und geringere Bedienung, der Koksabfall iſt um etwa 5% geringer als bei ſchrägen Retorten; der Koks ſelbſt fällt ſehr dicht aus und eignet ſich beſonders gut für Zentralheizungen uſw. Hier wird alſo den Vertikalöfen ein recht deutliches gutes Atteſt ausgeſtellt, und das nicht etwa zu einer Zeit, wo man noch verſuchsweiſe mit dieſen Ofen arbeitete, ſondern zu einer Zeit, wo bereits recht reichliche Erfahrungen über dieſe Ofen vorlagen, ſo daß die Frage wohl nicht ungerechtfertigt iſt: welchem Magiſtrat ſoll man eigentlich glauben, dem vom Jahre 1908 oder dem vom Jahre 1910? Meine Herren, ich muß allerdings ſagen, daß die Ausführungen, die der Magiſtrat in ſeinen Akten — nicht in der Vorlage — über dieſen Punkt gemacht hat, eine ziemlich einwandfreie und auch lückenloſe Sprache ſprechen. Dort ſind Berech⸗ nungen aufgeſtellt, die zeigen, daß im Gegenſatz zu der im Jahre 1908 errechneten Erſparnis ſich eine Mehrausgabe bei dieſen im ganzen / Ofen von 2040 ℳ herausgeſtellt hat, und es wird weiter ausgerechnet, daß wir bei der Anlage dieſes Aggre⸗ gats, die wir jetzt treffen wollen, eine Differenz zu ungunſten der Vertikalöfen in Höhe von 42 000 pro Jahr haben würden. Allerdings würde ſich dieſes Defizit ſofort in Plus verwandeln, wenn es gelänge, den dabei erzeugten und in ſeiner Qualität ſehr guten Koks nach Gewicht und nicht, wie es hier in Großberlin üblich iſt, nach Maß zu verkaufen. Sie ſehen, meine Herren, es ſpitzt ſich im weſentlichen dieſe Frage zu auf eine Koksfrage, auf die Ver⸗ wertung und Bewertung der in den verſchiedenen Arten von Retorten gewonnenen Koks. Da iſt eine Reihe von meinen Freunden doch noch nicht aus der Magiſtratsvorlage ſo überzeugt worden, daß die Vorlage des Magiſtrats das Richtige ſei, daß ſie die Einſetzung eines Ausſchuſſes wünſcht. Ich ſchließe mich dem an und beantrage hiermit die Einſetzung eines Ausſchuſſes von elf Mitgliedern. In Rückſicht auf dieſen Antrag möchte ich es mir erſparen, auf dieſe Differenz zwiſchen den beiden Auffaſſungen des Magiſtrats im Jahre 1908 und im Jahre 1910 weiter einzugehen. Ich denke, dieſe Fragen werden im Ausſchuſſe die wünſchenswerte Klärung erfahren. Meine Herren, was der Magiſtrat ſonſt in ſeiner Vorlage fordert, das ſind unter Nr. 1 im weſentlichen Dinge, denen Sie ohne weiteres zu⸗ ſtimmen müſſen, wenn Sie nicht mit der Frage der Errichtung von neuen Ofen überhaupt einverſtanden erklären; denn ſie betreffen Einrichtungen, die einmal dazu dienen, das Rohmaterial vorzubereiten und an die Ofen zu transportieren, auf der andern Seite das gewonnene Produkt, nämlich Koks und Gas, in geeigneter Weiſe wieder fortzuſchaffen. Dabei ſpielt auch eine Rohrleitung eine bedeutende Rolle. Sie werden einſehen, daß dieſe Rohrleitung von den Ofen zu dem Kondenſationshaus nötig iſt, wenn ich Ihnen ſage, daß die augenblickliche Leitung nur imſtande iſt, 8400 chm in der Stunde zu leiten, während es erforderlich ſein wird, 11 000 chm fortzuſchaffen, wenn die neue Anlage im Gange ſein wird. 503 Die übrigen Poſitionen b und e ſind von ge⸗ ringerer Bedeutung. Es iſt klar, daß, wenn die Produktion von Gas ſteigt, auch dafür Sorge ge⸗ tragen werden muß, daß die nötigen Reinigungs⸗ apparate in der richtigen Anzahl und Ausdehnung vorhanden ſind. Die will der Magiſtrat durch Auf⸗ ſtellung eines Ammoniakwäſchers und zweier Teer⸗ ſcheider hier ſchaffen. Was die Naphtalinabſcheider betrifft, ſo beſitzt eigentlich jede größere Gasanſtalt ſolche, und ich habe mich gewundert, daß in unſerer Gasanſtalt derartige Apparate bisher nicht vor⸗ handen waren. Jedenfalls liegt das dringendſte Bedürfnis für die Schaffung von Naphtalin⸗ abſcheidern vor. Ich komme nun zu dem letzten Punkte der Magiſtratsvorlage, dem Punkte, welcher die Be⸗ ſchaffung und die Deckung der nötigen Geldmittel für dieſe Neuanſchaffungen betrifft, die im ganzen 1 155 000 ℳ betragen. Es iſt ohne weiteres ein⸗ zuſehen, daß es unmöglich iſt, eine Summe von ſolcher Höhe aus laufenden Mitteln bereit zu ſtellen. Selbſt wenn dieſer Weg gangbar wäre, hielte ich es von kaufmänniſchen Geſichtspunkten aus für falſch, ſchon deswegen, weil das eine ungebührliche Belaſtung der jetzigen Steuerzahler zu gunſten der ſpäteren im Gefolge haben würde, welche be⸗ kanntlich nicht dieſelben Perſonen ſind. Es bleibt uns alſo gar nichts anderes übrig, als das zu tun, was der Magiſtrat hier vorſchlägt, nämlich auf An⸗ leihemittel zu rekurrieren. Wem dieſer Ausdruck vielleicht zu euphemiſtiſch gefärbt erſcheint und zu optimiſtiſch iſt, der mag auch ruhig ſagen: wir müſſen, um alle dieſe ſchönen Dinge uns anzu⸗ ſchaffen, die wir gebrauchen, Schulden machen. Nun glaube ich aber, daß im vorliegenden Falle auch das ängſtlichſte Gemüt ſich an dem etwas hart klingenden Wort „Schulden“ nicht zu ſtoßen braucht. Die Bewilligung von Geldern für ſolche Zwecke, wie ſie hier gewünſcht werden, möchte ich für meine Perſon, und wahrſcheinlich auch die Majorität der Verſammlung, ſehr gern befürworten. Wir möchten nur wünſchen, daß ähnliche Gelegenheiten, ſolche Bewilligungen auszuſprechen, recht oft vorkämen; denn dieſe Bewilligungen belaſten uns nicht, ſondern ſie erhöhen im Gegenteil unſere finanzielle Kraft, denn ſie bringen uns Geld ein. Und warum? Denken Sie ſich, wie ich es im Anfang meiner Aus⸗ führungen tat, wir wären keine Vertreter einer Stadt, ſondern wären der Aufſichtsrat einer Aktiengeſell⸗ ſchaft,der ein Gaswerk von der gleichen Ausdehnung wie unſere Gasanſtalt I1I gehörte, und vor dieſen Aufſichtsrat käme die Direktion mit Anträgen, die genau ſo lauteten wie die Anträge des Magiſtrats; dann würde ſich die Geſellſchaft dazu entſchließen, neue Aktien auszugeben, um auf dieſe Weiſe ſeinem Unternehmen höhere Dividenden und höhere Ein⸗ künfte zu ſichern. Wenn dann die Geſellſchaft mit einem Proſpekt vor die Aktionäre und die Ka⸗ pitaliſtenwelt träte, in dem genau das enthalten wäre, was in unſerer Magiſtratsvorlage ſteht, dann können Sie ſicher ſein, daß dieſe Operation einen finanziellen Erfolg nicht nur dadurch bedeuten würde, daß die neuen Aktien gern gekauft würden, ſondern auch dadurch, daß die alten im Kurſe ſteigen; denn man würde aus dem Proſpekt ent⸗ nehmen, daß eine beſſere Rentabilität zu erwarten iſt. Die gleichen Verhältniſſe ſind auch bei uns vorhanden. Nennen ſie es neue Aktien oder nennen Sie es Obligationsſchuld — es iſt genau das gleiche. Ob es Anleihemittel ſind oder etwas an⸗