14 konnten wir nicht uſw. uſw. Aber wir kommen erſt her und beraten über die Vorſchläge, die vom Ma⸗ giſtrat gemacht werden, und ſollen unſer Votum dar⸗ über abgeben, ob ſie uns genügen oder nicht! Meine Herren, wir haben, wenn man ſich nicht ſpeziell auf Zahlen ſtützen will, die den Notſtand dokumentieren, Gelegenheit gehabt, jetzt bei der Agi⸗ tation für die Reichstagswahlen, wo wir von Haus zu Haus, in verſchiedene Arbeiterwohnungen, in die Wohnungen unſerer Proletarier in unſeren Arbeiter⸗ vierteln gegangen ſind, einen Einblick zu tun, und da haben wir manches Jammern und Stöhnen von den Arbeiterfrauen gehört, daß ſie mit dem Gelde nicht auskommen können, daß die Lebensmittel über alle Maßen verteuert ſind, und daß die von der Re⸗ gierung getroffenen Maßregeln in keiner Beziehung eine Beſſerung herbeigeführt haben. Nun zu den vorgeſchlagenen Maßnahmen ſelbſt. Der Herr Referent ſagte in ſeinen Ausführungen, daß dieſe Maßnahmen wenig enthalten. Auch ich ver⸗ trete den Standpunkt; wenn wir ſie genau betrachten, ſo müſſen wir ſagen: ſie ſind kümmerlich, ſie enthalten ſehr wenig für die große Maſſe unſerer ſtädtiſchen Bevölkerung. Was die Vorſchläge uns bieten, das ſind Maßnahmen, die einzelne Perſonen, einzelne Fa⸗ milien treffen; aber die große Maſſe unſerer Bevöl⸗ kerung wird von ihnen nicht ergriffen. Wenn ich hier kritiſche Betrachtungen an dieſe Vorſchläge knüpfe, ſo will ich nicht ewa dagegen ſprechen. Fällt mir nicht ein. Im Gegenteil, ich erkläre, daß meine Freunde mit den vorgeſchlagenen Maßnahmen inſo⸗ weit einverſtanden ſind, daß ſie ihnen zuſtimmen. Aber ich füge weiter hinzu, daß ſie es nur deshalb tun, weil nichts Beſſeres, nicht mehr geboten wird. Wenn ich darüber ſpreche, ſo will ich eben die Un⸗ zulänglichkeit der in Vorſchlag gebrachten Maßnahmen nachzuweiſen verſuchen. Der erſte Vorſchlag ſieht die Errichtung von Kochkurſen für die minderbemittelte Bevölkerung vor. Hierzu iſt ein Antrag von uns eingegangen, der ver⸗ langt, daß die Worte „für die minderbemittelte“ ge⸗ ſtrichen werden, und zwar aus dem Grunde, weil wir befürchten, daß Frauen und Mädchen aus ande⸗ ren Kreiſen, die nicht genügend kochen können, von den Kurſen fern gehalten würden. An und für ſich haben wir gegen den Vorſchlag nichts; denn wir ſtehen immer auf dem Standpunkt, daß in jeder Be⸗ ziehung für die Ausbildung unſerer Bevölkerung etwas getan werden muß. Wenn man aber Kochkurſe einrichtet, dann muß man doch damit rechnen, daß auch für die Arbeiterſchaft, für die minderbemittelte Bevölkerung etwas getan werden ſoll, und man muß dabei die Frage aufwerfen, ob dann die Frauen, wenn ſie ſchließlich kochen gelernt haben, gleichzeitig auch damit die Mittel erhalten haben, um die not⸗ wendigen Lebensmittel einzukaufen. Wir ſind der Anſicht, daß das nicht der Fall ſein wird: die Frauen werden in den meiſten Fällen gut kochen lernen, ſie werden aber nicht alle Gelegenheit haben, billige Nah⸗ einzukaufen, weil ihnen dazu das Geld fehlt. Die zweite Maßnahme verlangt die Einführung von Reis und die Propaganda für den Konſum von Reis. Auch dieſer Vorſchlag hat ziemlich problema⸗ tiſchen Wert. Wir haben bereits in der Deputation darauf hingewieſen, daß dieſe Maßnahme für dieſe Teuerung kaum in Frage kommen kann, weil erſt ein⸗ mal die Geſchmacksrichtung, wenn ich ſo ſagen darf, geändert werden muß, weil ſich nicht jeder gleich mit dem Reis befreunden wird, und weil erſt Kurſe ein⸗ Sitzung vom 17. Januar 1912 gerichtet werden ſollen, damit die Frauen den Reis richtig zubereiten lernen. Wir ſind aber trotzdem dafür, weil durch dieſe Maßnahme Gelegenheit ge⸗ boten wird, für die Zukunft etwas zu haben, worauf man ſich eventuell ſtützen kann. Die Vorſchläge 3 und 4 verlangen Zuwendun⸗ gen an gemeinnützige Anſtalten, zunächſt an die Ge⸗ ſellſchaft für Volks⸗Kaffee⸗ und ⸗Speiſehallen und dann an die Volksküchen. Ich will von vornherein erklären, daß wir auch dieſen Vorſchlägen zuſtimmen, und daß wir dieſe Einrichtungen als etwas Gutes bezeichnen können. Ich ſelbſt habe mir die Volksküchen und eine Speiſehalle angeſehen und muß ſagen, daß die Volksküchen und Speiſehallen für einen leidlich an⸗ nehmbaren Preis eine ziemliche gute Mahlzeit liefern. Das kann niemand beſtreiten, und ich kann nur wün⸗ ſchen, daß von dieſen Anſtalten recht rege Gebrauch gemacht wird, und daß auch in den Kreiſen unſerer Arbeiter das Vorurteil, das noch gegen die Volks⸗ küchen vorhanden iſt, ſchwindet. Die Anſtalten wir⸗ ken ſegensreich; aber ihre Wirkungen erſtrecken ſich doch nur auf einen ganz geringen Bruchteil unſerer Bevölkerung. Es werden nicht die Kreiſe erfaßt, die wir mit unſeren Maßnahmen erfaſſen ſollten; die Familien, um die es ſich doch im weſentlichen han⸗ delt, werden von dieſen Einrichtungen nicht getroffen. Das iſt auch ganz erklärlich. Blicken wir hinein in die wirtſchaftlichen Verhältniſſe unſerer Arbeiter, unſerer Armen, ſo müſſen wir ſagen: trotzdem die beiden Anſtalten, die Volksküchen und auch die Speiſehallengeſellſchaft, nach den gebotenen Verhält⸗ niſſen eine ziemlich gute Portion Eſſen für einiger⸗ maßen billiges Geld bieten, iſt doch für eine Familie von vier, fünf oder ſechs Köpfen der Betrag dafür noch reichlich hoch. Sehr viele von den Frauen der Minderbemittelten können 1 ℳ oder 1,20 ℳ für das Mittageſſen leider nicht ausgeben. Deswegen trifft auch hier zu, daß der Knüppel beim Hunde liegt; die Leute haben eben nicht ſoviel Mittel, um ſich das zu kaufen, was ihnen die Anſtalten bieten. Ich will bemerken, daß die Speiſehallengeſellſchaft ein Mittag⸗ eſſen für 20 bis 40 „5 liefert, die Volksküchen eine Portion von Liter für 15 bis 25 „. Eine alte Er⸗ fahrung iſt es, daß in den Kreiſen, aus denen ich her⸗ vorgegangen bin, der Appetit umſo größer iſt, je größer die Familie iſt, und ich behaupte, daß viele Familien, wenn ſie ſich das Eſſen aus der Volksküche oder den Speiſehallen holen ſollen, mit den Portionen, die ſie für 1 %ℳ erhalten, nicht auskommen, und daß folgedeſſen doch noch etwas anderes getan wer⸗ den muß. Es dreht ſich um die Frage, ob, wie der Herr Berichterſtatter ſagte, die Stadt derartige Einrichtun⸗ gen ſelbſt führen kann. So, wie dieſe jetzt ſind, ge⸗ nügen ſie den Anforderungen, die wir ſtellen müſſen, nicht. Sollen ſie weite Kreiſe erfaſſen, ſo müſſen ſie weiter ausgebaut werden, es müſſen andere Einrich⸗ tungen getroffen werden, die mehr Koſten machen, die unter Umſtänden größere Zuſchüſſe von der Stadt erfordern. Und dann iſt die Frage hierbei aufzu⸗ werfen, ob die Stadt nicht beſſer tut, ſelbſt etwas anderes zu unternehmen. Der Erfolg bei der ganzen Geſchichte iſt im großen und ganzen nicht durch⸗ ſchlagend. Die Volksküchen in Charlottenburg haben bei 310 000 Seelen im Etatsjahre 1910%11 112 457 Portionen abgegeben. Wenn wir nun durch unſern Zuſchuß und durch weitere Propagierung erreichen, daß jährlich über 200 000 Portionen abgegeben wer⸗ den, dann wird damit immer noch nicht ein großer Teil unſerer Bevölkerung getroffen; es kommt ſchließ⸗