16 leidenden Einwohner gegenüber, und da muß man die Rückſichten fallen laſſen, man muß hinter dem großen Ziel, das man ſich geſteckt hat, die Kleinig⸗ keiten verſchwinden laſſen. Geſchieht wirklich etwas, dann muß es auch allen zugute kommen. Man muß hier mit Pfennigen rechnen. Herr Kollege Wöllmer hat geſagt: es kommen ſchließlich nur ein paar Mark im Jahre heraus. Ich ſage Ihnen, Herr Kollege Wöllmer: die Leute, die auf unſerm Standpunkt ſtehen, rechnen mit Pfennigen, und wenn im Laufe des Jahres 1 ℳ oder 2 ℳ an Lebensmitteln erſpart werden, dann können die Leute dieſe 2 ℳ für andere Bedürfniſſe aufwenden. Wir unterſtützen dadurch ge⸗ wiſſermaßen die anderen Gewerbetreibenden. Wenn der Arbeiter jetzt ſtatt 65 5„ für 10 Pfund Kartof⸗ feln nur 40 § zu zahlen hätte, dann könnte er für die erſparten 25 § ſeine Bedürfniſſe beim Schneider, Schuhmacher uſw. befriedigen. Wenn wir alles nur in die Nahrungsmittel hineinſtecken, dann ſchädigen wir die anderen Gewerbetreibenden; das ſteht ohne weiteres feſt. Alſo man ſoll nicht Rückſicht auf ein⸗ zelne Perſonen nehmen — auf die ganze Klaſſe, ja; aber der großen Maſſe der Notleidenden ſteht bloß ein kleiner Teil von Händlern gegenüber, die in Frage kommen, und da ſoll man die Rückſicht fallen laſſen. Man ſagt, es lohne nicht gerade bei den Kar⸗ toffeln. Man braucht ja bei den Kartoffeln nicht zu hleiben, man kann auch, wie das in anderen Städten gemacht worden iſt, zu anderen Nahrungsmitteln übergehen. Der Herr Berichterſtatter führte aus, es müßte dann eine Zentrale eingerichtet werden, und von dort müßten die Leute die Lebensmittel ent⸗ nehmen. Ich weiß aus meiner Jugendzeit, Herr Kollege, — wir wohnten in der Feldſtraße — daß wir nach der Spree zum Kartoffelkahn wanderten, um unſere Kartoffeln dort zu kaufen, weil ſie billiger waren. Die Arbeiter würden ſich heute auch nicht ſcheuen, ein paar Schritte Weges mehr zu machen, wenn ſich ihnen die Gelegenheit bietet, Nahrungs⸗ mittel billig einkaufen zu können. Mit derartigen Gründen braucht man nicht zu kommen; da kennen wir die Arbeiterſchaft und die Notleidenden beſſer. Der Zwiſchenhandel wird jetzt ſo dargeſtellt, als ob er nicht verteuernd wirkte. Ich will nur darauf hinweiſen, daß das Statiſtiſche Amt der Stadt Poſen feſtgeſtellt hat, daß die Viehpreiſe im Gegenſatz zur gleichen Zeit des Vorjahres geſunken, die Detail⸗ preiſe aber trotzdem um 25 bis 30 „ geſtiegen ſind, daß alſo trotz des Sinkens der Viehpreiſe die Fleiſchpreiſe heraufgegangen ſind. Ich kann auch ein Beiſpiel anführen, wo es ſich um Kartoffeln handelt:, im Jahre 1909 haben 1000 kg Kartoffeln 55 %, ge⸗ koſtet, und die Spannung zwiſchen den Groß⸗ und Kleinhandelspreiſen betrug 15,80 ℳ. Im Jahre 1911 koſtete die gleiche Quantität Kartoffeln 77 %, und die Spannung betrug 22,80 ℳ., alſo rund 7 mehr als im Jahre 1909. Ja, meine Herren, wo bleibt der Profit? Der muß doch in den Händen des Zwiſchenhandels ſtecken. Deswegen ſage ich: man ſoll nicht derartige Rückſichten nehmen. Man kann unter Umſtänden dadurch, daß man ſelbſt den Ver⸗ kauf von Lebensmitteln in die Hand nimmt, die Preiſe etwas zum Beſten der Allgemeinheit herab⸗ drücken. In München⸗Gladbach, in Bamberg, in Barmen, auch in Weißenſee uſw. hat der ſtädtiſche Verkauf von Lebensmitteln preisregulierend gewirkt. Es iſt feſtgeſtellt worden, daß in dem Augenblick, wo Städte dazu übergegangen ſind, Lebensmittel einzu⸗ kaufen, die Preiſe verſchiedener Produkte herunter⸗ gegangen ſind. Das iſt doch beweiſend dafür, daß Sitzung vom 17. Jannar 1912 der Zwiſchenhandel die Teuerung verſchärft, und man ſollte nur ruhig verſuchen, Lebensmittel durch die Stadt einzukaufen und abzugeben; die Händler würden doch immer noch verdienen. Sollten wir zu anderen als den vorgeſchlagenen Maßnahmen nicht übergehen, dann iſt ſicher, daß mindeſtens unſere Arbeiterbevölkerung den Schmacht⸗ riemen noch enger anziehen muß. Esſteht ohne weiteres feſt, daß mit den gebotenen Vorſchlägen nicht auszu⸗ kommen iſt, zumal überdies noch die Kollegen erſt darüber beraten werden und in abſehbarer Zeit an eine Verwirklichung derſelben nicht zu denken iſt. Hier und da hat man auch ſchon geſagt: wie kommt denn der Arbeiter überhaupt dazu, ſich über die Teuerung ſo aufzuregen, die Löhne ſind doch von Jahr zu Jahr geſtiegen, und das, was die Lebens⸗ mittel mehr koſten, hat die Arbeiterſchaft dreifach an erhöhten Löhnen herausgeſchlagen! Meine Herren, das iſt grundfalſch. Es iſt berechnet, daß in den letzten Jahren die Lebensmittel um 8,3 % im Preiſe geſtiegen ſind, die Löhne aber nur um 3 %. Man kann alſo nicht davon reden, daß die Löhne in höherem Maße geſtiegen ſeien als die Lebensmittel⸗ preiſe. Mit ſolchen Behauptungen kann man unſere Forderungen nicht als unberechtigt hinſtellen. Meine Herren, ich will mir alles weitere er⸗ ſparen. Sie haben jedenfalls alles das, was ſich auf die Frage bezieht, auch geleſen. Zugeben müßen Sie mir aber, daß wir in einer ſchrecklichen Zeit leben, und daß wir, wenn Sie an die Folgen denken, unter Umſtänden noch ſchrecklicheren Zeiten entgegengehen. Wir wollen die Teuerung nicht als eine Schickung des Himmels betrachten, wie von höherer Stelle geſagt worden iſt, oder als einen Akt ausgleichender Ge⸗ rechtigkeit, ſondern wir wollen als Vertreter der Stadt Charlottenburg die Teuerung als eine Kala⸗ mität betrachten, gegen die wir mit aller Macht Front zu machen haben, und wir wollen alles daran ſetzen, daß man wenigſtens nach außen hin ſagen kann: wir haben unſere Schuldigkeit getan, wir haben alles getan, was wir zu tun für notwendig hielten. Hat es vielleicht auch in einigen Städten nicht geklappt, dann wollen wir den dort ſchuldtragenden Fehlern nachgehen, daran lernen, friſch ans Werk gehen und es beſſer machen! Dann werden wir auch etwas Durchſchlagendes ſchaffen. Meine Herren, das wird möglich ſein, wenn Sie unſern Antrag annehmen. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Stadtv. Meyer: Meine Herren! Meine Freunde ſtimmen mit den beiden Herren Vorrednern darin überein, daß die Vorlage nur eine geringe Befriedi⸗ gung erwecken kann. Beſonders unbefriedigt muß ſie natürlich diejenigen laſſen, welche die Abſicht hatten, der Teuerung durch direkten Bezug und Ver⸗ trieb von Lebensmitteln durch die Stadt abzuhelfen. Meine Freunde haben — und das ſtelle ich nament⸗ lich dem Herrn Vorredner gegenüber feſt — dieſem ſeitens der Sozialdemokratie befürworteten Mittel außerordentlich ſkeptiſch gegenübergeſtanden. Sie haben ſeinerzeit die Deputation hierfür mit dem aus⸗ drücklichen Hinzufügen eingeſetzt, daß ſie eine Prüfung der Frage allerdings nicht verhindern wollen, daß ſie aber ſehr zweifelhaft darüber ſind, ob jenes Mittel richtig und verwendbar iſt. Daß der Herr Landwirtſchaftsminiſter den Städten den guten Rat gegeben hat, auf dieſe Weiſe der Teuerung abzuhelfen, iſt ja nicht verwunderlich. Das geſchah, um die Aufmerkſamkeit von der wirk⸗