26 Stadtv. Dr. Borchardt: Meine Herren! Meine Freunde ſind nicht in der Lage, zu dieſer Vorlage ihre Zuſtimmung zu geben. Freilich wollen meine Freunde damit nicht etwa zum Ausdruck bringen, daß ſie es nicht für angebracht halten, bedeutender Männer, deren Wirken für die ganze Geſtaltung der Dinge in unſerem Vaterlande von großem Einfluß geweſen iſt, zu gedenken. Meine Freunde wollen auch keineswegs damit zum Ausdruck bringen, daß ſie eine hiſtoriſche Perſönlichkeit nicht beurteilen wollen lediglich aus den Umſtänden ihrer Zeit her⸗ aus, ſondern daß ſie Maßſtäbe an das Wirken hiſto⸗ riſcher Perſönlichkeiten anlegen wollen, die etwa aus den Bedürfniſſen und Anforderungen unſerer Zeit erwachſen ſind. Meine Freunde ſind ſich vollkommen darüber klar, daß es ſich bei einer Ehrung Fried⸗ richs II. um die Ehrung einer ganz gewaltigen Per⸗ ſönſichkeit handelt, und daß es an ſich durchaus nicht etwa wundernehmen kann und etwa unangebracht wäre, bei Gelegenheit der 200. Wiederkehr des Ge⸗ burtstages dieſes hervorragenden großen Königs unſere Schuljugend in irgendeiner Weiſe an das Wirken dieſes Mannes zu erinnern. Aber meine Freunde ſind —wie Sie wiſſen, nicht durch Verſchulden der Stadtverordnetenverſammlung und, wie ich glaube annehmen zu können, auch nicht nach den Wünſchen unſeres Magiſtrats — nicht in der Lage, in unſerer Schuldeputation vertreten zu ſein, und ſie können daher in gar keiner Weiſe Einblick nehmen und Ein⸗ fluß üben auf die Geſtaltung der Art der Feſtſchrift, die bei dieſer Gelegenheit der Jugend verabreicht werden ſoll. Da wir über den Inhalt dieſer Schrift nichts wiſſen können, und da andererſeits bei uns in Deutſchland, vor allen Dingen bei uns in Preußen eine ſehr ſtarke Strömung vorhanden iſt, die gerade unſerer Schuljugend gegenüber hiſtoriſche Perſönlich⸗ keiten aus dem Hauſe Hohenzollern ſchon lediglich durch die Tatſache, daß es ſich um einen Hohenzollern handelt, in einem ganz byzantiniſchen Sinne umzu⸗ deuten beſtrebt iſt — ich brauche bloß an den be⸗ kannten Akt ungerechteſter und willkürlichſter Kabi⸗ nettsjuſtiz zu erinnern, der mit der Arnoldſchen Mühle verbunden iſt; ich brauche nur daran zu er⸗ innern, wie dieſer Akt von Willkür in Erzählungen für unſere Schuljugend zu einem Akt höchſter Ge⸗ rechtigkeitsliebe und höchſten Reſpektes vor richter⸗ lichen Urteilen umgedeutet wird, um nur eines der landläufigſten Beiſpiele anzuführen — wir können alſo nicht wiſſen, ob derartiges nicht auch in dieſem Buche geſchieht, und müſſen bei der Art, wie von höheren Orten aus, namentlich auch vom Provinzial⸗ ſchulkollegium aus bei ſolchen Gelegenheiten mit der hiſtoriſchen Wahrheit umgeſprungen wird, das aller⸗ größte Mißtrauen derartigen Büchern entgegen⸗ bringen. Da wir keine Gelegenheit hatten, die Feſtgabe, die der Jugend verabreicht werden ſoll, in irgend⸗ einer Weiſe daraufhin zu prüfen, ſo ſind wir bei dem bei uns naturgemäß herrſchenden, unter den gegebenen Umſtänden unbedingt notwendigen Mißtrauen leider nicht in der Lage, unſere Zuſtimmung zu dieſer Vor⸗ lage zu geben. Stadtſchulrat Dr Neufert: Meine Herren! Ich bin gern bereit, jede Auskunft dem Herrn Vorredner zu geben. Die Feſtſchrift, um die es ſich handelt, und die wir jedem, der ſie anſehen will, zur Verfügung ſtellen, iſt Reinhold Koſers: „Aus dem Leben Frie⸗ drichs des Großen, denkwürdige Worte des Königs Sitzung vom 17. Januar 1912 mit kurzen Erzählungen ſeiner Taten“. Wir ſind in der glücklichen Lage, diesmal unſerer Schuljugend eine Feſtſchrift aus der berufenſten Feder geben zu können. Reinhold Koſer iſt einer der hervorragend⸗ ſten Fachgelehrten, ich darf wohl ſagen, der erſte Ken⸗ ner der Zeit Friedrichs des Großen. Ein Hiſtoriker erſten Ranges, hat Koſer ſeit einem Menſchenalter Friedrich den Großen zum Mittelpunkt ſeiner Stu⸗ dien gemacht und hervorragende Werke über ihn ge⸗ ſchrieben. Nun hat ſich dieſer Mann zur Verfügung geſtellt, um bei der 200. Wiederkehr des Geburts⸗ tags Friedrichs des Großen eine Schrift für unſere Schuljugend zu ſchreiben. Dieſe Schrift iſt vollkom⸗ men frei von Byzantinismus. Der Name eines Rein⸗ hold Koſer würde an und für ſich ſchon dafür bürgen. Ein Blick in die Schrift wird auch Herrn Dr. Bor⸗ chardt ſofort überzeugen, daß derartiges darin nicht vorkommt. Sie iſt in durchaus angemeſſenem und würdigem Tone gehalten, und ich glaube, ſie wird ſehr geeignet ſein, die Herzen der Charlottenburger Jugend für die ſo bedeutende Perſönlichkeit auf dem preußiſchen Königsthrone zu entflammen. Ich weiß nicht, was der Herr Vorredner im Sinne hatte, als er vom Königlichen Provinzial⸗ ſchulkollegium in Berlin behauptete, daß es — ich habe den Ausdruck vielleicht nicht recht im Kopfe geneigt ſei, bei Taten der Hohenzollern es nicht ganz genau mit der hiſtoriſchen Wahrheit zu nehmen. Mir iſt nichts von einer derartigen Tatſache bekannt. Ich möchte das hier vor der Stadtverordnetenver⸗ ſammlung ausdrücklich erklären. Ich glaube, meine Herren, Sie können mit vol⸗ lem Vertrauen Ihre Zuſtimmung dazu geben, daß zur Feier des Andenkens des großen Königs, der ſich um Preußen und Brandenburg und auch ſchließlich um Charlottenburg ſeine Verdienſte erworben hat, der Schuljugend eine Feſtſchrift überreicht wird, und ich möchte Sie darum bitten, die Vorlage des Magi⸗ ſtrats anzunehmen. Stadtv. Otto: Meine Herren, wir haben ſchon früher zum Ausdruck gebracht, daß wir es bedauern, daß der Sozialdemokratie der Zugang zur ſtädtiſchen Schuldeputation verſchloſſen iſt. Nun hat der Wider⸗ ſpruch des Herrn Kollegen Ir Borchardt ſich auf dieſen einen Punkt konzentriert. Ich ſtelle ſogar mit Ver⸗ gnügen feſt, daß Herr Kollege Borchardt ausdrücklich geſagt hat: wir ſind darum leider nicht in der age, dieſer Vorlage zuzuſtimmen. Ich nehme dar⸗ aus an, daß die Herren Sozialdemokraten in dieſem Falle ganz gern zugeſtimmt hätten, wenn nicht dieſer außere Grund ſie daran gehindert hätte. Dieſer Grund hätte ſich nach meiner Meinung vermeiden laſſen, und ich möchte für die Zukunft einen dahin⸗ gehenden Wunſch ausſprechen. Wenn nämlich in der Magiſtratsvorlage — und das war möglich ge⸗ ſtanden hätte: die und die Schrift ſoll verteilt werden, und es hätte ein Exemplar dieſer Schrift den Akten beigelegen, ſo war jeder Stadtverordnete in der Lage, ſich zu informieren; auch die Herren Kollegen von der ſozialdemokratiſchen Fraktion hätten ſich infor⸗ mieren können, und ich bin überzeugt und ſtimme darin mit dem Urteil des Herrn Stadtſchulrats völlig überein, ſie hätten nichts gefunden, was gegen dieſe Feſtſchrift einzuwenden wäre. Schon um dieſen Grund für die Zukunft den Herren von der äußerſten Linken wegzunehmen, würde ſichs empfehlen, ſo zu verfahren.