Sitzung vom 17. Januar 1912 ganz kurze Zeit zurücklag, und damals ließen mehrere Redner der Fraktion des Herrn Kollegen Otto keinen Zweifel darüber, daß ihnen dieſe Maßregel an ſich nicht ſympathiſch ſei. Der Antrag hatte damals die Form: der Magiſtrat werde erſucht, die Maßregel der Schuldeputation rückgängig zu machen — und an dieſer Form des Antrages ſtießen ſich auch ſolche Kol⸗ legen aus der Fraktion des Herrn Kollegen Otto, welche die Maßregel un ſich nicht als eine ſympa⸗ thiſche begrüßten. Nun wurde aber im Jahre 1911 der gleiche An⸗ trag damit begründet, daß ja ſeit jenen Vorgängen nunmehr vier Jahre verſtrichen ſeien, und daß, ſelbſt wenn man jene Vorgänge zu einem gerechten Anlaß nehmen wollte — was wir nicht anerkannten — ſelbſt wenn man ſich auf den Standpunkt ſtellen wollte: jene Vorgänge haben tatſächlich einen berechtigten Grund zu der Maßregel der Schuldeputation geboten, demgegenüber nach 4 Jahren, wie ja jedes Verbrechen, ſogar ein Mord, in gewiſſer Zeit verjährt, doch auch die Vorgänge, die damals zu der Maßregel geführt haben, als verjährt betrachtet werden können. Und indem die Verſammlung dem Antrage zuſtimmte, hat ſie nach meiner Auffaſſung doch wohl der Meinung Ausdruck gegeben, daß ſie in der Tat jene Vorgänge als verjährt anſehen wollte. Ich glaube nicht, daß der Herr Referent berechtigt war, zu ſagen: weil vor 4½ Jahren ein ähnlicher Antrag abgelehnt wurde, iſt nunmehr die Beſchlußfaſſung des vorigen Jahres, obwohl gegen die Begründung des Antrages ſich damals kein Einſpruch geltend machte, als nicht vorhanden anzuſehen, weil vermutlich das Haus ſchwach beſetzt war. Nach meiner Erinnerung war das Haus nicht ſchwach beſetzt; ich nehme vielmehr an, daß die Verſammlung ſich die Begründung zu eigen machte, die Vorgänge, die ſeinerzeit zur Entziehung der Schulturnhallen geführt haben, als verjährt an⸗ zuſehen. Nun aber, meine Herren, beruft ſich der Magiſtrat auf die Rechtslage. In bezug auf die Rechtslage hat bei der Verhandlung von 1907 der Magiſtrat nur betont, daß die Schuldeputation auch im Sinne der Aufſichtsbehörde wohl gehandelt habe, als ſie jene Maßregel ausſprach. Wir ſahen damals in der Stellungnahme des Magiſtrats ein ängſtliches Vermeiden eines Konflikts mit der Aufſichtsbehörde, den der Magiſtrat vorherſah, wenn er ſich unſerer Auffaſſung anſchlöſſe, wenn die Maßregel rückgängig gemacht werden würde. Es iſt leicht möglich, daß auch heute die Dinge genau ſo liegen, daß, wenn die Schulturnhallen dieſem Verein zur Verfügung geſtellt werden, ein Konflikt mit der Aufſichtsbehörde ent⸗ ſteht. Aber, meine Herren, wir waren der Meinung, es ſei richtig, einem ſolchen Konflikt nicht aus dem Wege zu gehen, ſondern, wenn die Stadtverordneten⸗ verſammlung in ihrer Mehrheit der Anſicht ſei, dieſer Verein ſolle behandelt werden wie alle anderen Ver⸗ eine auch, und es ſollten ihm die Schulturnhallen zur Verfügung geſtellt werden, dann ſolle das Odium der endgültigen Entziehung der Schulturnhallen — denn wir wiſſen, daß die Staatsmacht hier Macht vor Recht ſetzt und eine größere Macht ausübt als der Magiſtrat — dann, waren wir der Meinung, ſolle das Odium voll und ganz auf die Staatsbehörde fallen, und es ſollten die ſtädtiſchen Körperſchaften nicht von ſich aus das Odium auf ſich nehmen aus 10 bloßen Furcht heraus, daß es zu einem Konflikt äme. nommen; wir können dagegen nichts tun und können Der Magiſtrat hat dieſe Stellung nicht einge⸗ 29 nur mit Bedauern von ſeiner Stellungnahme Kennt⸗ nis nehmen. (Die Beratung wird geſchloſſen.) Berichterſtatter Stadtv. Otto (Schlußwort): Wenn es den Herren Kollegen von der Sozialdemo⸗ kratie ernſthaft um die Erfüllung der Forderung, die in dem Antrage ausgeſprochen iſt, zu tun geweſen wäre, ſo konnten ſie denſelben Weg einſchlagen, den ſie 1907 eingeſchlagen haben, nämlich an den Ma⸗ giſtrat die Bitte um Ueberlaſſung der Turnhalle richten, die nicht der Aufſicht der Königlichen Be⸗ hörden unterſteht. Ich nehme an, daß mit aller Ab⸗ ſicht dieſer Weg nicht gewählt worden iſt, (Stadtv. Dr Borchardt: Sehr richtig!) und ich nehme aus den letzten Ausführungen des Herrn Kollegen Dr Borchardt an — das lag zwiſchen den Zeilen —, daß man gewiſſermaßen zu einem Konflikt mit der Aufſichtsbehörde drängen wollte. Herr Kollege Dr Borchardt meinte, er wolle das nicht behaupten, aber er wolle das auch nicht beſtreiten. Nun will ich hier unerörtert laſſen, ob es erwünſcht iſt, anläßlich einer ſolchen Frage zu einem Konflikt mit der Aufſichtsbehörde zu kommen. Ich will nur auf die Lage hinweiſen, wie ſie ſich dann darſtellt. Die Genehmigung — es klingt ja eigenartig, wenn ich das hier ausſpreche, aber es iſt nun leider zurzeit ſo Rechtens —, die Schulturnhallen zu be⸗ nutzen, hat nicht ausſchließlich der Magiſtrat zu er⸗ teilen, ſondern darüber hat die Schuldeputation zu entſcheiden, die nach ihrem doppelten Charakter ein⸗ mal Schulaufſichtsbehörde und zum anderen ſtädtiſche Einrichtung iſt. In dem Augenblick nun, wo die Schuldeputation — und dieſer Fall liegt hier vor — die Erlaubnis verſagt, bedeutet ein weiteres Eingehen auf die Angelegenheit, den Magiſtrat zu veranlaſſen, einen Beſchluß der Schuldeputation ſeinerſeits zu be⸗ anſtanden. Nun hat der Magiſtrat in dem Konflikt mit der Regierung ſich damals unter Wahrung ſeines grundſätzlichen Standpunktes, daß er allein Herr ſei in ſeinen Schulgebäuden, vorläufig damit einver⸗ ſtanden erklärt, daß die Königliche Staatsregierung ihr Aufſichtsrecht über die Schulgebäude an die Schul⸗ deputation delegiert, und wenn nun Herr Kollege Dr. Borchardt aus den Verhandlungen von 1907 zitiert hat, daß einige meiner Freunde zu erkennen gegeben haben, daß ſie mit dem Vorgehen nicht ganz einverſtanden ſind, ſo hätte er nicht nur der Voll⸗ ſtändigkeit, ſondern vor allem auch der Wichtigkeit der Angelegenheit wegen weiter anführen müſſen, daß dieſelben Herren mit allem Nachdruck betont haben: wenn man bei dieſer Rechtslage verlange, daß der Magiſtrat einen Beſchluß der Schuldeputation be⸗ anſtande oder gar aufhebe, ſo ſei das ein grober Ein⸗ griff in die Selbſtverwaltung. So liegt die Sache noch heute, und da mich Herr Kollege Dr Borchardt durch ſeine Ausführungen gezwungen hat, näher auf die Sache einzugehen, als es urſprünglich meine Ab⸗ ſicht war, ſo will ich doch mit allem Nachdruck be⸗ tonen, daß gerade dieſer Geſichtspunkt für uns maß⸗ gebend geweſen iſt, dieſe Mitteilung des Magiſtrats lediglich zur Kenntnis zu nehmen. Vorſteher⸗Stellv. Dr Hubatſch: Ich ſtelle feſt, daß die Verſammlung Kenntnis von der Mitteilung genommen hat, und ſchließe die öffentliche Sitzung. (Schuß der Sitzung 9 Uhr 25 Minuten.)