Sitzung vom 31. Januar 1912 Schaffung eines neuen kleinen Zweckverbandes, der die Wohlfahrtspflege nach einer vorläufig ſpeziali⸗ ſierten Richtung hin ausüben ſoll, eine Wohlfahrts⸗ pflege, die zum Teil in das Gebiet der Wohltätigkeit fällt, weil ein Teil der Koſten durch freiwillige Spenden, ein anderer Teil durch Garantie der Ge⸗ meinden aufgebracht werden ſoll. Wir betreten da⸗ mit einen Weg, der uns ins Uferloſe führen kann. Abgeſehen aber von dieſem Bedenken habe ich das weitere, daß der Kreis der beitragspflichtigen Körperſchaften viel zu eng gezogen iſt. Ich vermiſſe in dieſem Kreiſe zunächſt die Provinz, der wir ja doch als Stadt ſo außerordentlich große Abgaben zahlen, ungefähr 1½2 Millionen, ohne daß wir von der Provinz viel erhalten; denn ich rechne die Paläſte, die für ſehr teures Geld in der Matthäikirchſtraße angekauft und erbaut worden ſind, nicht als einen Vorteil für unſere Stadt. Ich vermiſſe weiter be⸗ ſonders den Kreis Teltow, in dem dieſes neue Krüppelheim gebaut werden ſoll; es ſoll ja nach Zehlendorf gegenüber der Oberförſterei Grunewald kommen. Ich würde es doch für notwendig erachten, daß ein ſo reicher Kreis wie der Kreis Teltow, der noch beſondere Vorteile durch den Bau erlangt, hier mit beiträgt. Meine Herren, ich habe mir ſodann die Renta⸗ bilitätsberechnung, die zugrunde gelegt worden iſt, angeſehen in der Hoffnung, daß die Garantie, die von uns in Anſpruch genommen wird, ſich nicht in Geldzahlung ausdrücken wird, und ich muß ſagen: auch da habe ich meine ſchweren Bedenken. Zunächſt rechnet dieſe Rentabilität damit, daß der Pflegeſatz von 3 ℳ fäglich von Berlin für 144 Patienten be⸗ zahlt wird, von Charlottenburg für 20, von Wil⸗ mersdorf für einen. Dann kommt ein billigerer Pflegeſatz in den Fällen, wo die Gemeinden nicht täglich 3 ℳ zubilligen, ſondern nur jährlich 600 % gewähren wollen. Da rechnet Berlin mit 24 Patien⸗ fen, Wilmersdorf mit zwei, wir mit gar keinem. Ich möchte doch fragen: warum wollen wir für eine ver⸗ hältnismäßig große Anzahl von Patienten, 20, den teuren Pflegeſatz zahlen, den 3. B. Wilmersdorf nur für einen Patienten aufwendet? Wodurch begründet es ſich, daß für uns der billigere Pflegeſatz von 600 % jährlich gar nicht in Anſatz gebracht wird? Jeden⸗ falls erweiſen ſich ſolche Aufſtellungen immer als optimiſtiſch gefärbt; ſie gehen von dem natürlichen, und lobenswertem Drange derjenigen aus, die ein Unternehmen anfangen, um es zu einem gedeihlichen Ende führen zu wollen. Ein Verlaß auf derartige Berechnungen iſt aber nicht. Deswegen glaube ich, daß wir uns darauf gefaßt machen müſſen, daß ſich unſere Garantie während der 40 Jahre in einer ganz erheblichen Zahlungspflicht ausdrücken wird. Nun, meine Herren, frage ich weiter, wenn wir hiermit den Anfang machen, wo werden wir endigen? Ich kenne noch manche andere ſchöne Unternehmung, die denſelben Anſpruch auf ſtädtiſche Zinsgarantie hat wie dieſes Unternehmen, für ſo herrlich und wohltätig ich es auch halte. Deswegen möchte ich nicht, daß wir uns mit Hurraſtimmung dieſe große Laſt aufbürden, ſondern die Sachlage im Aus⸗ ſchuß ganz genau unterſuchen. Stadtrat Dr Gottſtein: Auf die von Herrn Stadtv. Dr Liepmann angeregten ein⸗ zugehen, wird ja im Aus chuſe möglich ſein. Was die Frage der Beteiligung der Provinz und des Kreiſes betrifft, ſo ſind Verhandlungen im Gange. 37 Wie ſie ablaufen werden, bin ich nicht in der Lage zu ſagen. Mit dieſer ganzen Angelegenheit muß aber endlich begonnen werden, weil die Tage für das Krüppelheim gezählt ſind, weil es unbedingt verlegt werden muß, da es in Berlin abgebrochen wird. Vorgegangen werden muß hier wie auch in den anderen Gemeinden, da dieſe Angelegenheit von ganz außerordentlicher Wichtigkeit und Bedeutung ſpeziell auch für unſere Stadt iſt. (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Ver⸗ ſammlung beſchließt die Ueberweiſung der Vorlage an einen Ausſchuß von 15 Mitgliedern und wählt zu Ausſchußmitgliedern die Stadtverordneten Bade, Dr Byk, Erdmannsdörffer, Io. Flatau, Jachmann, Jaſtrow, I)r. Landsberger, Laskau, Ir Liepmann, I. Mommſen, Neumann, Scharnberg, Schwarz, Vogel und Wöllmer.) Vorſteher Kaufmann: Punkt 6 der Tagesord⸗ nung: Vorlage betr. Verpachtung des Rechts zur Erhebung des Marktſtandsgeldes auf den Wochen⸗ und Kram⸗ märkten. — Druckſache 27. (Die Beratung wird eröffnet.) Berichterſtatter Stadtv. Dunck: Meine Herren! Wir haben uns mit der Neuverpachtung der Wochen⸗ und Krammärkte unſerer Stadt zu beſchäftigen, da der Pachtvertrag mit dem ſeitherigen Pächter am 1. April abläuft. Es handelt ſich um folgende Märkte: wöchentlich zweimal Wochenmarkt auf dem Wittenbergplatz, in der Spreeſtraße, in der Fraun⸗ hofer Straße, auf dem Karl⸗Auguſt⸗Platz: wöchent⸗ lich dreimal Wochenmarkt auf dem Friedrich⸗Karl⸗ Platz; fährlich dreimal Krammarkt in der Berliner Straße Südſeite, in der Spreeſtraße und auf dem Wilhelmplatz. Bei Durchſicht der Akten habe ich eine gewiſſe Genugtuung empfunden, indem der Magiſtrat meiner am 6. Dezember in der Stadtver⸗ ordnetenverſammlung gegebenen Anregung nicht ganz unſympathiſch gegenüberzuſtehen ſcheint. Ich habe damals ausgeführt, daß aus Verkehrsrückſichten bei der Umgeſtaltung des Wittenbergplatzes, im künftigen Zentralpunkt der Untergrundbahn von Groß⸗Berlin⸗ W., es direkt unmöglich ſei, für die Folge einen Markt dort abzuhalten. Der Magiſtrat hat daraufhin in einem Bietungstermin vom 19. Dezember zwei ge⸗ ſonderte Angebote eingefordert: einmal Gebote für ſämtliche Charlottenburger Märkte und zweitens Gebote für die Märkte exkluſive Wittenbergplatz. Als einer der beſten und auch ſonſt ſicherſten Bieter hat ſich Herr Wilhelm Röder in Berkenbrück er⸗ wieſen, der für ſämtliche Märkte die Pachtſumme von 65 000 ℳ, für die Märkte erkluſive Wittenberg⸗ platz 43 000 ℳ geboten hat. Der ſeitherige Pächter Grewolds zahlte 55 000 ℳ. Das wäre alſo eine Aufbeſſerung von 10 000 ℳ. Meine Herren, es kann hier im Plenum wohl nicht unſere Aufgabe ſein zu unterſuchen, ob ein Markt einer Gegend zum Nachteil oder zum Vorteil gereicht. Wir können auch nicht im Plenum unter⸗ ſuchen, ob ein Markt, der früher in einer Gegend wo angebracht war, heute unter veränderten Ver⸗ hältniſſen dort nicht mehr hingehört. Ich bin der Anſicht: wenn wir dieſes Thema hier erörtern wollten, bekämen wir eine ſolche Fülle von Wünſchen,