44 Das iſt Schwarzmalerei. Man muß doch nüchtern vorgehen und fragen: was müſſen wir? und was wollen wir? Wir müſſen die Aufnahmefähigkeit des Krankenhauſes verſtärken, bevor wir das Leicht⸗ krankenhaus fertig haben; das dauert noch ein halbes Jahr. Wir haben das dadurch getan, daß wir die Betten in nicht unbeträchtlicher Zahl vermehren. Wie weit das in faſt 3mal ſo großem Umfange, als die Krankenhausdeputation wollte, ohne eine zu große Belaſtung der Räume geſchehen kann, darüber habe ich kein ſicheres Urteil, dafür trägt die Krankenhaus⸗ verwaltung die Verantwortung, die geſagt hat: es geht, es ſind noch 86 Betten unterzubringen. Nun wird immer mit den Diphtheriekranken argu⸗ mentiert und geſagt, daß die 86 Betten doch nicht in eine Abteilung kommen, ſondern daß ſie für alle Ab⸗ teilungen dienen werden, ſo daß man, um für Epidemien vorzuſorgen, doch noch die Baracke haben muß. Bei ſolcher Beweisführung können Sie 10 Baracken ſofort für nötig halten, (Sehr richtig!) können Sie ſagen: wir können die Verantwortung nicht tragen, außer der Diphtherie, außer Scharlach kann noch Genickſtarre, Typhus uſw. ſich ausbreiten, und wir brauchen immer noch mehr Baracken! Für ſolche Fälle ſind eben die Döckerſchen Baracken ein ganz nützlicher Behelf, und ich möchte Ihnen deshalb empfehlen, Punkt p eventl. noch einmal zu teilen, das Inventar meinetwegen heute ſchon zu beſchaffen das bleibt in unſerem Beſitz —; aber die Döckerſchen Baracken bekommen Sie in einem Tage, vom Vater⸗ ländiſchen Frauenverein z. B., ich glaube ſogar unentgeltlich. Alſo Angſtpolitik dürfen wir nicht treiben. Was im Moment angemeſſen iſt, dafür hat, ſcheint mir, der Magiſtrat, wenn er die Verant⸗ wortung dafür tragen kann, durch die Vermehrung um 86 Betten genügend vorgeſorgt, und ich meine, daß die Baracke dann entbehrlich iſt. In Erregung braucht man ſich am Magiſtrats⸗ tiſch nicht zu ſetzen. Menſchen können nicht voraus⸗ ſehen, wir können nicht wiſſen, wie es kommt; aber ich glaube in der Tat: wenn Sie ſehr vorſorglich ſein wollen, dann iſt der Standpunkt der Krankenhaus⸗ deputation immer noch der richtigere. Schaffen Sie, wenn nötig, ſtatt der einen Baracke, die der Magiſtrat vorſchlägt, zwei Döckerſche Baracken an, die uns gar nichts koſten, und die in wenigen Tagen betriebs⸗ fertig herzurichten ſind, — dann können Sie mit der⸗ ſelben Emphaſe, wie hier geſchehen iſt, ſagen: wir haben für alle Fälle, die jeden Tag eintreten können, erſt recht ordentlich vorgeſorgt. Vorſteher Kaufmann: Es iſt hier ein Antrag auf Schluß der Debatte geſtellt worden. Es iſt noch ein Mitglied des Magiſtrats zum Wort gemeldet, und dem Magiſtrat iſt jederzeit das Wort geſtattet. Ich bitte alſo, mir zu geſtatten, über den Schlußantrag erſt abſtimmen zu laſſen, nachdem Sie das Magiſtrats⸗ mitglied gehört haben. Stadtv. Wöllmer (zur Geſchäftsordnung): Ich ziehe den Antrag auf Schluß der Beratung zurück: ich kann ihn ja nachher, nach der Antwort des Herrn Stadtrats, wiederholen. Stadtv. Dr. Stadthagen (zur Geſchäftsordnung): Ich ziehe den Schlußantrag jetzt auch zurück. Sitzung vom 31. Jannar 1912 Stadtrat Dr Gottſtein: Ich will mich ſehr kurz faſſen. Ich bin natürlich auch kein Gegner der Döcker⸗ ſchen Baracken. Wir haben die Frage im Magiſtrat ſehr ſorgfältig geprüft, und es hat ſich herausgeſtellt, daß wir in der Stunde der Not bei deren Be⸗ ſchaffenheit in Schwierigkeiten geraten können. (Ahal!) Wenn wir eine Epidemie haben, laſſen ſich alle Orte Baracken kommen, und wir könnten dann abgewieſen werden. Der Unterſchied der Koſten würde auch nicht ſo beträchtlich ſein, diejenigen für Anſchlüſſe an Waſſer und Kanaliſation ſind in beiden Fällen vorhanden, und deshalb haben wir uns lieber entſchloſſen, etwas Dauernderes zu bauen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemotraten.) Vorſteher Kaufmann: Das Wort wird nicht weiter verlangt; ich ſchließe die Beratung. Wünſcht der Herr Berichterſtatter das Schlußwort? Berichterſtatter Stadtv. Dr. Bauer (Schlußwort): Meine Herren! Aus den Erörterungen, die hier ge⸗ pflogen worden ſind, geht ja zur Genüge hervor, daß die Zahl der Krankenbetten augenblicklich ungenügend iſt. Eigentlich brauchten wir ſchon ein neues Krankenhaus, und daß wir es noch nicht brauchen, liegt nur daran, daß wir uns eben durch Beetz⸗ Sommerfeld um eine große Anzahl von Betten ent⸗ laſten, wenn es fertig iſt, und daß außerdem der Bau des Privatkrankenhauſes uns 50 neue Betten ſchafft und endlich das Krankenhaus für Geburts⸗ hilfe wieder Abhilfe bringt. Trotzdem iſt jetzt bei einer Zahl von etwa 840 Betten, die nachher im Krankenhauſe Weſtend vorhanden ſein werden, wenn die 120 Betten noch hinzukommen, von 960 Betten der Prozentſatz, der im Jahre 1904 maßgebend war, nämlich 1: 300, noch nicht ganz erreicht; denn wir haben 340 000 Einwohner. Ja, Sie hören auch von Herrn Stadtrat Gottſtein, daß dieſer Prozentſatz auch nicht ganz genügen wird, ſondern daß man ſchon 5 Betten auf 1000 Einwohner rechnet. Nun wird eingewendet: warum wird das jetzt plötzlich ſo gemacht, warum ſeid ihr nicht ſchon lange gekommen? Gewiß, dieſer Einwand iſt richtig, es hätte viel früher ſchon darauf gedrungen werden müſſen, daß das Krankenhaus erweitert wird. Aber wenn das Krankenhaus erweitert wird, ſoll man gleich ſo Ordnung ſchaffen, daß für Monate oder ein halbes Jahr oder Jahr die Sachen ſo gehen, daß ohne irgendwelche Bedenken die Kranken aufgenommen werden können. Ich möchte für diejenigen Herren, die Bedenken über das finanzielle Ergebnis haben, noch hinzufügen, daß wir einen Teil unſerer Kranken ja nach Nordend hinlegen, einige 30, ſoviel ich weiß, und daß dort 4,50 ℳ pro Tag und Kopf bezahlt wird. Das iſt immerhin eine Summe, die nicht ganz erreicht wird, wenn wir Eigenwirtſchaft im Krankenhauſe haben. Ich möchte darauf hinweiſen, daß die Baracke im ganzen 30 000 ℳ koſtet. Das iſt außerordentlich wenig; es ſind 1500 ℳ pro Bett. Ich möchte Sie bitten, ſich umzuſehen, was ſonſt ein Bett koſtet. Sie haben heute bei dem Krüppelheim geſehen, daß das Bett 5000 ℳ koſtet; im Krankenhaus ſelber kommt es auf 10 000 ℳ. Alſo wenn Sie für 1500 ℳ ein Bett bekommen, ſo iſt das außerordentlich wenig, und wenn Sie bei dieſer geringen Summe von