Sitzung vom 14. Fe ruar 1912 Damit hängt jedoch in engſter Linie auch wiederum der Zuzug nach der Stadt zuſammen. Wenn weniger Wohnungen geſchaffen werden, muß unbedingt, da die Wohnungsauswahl geringer iſt, der Zuzug kleiner werden. 2 (Widerſpruch.) Das iſt ein Argument, das ebenfalls durch unſer ſtatiſtiſches Amt nachgewieſen iſt. Meine Herren, daß es auf dieſem Gebiete nicht beſſer wird, ſondern daß unter Umſtänden im nächſten Jahre eher noch eine Verſchlimmerung zu erwarten iſt, ſehen Sie daraus, daß auch weſentlich weniger Bauerlaubniſſe gegeben worden ſind. Für das Jahr 1911 ſind bis jetzt 176 Bauerlaubniſſe gegeben worden, während im vergangenen Jahre 227 erteilt worden ſind. Alſo eine weſentliche Verbeſſerung auf dem Ge⸗ biete des Bauweſens haben Sie meines Erachtens nicht zu erwarten. (Zuruf: Doch!) Meine Herren, wenn Sie eine ſolche Gegenwart haben, die im großen und ganzen als nicht ungünſtig bezeichnet werden muß, wenn Sie auf der anderen Seite eine Zukunft vor ſich haben, von der Sie ſich unbedingt ſagen müſſen, daß ſie dauernd ſchwere Laſten von der Stadt fordern wird, und wenn Sie ſehen, daß die Einnahmen jetzt nicht reichen, dann iſt es unbedingt erforderlich, daß neue Quellen geſchaffen werden. Neue Finanzſteuern wiſſen wir im Magiſtrat Ihnen nicht vorzuſchlagen. Ich glaube, auch aus dieſem Hauſe wird kaum einer dem Magiſtrat ſolche vorſchlagen können. Es bleibt infolge davon nichts weiter übrig als die Erhöhung der zurzeit beſtehenden Steuern, und da wohl keiner von Ihnen — ebenſo wie im Magiſtrat — daran denkt, die Realſteuern weiter zu erhöhen, ſo bleibt nur die Erhöhung der Gemeindeeinkommenſteuer übrig. Aus dieſem Geſichtspunkt heraus hat der Magiſtrat beſchloſſen, die Einkommenſteuer auf 110% zu er⸗ höhen. Ich glaube, die Gründe, die ich Ihnen vor⸗ getragen habe, ſind ſo ſchwerwiegender Natur, daß Sie ſich nicht ohne weiteres ihnen verſchließen werden. Ich möchte bloß noch ein paar nebenſäch⸗ liche Momente kurz erwähnen. Es iſt immer geſagt worden: ja, bei 100 % be⸗ kommt die Aufſichtsbehörde nicht den Etat zu ſehen, ſowie aber 110 % erhoben werden, kann die Auf⸗ ſichtsbehörde überall hineinreden. Ich möchte auch heute noch einmal konſtatieren, daß das nicht der Fall iſt, inſofern, als unſer Etat ſchon ſeit vielen Jahren regelmäßig der Aufſichtsbehörde wegen der Relation zwiſchen Gemeindeeinkommenſteuer und Grund⸗ ſteuer vorgelegt werden muß und daher der Ge⸗ nehmigung der Behörde unterliegt. Weiter hat man erwidert, daß eine Ein⸗ kommenſteuererhöhung völlig unnötig ſei, da ja doch eine Einkommenſteuernovelle komme und dieſe den Städten eine Erhöhung der beſtehenden Einkommenſteuer bringe. Meine Herren, nachdem darüber alle Fraktionen in den geſetzgeben⸗ den Körperſchaften beraten haben, nachdem dieſes Geſetz jetzt in der Kommiſſion verſchwunden iſt, gibt ſich wohl kaum einer noch der Hoffnung hin, daß es ſo wieder herauskommt, wie es hineingegangen iſt. Es wird vorausſichtlich dabei bleiben, daß der Staat ſeine erhöhten Steuern bekommt, daß die Gemeinden aber leer ausgehen, ſo daß auch der Einwand der Steuernovelle nicht mehr ſtichhaltig ſein kann. 67 In früheren Jahren ſind bei den Beratungen über die Erhöhung der Gemeindeeinkommenſteuer, die ja öfter gepflogen worden ſind, kommunalpolitiſche Bedenken erhoben worden; man hat darauf hinge⸗ wieſen — das haben hier die maßgebendſten Kreiſe aus der Verſammlung erklärt —, daß die Erhöhung der Einkommenſteuer kein noli me tangere ſei, wenn gemeinſam mit anderen Vororten vorgegangen werden könne. Meine Herren, dieſe kommunal⸗ politiſchen Bedenken fallen, wenn Sie wollen, jetzt auch fort; denn Sie haben ja gehört — Sie ſind darüber doch auch unterrichtet worden durch uns, auch durch die Preſſe ſchon norher, daß die Magiſtrate der maßgebenden ſechs Städte, an der Spitze Berlin, ein⸗ ſtimmig beſchloſſen haben, einen Gemeindeein⸗ kommenſteuerzuſchlag von 110 % zu erheben. Es wird nunmehr an Ihnen liegen, auch auf dieſem Gebiete eine Einheitlichkeit in Groß⸗Berlin eintreten zu laſſen, und ich möchte Sie bitten: ſeien S i e nicht die Veranlaſſung, daß gerade hier der Gemeinſchafts⸗ gedanke, der doch zum Beſten aller Gemeinden ſein kann, fallen gelaſſen wird! Meine Herren, ich möchte Sie an die erſte Sitzung dieſes Jahres erinnern. In dieſer Sitzung hat der Herr Oberbürgermeiſter bei Eröffnung der diesjährigen Arbeiten und bei der Einführung der neuen. Stadtverordneten mit ernſten Worten darauf hingewieſen, welche großen Aufgaben der Stadt⸗ gemeinde bevorſtehen, daß dieſe großen Aufgaben auch große Mittel erfordern, und daß es an der Stadtverordnetenverſammlung liegen wird, dieſe Mittel zur Verfügung zu ſtellen. Wenn wir Ihnen in dieſem Jahre den Etat übergeben, ſo hoffen wir, daß dieſelbe Stadtverordnetenverſammlung, deren Stolz es immer geweſen iſt, in vielen Einrichtungen muſtergültig voranzugehen, die immer mit Befriedi⸗ gung geſunde Kommunalpolitik, geſunde Finanz⸗ politik betrieben hat, dieſelbe Stadtverordneten⸗ verſammlung, die durch zahlreiche Reſolutionen dem Magiſtrat Anregungen gegeben und der Bürgerſchaft dadurch gezeigt hat, daß ſie vorwärts will und nicht ſtehen bleiben will — daß dieſe Stadtverordneten⸗ verſammlung, und darum bitten wir, dieſe ſchwer⸗ wiegenden Gründe, die der Magiſtrat Ihnen vor⸗ getragen hat, würdige, daß ſie mit großzügiger und weitausſchauender Politik ſie berate und, wenn ſie dann zu der Ueberzeugung gekommen iſt, daß es richtig und jetzt an der Zeit iſt, die Gemeinde⸗ einkommenſteuer zu erhöhen, auch ihr vornehmſtes Recht, das Bewilligungsrecht, nach dieſer Richtung hin ausübe, damit nicht die wirtſchaftlichen Auf⸗ gaben in Charlottenburg und nicht zuletzt auch die kulturellen und ſozialpolitiſchen Schaden erleiden! (Allſeitiges Bravo.) Stadtv. Dr. Frentzel: Meine Herren! Ich möchte meine Ausführungen damit beginnen, daß ich Sie bitte, den Etat des Jahres 1912 an einen Ausſchuß von 15 Mitgliedern und 15 Stell⸗ vertretern zu überweiſen. Wenn ich mich nun zu den Ausführungen des Herrn Kämmerers wende, ſo fällt mir auf, daß er, abweichend von ſeinen Gepflogenheiten in früheren Jahren, uns nicht ein ſo umfaſſendes Bild der ge⸗ amten Finanzlage aufgerollt, ſondern hiervon abge⸗ ſehen hat unter dem Hinweis, daß Ihnen der Etat frühzeitiger als ſonſt zugegangen iſt. Die Tatſache iſt