68 an und für ſich richtig; ich enthalte mich auch jeglicher Kritik über dieſes ſein Vorgehen. Ich möchte nur bemerken, daß er, abgeſehen von einigen neueren Poſitionen verhältnismäßig untergeordneter Be⸗ deutung, im weſentlichen ſeine Zahlen und Aus⸗ führungen auf ein ganz beſtimmtes Ziel zugeſpitzt hat, das Ziel, das er in ſeinen Schlußworten deutlich erkennen ließ, und das er als wünſchenswert und be⸗ folgenswert von einer großzügigen Kommunalpolitik hingeſtellt hat. Ich bedaure, ihm in dieſem Punkte entgegentreten zu müſſen und mich dadurch des An⸗ ſpruchs auf das Lob, eine großzügige Politik zu treiben, wie ſie der Herr Kämmerer auffaßt, zu begeben. Der Herr Kämmerer hat uns einmal die vor⸗ liegenden Finanzverhältniſſe und den augenblicklichen Zuſtand des Etats geſchildert, und er iſt dann weiter und ſehr ausführlich auf das übergegangen, was uns die kommenden Jahre bringen werden. Ich erkenne ohne weiteres an, daß ein derartiges Vorgehen richtig iſt. Ich weiß, und wir alle wiſſen es, daß ein jeder Etat, den wir aufſtellen, gleichſam der Vater der folgenden Etats iſt, und daß wir uns nicht einfach mit dem Gedanken abfinden dürfen, daß wir den Bedürfniſſen des laufenden Jahres in irgendeiner Weiſe Rechnung getragen haben und uns damit be⸗ gnügen können, das gedeckt zu haben, was für den Augenblick gefordert wird, und gar nicht auf die Zukunft zu blicken brauchen. Aber ich darf den Herrn Kämmerer daran erinnern, daß es ihm auch in früheren Jahren genau ſo wie anderen geſcheiten und bedeutenden Leuten gegangen iſt, die verpflichtet und gezwungen waren, gleichſam in die wirtſchaftliche Zukunft, ſei es eines Staates, einer Stadt, ſei es auch nur eines Geſchäfts, hineinzuleuchten, daß das, was ſie vorausſichtlich als eintreffend bezeichneten, nachher durch die Wirklichkeit doch nicht bewahrheitet wurde. Ich darf den Herrn Kämmerer nur an zwei Etats⸗ reden erinnern, die er gehalten hat, nämlich an die des Jahres 1910 und die des Jahres 1911. Wenn ich daran denke, was er uns im Jahre 1910 aus⸗ führte, ſo hat er ganz mit Recht und durchaus baſierend auf dem vorliegenden Material uns die Verhältniſſe recht trübe geſchildert — und was war die Folge? Die großen Ueberſchüſſe des Jahres 1910 und das glänzende Etatsjahr 1911, über die hier ſeinerzeit als erſter Redner zu ſprechen mir eine ganz beſondere Freude war! Und wenn ich mir das wieder vornehme, was der Herr Kämmerer im vorigen Jahre geſagt hat, ſo konnte damals keiner erwarten, daß er nach ungefähr 12 Monaten genötigt ſein würde, die Finanzlage ſo ſchwarz zu ſchildern, wie er es heute getan hat. Vielleicht, Herr Kämmerer, paſſiert Ihnen auch in dieſem Falle das Gleiche wie im Jahre 1910, daß Sie nach abermals 12 oder zwei⸗ mal 12 Monaten zugeſtehen müſſen: es iſt Gott ſei Dank nicht ſo ſchlimm gekommen, wie ich es damals gedacht habe, ſondern die Verhältniſſe haben ſich über⸗ raſchend — für Sie überraſchend — günſtiger geſtellt, und es hat ſich alles beſſer gewendet, als ich es glauben konnte. Es iſt richtig, daß die Zahlen, die Sie aus der Zukunft uns gegeben haben, die namentlich die Anleihekapitel betreffen, feſtſtehen, und daß wir um ſie nicht herumkommen. Aber die Gegenſeite, die Einnahmezahl, der Sie ja auch ein freundliches Licht des Wohlwollens zugewendet haben, kennen Sie nicht, und in einem Punkte möchte ich Ihnen bereits jetzt widerſprechen. Wenn Sie aus der geringen Anzahl von neu hergeſtellten Wohnungen ſchließen, daß es auf dem Baumarkt im nächſten Jahre ſchlecht aus⸗ Sitzung vom 14. Februar 1912 ſehen wird, ſo ziehe ich gerade die entgegengeſetzte Folgerung. (Sehr richtig!) Wer kann es wiſſen, ob nicht mit dem Moment, wo die Frühlingswinde wehen, die Bauluſt wieder um⸗ ſchlägt und es der Umſatzſteuer wieder beſſer geht und nicht auch der Zuzug im Herbſt des Jahres, der auch für das Finanzjahr noch in Betracht kommt, ſehr erfreulich ſein wird! Sie können es nicht wiſſen, keiner kann auch das Gegen eil behaupten, und es wäre vermeſſen, in dieſer Beziehung in die Zukunft blicken zu wollen. Aber es iſt wohl angebracht, darauf hinzuweiſen, daß in dieſer Beziehung ſchon oft Enttäuſchungen ſowohl nach der peſſimiſtiſchen als auch Gott ſei Dank nach der optimiſtiſchen Seite vorgekommen ſind. Deswegen dürfen Sie uns auch nicht verargen, wenn wir über die Zukunft zunächſt noch einmal das Dunkel gebreitet ſein laſſen, das heute darüber liegt, und es als poſitiven und feſten Faktor noch nicht in die Berechnungen einſtellen, die wir heute vor uns liegen haben, und von denen aus wir unſere Entſchlüſſe zu treffen haben werden. (Sehr richtig!) Mir hat es den Eindruck gemacht, als ob die Etatsrede des Herrn Kämmerers ein Motto trüge, ein Thema, und dieſes thema probandum hieß: es müſſen 110 % auf alle Fälle bewilligt werden. (Sehr richtig! und Bravo!) Meine Herren, in dieſem Punkte haben mich auch die Ausführungen des Herrn Kämmerers, ſo gut ſie fundiert waren, und ſo beredt ſie vorgetragen wurden, von meiner urſprünglichen Anſicht nicht abgebracht. Nicht etwa, daß ich heute ſchon in der Lage wäre, zu ſagen: nein, das Gegenteil iſt richtig, es darf nur bei 100 % bleiben; aber ſie haben mich nicht erſchüttert in dem feſten Willen und in dem feſten Vorſatz, in dem Ausſchuſſe dahin zu arbeiten, daß es gelingen möge, den Etat ſo umzumodeln, daß wir bei den alten 100 % ſtehen bleiben können. (Bravo!) Die Entſcheidung, die wir hier zu treffen haben, der Uebergang über den Rubikon der 100 %, das Hin⸗ ausgehen über die gleichſam natürliche Grenze des ſtaatlichen Einkommenſteuerſolls iſt eine Frage von ganz eminent wichtiger Bedeutung. (Sehr richtig!) Deswegen können wir nicht zuviel Gründlichkeit und Ernſt auf ihr Studium verwenden, und ich glaube — darin weiche ich von dem Herrn Kämmerer auch wieder ab —, wir ſollen dieſe Frage im gegenwärtigen Augenblick, wo ſie uns ſo nahe liegt wie nie zuvor, ganz allein aus unſeren Verhält⸗ niſſen heraus betrachten. (Bravol) Ich weiß wohl, daß es bei den Verhältniſſen, die in den weſtlichen Vororten ſpielen, ſicher richtig iſt, auch auf unſere Nachbarn rechts und nach Oſten zu blicken. Aber trotz alledem glaube ich, daß wir ſchließlich gar