Sitzung vom 14. Februar 1912 daß Sie auf Koſten ſpäterer Geſchlechter Schulden machen! (Stadtv. Dr Flatau: Sie ſtimmen ja immer dafür!) — Gewiß haben wir dafür geſtimmt; aber wir unter⸗ ſcheiden uns von Ihnen eben dadurch, daß wir auch die Mittel aufbringen wollen, um die Schulden zu bezahlen, während Sie nur Schulden machen, aber nicht bezahlen wollen. (Große Heiterkeit.) Aus dem Etat geht weiter hervor, daß die Aus⸗ gaben der Gemeinde fortwährend ſteigen; ſie ſind in dauerndem Wachſen begriffen. (Zurufe: Die Einnahmen auch!) — Die Einnahmen halten mit den ſteigenden Aus⸗ gaben nicht gleichen Schritt. (Rufe: Das iſt falſch!) Im vorigen Jahre, als wir uns das letzte Mal über die Frage der kommunalen Steuerzuſchläge unterhiel⸗ ten, hat der Redner der liberalen Fraktion, Herr Kol⸗ lege Wöllmer, geſagt, die Höhe unſerer Schulden ent⸗ ſpreche unſerer Kreditwürdigkeit und den Aufgaben, die wir zu löſen haben. Gewiß, das iſt richtig; wenn wir keinen Kredit hätten, dann würden wir über⸗ haupt keine Schulden machen können. Aber, meine Herren, man ſoll doch ſeinen Kredit nicht ſo erſchöpfen, daß man ſchließlich jeden Kredit verliert, weil man zu viel Schulden gemacht hat. Man ſoll ſeinen Kredit nicht bis aufs tz ausnutzen. Was dann die Auf⸗ gaben betrifft, von denen der Redner der liberalen Fraktion geſprochen hat, ſo kann ich nur nochmals betonen, daß es ein Fehler iſt, wenn wir uns zwar Aufgaben zu löſen vornehmen, aber die Koſten dafür der Zukunft aufbürden. Wir dürfen nicht vergeſſen, daß die kommende Generation ganz andere Aufgaben zu löſen haben wird als wir. Wir wiſſen nicht, welchen Umfang der Kreis der kommunalpolitiſchen Fragen einnimmt. Uns ſtehen doch heute ſchon weſentlich andere Aufgaben bevor als den Stadtverordneten, die vor 10, vor 20 Jahren hier geſeſſen haben. Damals hat man nicht daran gedacht, daß wir heute verpflichtet ſind, für alle möglichen ſtaatlichen Zwecke Aufwendun⸗ gen zu machen:; man hat damals auch nicht daran ge⸗ dacht, daß wir verpflichtet ſind, für kulturelle, für ſoziale Zwecke ſo viele Aufwendungen zu machen. Daraus muß man eben ſchließen, daß vielleicht nach 20, nach 30 Jahren der kommenden Generation wie⸗ der neue Aufgaben, die wir heute noch gar nicht ahnen, bevorſtehen werden. Dann aber wird es für ſie um ſo ſchwieriger ſein, die Mittel dafür aufzubringen, wenn wir ihnen als Erbſchaft beträchtliche Schulden hinterlaſſen haben. Wenn man ſich fragt, wodurch die heutige Finanz⸗ lage hervorgerufen iſt, ſo kommt man zu dem Ergeb⸗ nis: einmal dadurch, daß der Kreis der Gemeindeauf⸗ gaben beſtändig gewachſen iſt; zweitens ſind auch die ſtaatlichen Geſetze daran ſchuld, die den Gemeinden immer höhere Laſten aufbürden. einige Zahlen aus dem vorliegenden Etat anführen. Sie finden, daß die Provinzialabgaben um faſt 300 000 ℳ geſtiegen ſind. Die Gründe dafür hat der Herr Kämmerer angegeben, ſie ſind auch in den Er⸗ läuterungen ſehr genau ausgeführt, ſo daß es ſich erübrigt, dem etwas hinzuzufügen. Sie finden weiter, Ich will da nur 75 daß wir an Polizeikoſten nicht weniger als 683 000 % jährlich auszugeben haben, eine Summe, an der wir gar nichts ändern können; es iſt durch Geſetz feſtge⸗ legt, was wir zu zahlen haben, und wir ſind, ob wir nun wollen oder nicht, verpflichtet, die Mittel dem Staate zu geben. Sie finden weiter, daß uns neue Ausgaben erwachſen durch den Zweckverband. Der Herr Kämmerer iſt da ſehr vorſichtig geweſen, er hat im ganzen 10 000 ℳ eingeſtellt, eine aus der Luft gegriffene Summe. Jeder, der die Aufgaben des Zweckverbandes kennt, wird mir zugeben, daß die 10 000 ℳ bei weitem nicht ausreichen werden. (Widerſpruch bei den Liberalen.) Den Gemeinden werden weit höhere Ausgaben aus dem Zweckverbande erwachſen. (Zuruf: Noch in dieſem Jahre?!) — Noch in dieſem Jahre. Es iſt doch ſelbſtverſtänd⸗ lich, daß Berlin, das bisher ſo freigebig war, alle Aus⸗ gaben zu leiſten, die weiteren Ausgaben für das Etatsjahr 1912 nicht auf ſich nehmen wird. Ich würde es auch Berlin nicht zumuten, und ich glaube, wenn Berlin uns das anbieten würde, ſo würde es unſere Pflicht ſein, zu ſagen: Nein, wir gehören auch mit zum Zweckverband, wir haben entſprechend unſerer Ein⸗ wohnerzahl zu den Leiſtungen beizutragen. Meine Herren, ich kann es hier nicht unterlaſſen, auf ein Moment hinzuweiſen, auf das wir bereits früher wiederholt hingewieſen haben: daß Sie ſelbſt mit die Schuld an unſerer ungünſtigen Finanzlage tragen aus dem Grunde, weil Sie es unterlaſſen haben, rechtzeitig für die Erſchließung neuer Ein⸗ nahmequellen zu ſorgen. Ich habe da die Wert⸗ zuwachsſteuer im Auge. Meine Freunde haben ſeit länger als zehn Jahren hier in dieſer Verſammlung die Notwendigkeit der Einführung einer Wert⸗ zuwachsſteuer betont. Sie haben immer und immer wieder dieſe Steuer mit Rückſicht auf die Intereſſen des Privatgrundbeſitzes abgelehnt, und als Sie ſich ſchließlich dazu entſchloſſen haben, war es zu ſpät. Hätten Sie die Steuer damals eingeführt (Zuruf) — ach, Herr Kollege Jolenberg, Sie ſcheinen das Ge⸗ ſetz nicht zu kennen, ſonſt könnten Sie ſolchen Zwiſchenruf nicht machen — hätten Sie die Wert⸗ zuwachsſteuer zu der Zeit, als wir ſie beantragten, eingeführt, dann würden Sie auf Grund des Reichs⸗ geſetzes für abſehbare Zeit ganz andere Summen aus dieſer Steuer bekommen; wir würden dann den größten Teil der Summen bekommen, die heute das Reich einzieht. Sie können das auch aus den Zahlen des Etats ſehen. Im Jahre 1910 brachte uns die Wertzuwachsſteuer 581 000 ℳ, im Jahre 1911 waren es 300 000 ℳ, und im Jahre 1912 ſind 100 000 ℳ vorgeſehen; ob die Summe erreicht werden wird, wollen wir erſt einmal abwarten. Es iſt natürlich ſehr leicht, den Etat zu friſieren. Man braucht nur die Einnahmen höher und die Aus⸗ gaben niedriger zu ſtellen, alſo zu ſtreichen, was einem nicht paßt, dann hat man einen wunderſchönen Etat. Ich verpflichte mich, Ihnen einen ſolchen Etat vor⸗ zulegen und dann die freudige Mitteilung zu machen, daß wir ſogar bloß 90% und noch weniger Ein⸗ kommenſteuerzuſchlag zu erheben brauchen. (Zuruf bei den Liberalen: Man kann es auch um⸗ gekehrt machen!)