76 So wird wahrſcheinlich der Etat ausſehen, der nach den Grundſätzen des Herrn Kollegen Frentzel auf⸗ geſtellt wird. Wollen Sie die Verantwortung für ſolchen Etat übernehmen? Wir müſſen ſie ablehnen. Es iſt ein ſehr gefährliches Experiment, die Ein⸗ nahmen einfach höher einzuſtellen. Herr Kollege Frentzel hat daran erinnert, daß der Herr Kämmerer ſich in den Jahren 1910 und 1911 geirrt habe. Bei ſeiner genauen Kenntnis der Etats wird Herr Kollege Frentzel auch wiſſen, daß dem Herrn Kämmerer im Jahre 1908 ein gewaltiger Irrtum paſſiert iſt. Das haben Sie aber nicht geſagt; das würde nämlich gegen Sie ſprechen. Damals hat der Herr Kämmerer die Einnahmen aus der Einkommen⸗ ſteuer höher eingeſtellt, und wir ſind bei dieſem Ex⸗ periment ſehr ſchlecht abgeſchnitten. Er hat ange⸗ nommen, daß die Einkommenſteuer 1 168 000 % mehr einbringt, und in Wirklichkeit ergab ſich nachher, daß die Steuer gegenüber dem Voranſchlag um 430 000 ℳ zurückgeblieben iſt. Wir haben ja die Summe auf andere Weiſe wieder einbekommen; aber das zeigt doch, daß es ein ſehr gefährlicher Verſuch iſt, die Einnahmen einfach aufs Geratewohl höher ein⸗ zuſtellen. Herr Kollege Frentzel hat heute die Hoff⸗ nung ausgeſprochen, daß das Ergebnis im Jahre 1912 ein beſſeres werden wird. Meine Herren, ich wünſche das auch, ich hoffe es auch; aber Beweiſe da⸗ Und wenn das Ergebnis ein für haben wir nicht. ſo günſtiges wird, wie es ſich Herr Kollege Frentzel vorſtellt — nun, dann bleibt uns ja doch noch der eine Weg übrig, daß wir, wenn wir heute 110 % beſchließen ſollten, vielleicht im Oktober ſagen: für die beiden letzten Quartale des Etatsjahres bleiben 10 % unerhoben. (Heiterkeit.) Sie ſollten einmal ſehen, was für eine Freude dann in den Kreiſen der Parteigenoſſen des Herrn Kollegen Frentzel herrſchen wird. Ich weiſe ferner darauf hin, daß auch die Um⸗ ſatzſteuer vorausſichtlich nicht den Ertrag bringen bn den wir im letzten Jahre daraus bekommen haben. (Zurufe.) — Wegen der Wertzuwachsſteuer; aber nicht des⸗ wegen, weil die Wertzuwachsſteuer uns das nicht bringt, was wir an der Umſatzſteuer einbüßen, ſon⸗ dern aus einem ganz andern Grunde. Wir haben im vorigen Jahre ſehr hohe Erträge aus der Umſatz⸗ ſteuer gehabt wegen der drohenden Wertzuwachs⸗ ſteuer; es wurden noch ſehr viele Geſchäfte ſchnell perfekt. Das hat jetzt aufgehört. (Stadtv. Dr Frentzel: Das fängt wieder an!) — Warten wir ab, ob es wieder anfängt. Ich glaube, Herr Kollege Frentzel, Sie ſagen das nur, weil Sie ſich im Gegenſatz zum Herrn Kämmerer als thema probandum genommen haben, es dürfen auf keinen Fall 110 % erhoben werden. Das wollen wir ab⸗ warten, ob tatſächlich ſolche Umſätze in Grundſtücken gemacht werden. Wir können doch unmöglich mit Summen rechnen, für die irgendwelche greifbaren Unterlagen gar nicht vorhanden ſind. Eine andere Möglichkeit, bei 100% zu bleiben, beſteht darin, daß Sie die Ausgaben kürzen. Ja, meine Herren, wo? Herr Kollege Stadthagen ſagt, Sitzung vom 14. Februar 1912 es müßte die größte Sparſamkeit geübt werden. Ge⸗ wiß, der Meinung ſind wir auch. Wir fürchten nur, daß wir uns mit der Mehrheit der Verſammlung über den Begriff der Sparſamkeit niemals verſtän⸗ digen werden. Sie werden gerade an den notwen⸗ digſten Ausgaben ſparen, Sie werden die ſozialen, die kulturellen Zwecke unerfüllt laſſen, Abſtriche daran vornehmen, wie es heute auch bereits von Ihrer Seite angedeutet worden iſt, und werden dann ſagen: ſeht, was wir für ſparſame Kerle ſind, wir haben es erreicht, daß wir mit 100% auskommen! Ein Bei⸗ ſpiel dafür, was Sie unter Sparſamkeit verſtehen, haben Sie ja vor wenigen Wochen gegeben. Sie er⸗ innern ſich, daß der Magiſtrat die Notwendigkeit be⸗ tonte, für die Beſchaffung, Ausſtattung und Ein⸗ richtung einer Baracke im Krankenhauſe Weſtend 30 000 ℳ zu fordern. Da haben Sie es fertig be⸗ kommen, aus Sparſamkeitsrückſichten dieſe 30000%. (lebhafte Rufe bei den Liberalen: Ach, ach! Das iſt Unterſtellung!) — Sie haben es fertig bekommen, aus Sparſamkeits⸗ rückſichten (lebhafter Widerſpruch und Zuruf links: Leſen Sie doch den ſtenographiſchen Bericht!) die 30 000 ℳ zu ſtreichen. (Erneuter lebhafter Widerſpruch. — Stadtv. Dr Landsberger: Das iſt nicht richtig!) — Wollen Sie etwa ſagen, daß Sie die 30 000 % bewilligt haben? Sie haben ſie geſtrichen. (Zuruf bei den Liberalen: Aus anderen Gründen!) — So ſchlau ſind Sie auch, daß Sie ſich nicht hin⸗ ſtellen und ſagen werden: wir wollen das aus Spar⸗ ſamkeitsgründen ſtreichen. Nein, da hält man lange Reden, ſpricht man um die Sache herum; (Widerſpruch und Zuruf des Stadtv. Dr Lands⸗ berger) der Effekt iſt der, daß Sie die Mittel für einen ſo wichtigen Zweck nicht bewilligt haben. Das iſt ein Zeichen dafür, was Sie unter Sparſamkeit verſtehen. Genau ſo wird es auch in Zukunft kommen. Herr Kollege Frentzel hat es bereits angedeutet, ob wir nicht von den 950 000 ℳ für Schulen 139 000 ℳ ſtreichen können — natürlich auch nicht aus Sparſam⸗ keitsgründen, ſondern aus irgendwelchen anderen Gründen. (Zuruf: Aus Zweckmäßigkeitsgründen!) — Aus Zweckmäßigkeitsgründen, wie Sie ſagen, um keine Steuern erheben zu brauchen. (Stadtv. Dr Landsberger: Das iſt nicht der Zweck!) — Sie haben überhaupt keine Gründe. (Zurufe bei den Liberalen: Nur Siel) — Gewiß. Sie wollen eben mit Gewalt ſparen und knauſern, und da ſparen und knauſern Sie immer am unrichtigen Ort. (Lachen und Rufe bei den Liberalen: Sie am richtigen!)