Sitzung vom 14. Februar 1912 die Vorteile. Wir haben im Gegenteil die Wert⸗ zuwachsſteuer im richtigen Moment eingeführt. Daß uns nachher das Reich dazwiſchen gekommen iſt und eine Steuer, die wir mit Recht als eine Kommunal⸗ ſteuer betrachtet haben, an ſich geriſſen hat, das war nicht zu erwarten, und das konnte von uns nicht ab⸗ gewendet werden. Meine Herren, dann hat Herr Kollege Hirſch nun die Zukunft ins Auge gefaßt, und wie er ſich in ſo vielen Punkten heute mit dem Herrn Kämmerer berührt hat, ſo auch darin, daß er den Zweck⸗ verband an die Wand gemalt hat als einen Popanz, als ein Schreckbild, von dem wir noch viel Unheil erfahren würden. Der Zweckverband ſpielt ja eine ganz verſchiedene Rolle in dieſer Richtung, auch beim Magiſtrat. Bald iſt er etwas, worauf wir uns freuen ſollen, was uns allen möglichen Segen bringen wird, bald iſt er etwas Fürchterliches, von dem wir alle möglichen Schauer noch zu erwarten haben. Ich gebe zu: er kann das eine, er kann das andere werden; er kann namentlich dann uns ſehr gefährlich werden, wenn die Freunde des Herrn Kollegen Hirſch in der Zweckverbandsverſammlung alles bewilligen, gleich⸗ diel wie die Steuerzahler davon getroffen werden. Aber eines ſteht feſt: nämlich daß heute noch gar nichts feſtſteht, daß wir nicht beurteilen können, wie ſich die Sache geſtalten wird, und daß wir jedenfalls noch nicht das Recht haben, mit Rückſicht auf An⸗ nahmen, denen jegliche Grundlagen fehlen, heute ſchon die Steuerkraft der Charlottenburger Bevölkerung in Anſpruch zu nehmen. (Sehr richtig!) Weiter hat Herr Kollege Hirſch von den großen Aufgaben geſprochen, die wir auf ſozial e m Ge⸗ biete in Zukunft zu erfüllen haben. Zunächſt glaube ich auch hier der Anſicht der bürgerlichen Fraktionen dahin Ausdruck geben zu können, daß Herr Kollege Hirſch durchaus unrecht getan hat, indem er uns ſoziale Rückſtändigkeit unterſtellt hat. Wir haben die ſozialen Aufgaben erfüllt, wir werden das auch in Zukunft tun, und wenn Herr Kollege Dr Frentzel vorhin nur davon geſprochen hat, daß bei den Schul⸗ bauten etwa eine kleine Erſparnis würde vorge⸗ nommen werden können, ſo war das für jeden, der nicht mit voreingenommenen parteilichen Anſichten an die Auslegung dieſer Aeußerung heranging, nur ſo aufzufaſſen, daß Herr Kollege Frentzel noch unter⸗ ſuchen wollte, ob der Bau wirklich ſo teuer ſein muß, ob micht an der Faſſade vielleicht eine Erſparnis ge⸗ macht werden kann. (Stadtv. Hirſch: Das hat Herr Kollege Frentzel nicht getan!) — Aber er hat es ſo gemeint. (Stadtv. Hirſch: Ich darf ihm doch keine Motive unterſchieben! — Heiterkeit.) — Herr Kollege Hirſch, die richtigen Motive können Sie ihm unterſchieben, und Sie können ihm zum mindeſten diejenigen Motive unterſchieben, die die politiſche und kommunale Vergangenheit des Herrn Kollegen Frentzel rechtfertigt. (Sehr richtigl) Wir werden, wie geſagt, auch in Zukunft unſere 81 Aufgaben erfüllen, allerdings nur diejenigen, zu deren Erfüllung wir zuſtändig und berufen ſind. Wir werden in Zukunft auch nicht das erfüllen können, was Herr Kollege Hirſch — offenbar in einer momen⸗ tanen Unkenntnis der geſetzlichen Lage — verlangt hat, nämlich Irrenanſtalten zu bauen. Das iſt bekanntlich Provinzialſache, und es iſt von dem Herrn Kämmerer auseinandergeſetzt worden, daß ge⸗ rade die Irrenpflege der Provinz uns nötigt, ſehr viel höhere Beiträge für die Provinz zu leiſten. (Stadtv. Dr Frentzel: 1½2 Millionen! Stadtv. Dr Liepmann: 1 700 000 ℳ) Meine Herren, ich möchte nun nicht noch näher auf die einzelnen Ausführungen des Vor⸗ redners eingehen und mich nur mit wenigen Worten noch zu den grundſätzlichen Bemerkungen über die frühere und jetzige Stellung meiner Fraktion wenden. Herr Kollege Hirſch hat uns zunächſt — und das klang auch durch die Rede des Herrn Kämmerers durch — vorgehalten, daß wir früher einen ſo großen Wert auf das Zuſammengehen mit den übrigen Kom munen gelegt hätten. Aber ich glaube, ihm iſt, ſoweit es ſich nicht um Aeußerungen einzelner handelt, die für die Fraktion unverbindlich ſind, doch ein kleines Mißverſtändnis unterlaufen. Wir haben darauf Gewicht gelegt, daß wir nicht die einzige Kommune von Groß⸗Berlin ſind, die über 100 % kommt; wir haben darauf Gewicht gelegt, daß wir nicht einen höheren Steuerſatz nehmen als namentlich die anderen weſtlichen Kommunen, und haben geglaubt, daß wir unter Umſtänden ſogar be⸗ ſondere Sparſamkeit würden üben müſſen, um das zu verhindern. Es iſt aber niemals von irgend je⸗ mandem berufenerweiſe geſagt worden, daß wir darauf Wert legen, auch auf 110 % zu gehen, ſobald oder weil es die anderen Kommunen tun, ohne daß 1001 unbedingte Notwendigkeit für uns hierfür vor⸗ iegt. (Sehr richtig! bei den Liberalen.) Der Grundſatz des Kommunalabgabengeſetzes, nach welchen die einzelne Stadt nur ſoviel Steuern er⸗ heben darf, als für ſie notwendig ſind ohne Rückſicht auf das, was andere Kommunen tun dieſer Grund⸗ ſatz des Kommunalabgabengeſetzes iſt für uns jeder⸗ zeit maßgebend geweſen und auch heute maßgebend. Und dann, meine Herren, was das noli me tangere anlangt: gewiß, noli me tangere gilt für keinen Steuerſatz, jeder Steuerſatz iſt variabel, und jeder pflichtbewußte Parlamentarier oder Stadtver⸗ ordnete, der eine Steuer aufzuerlegen hat, muß ſich nach den Bedürfniſſen richten. Aber man kann aller⸗ dings mit einer gewiſſen Tendenz vorgehen, und wenn Herr Kollege Hirſch es ſo dargeſtellt hat, als ob das — er hat ſogar die Worte gebraucht — ein rückſchrittlicher Standpunkt wäre, Steuererhöhungen zu vermeiden, ſo bin ich ganz entgegengeſetzter Meinung, daß es im Gegenteil einer volks⸗ freundlichen Politik entſpricht, die Steuern ſo niedrig zu bemeſſen, wie es irgend möglich iſt. (Bravo!) Wir ſehen jetzt im Reiche und im Staate die Steuer⸗ kraft bis aufs äußerſte angeſpannt, wir ſehen nicht nur die Minderbemittelten, als deren alleinigen Ver⸗