82 treter ſich mit Unrecht Herr Kollege Hirſch ausgibt, unter der Steuerpolitik von Reich und Staat leiden, ſondern gerade der Mittelſtand, gerade diejenigen, die Einkommen von 5000, 6000, 8000 und 10 000 ℳ haben, empfinden ſchwer die fortwährende An⸗ ſpannung der Steuerkraft. Demgegenüber halten wir es nicht für rückſchrittlich, ſondern für liberal und demokratiſch, darauf hinzuwirken, daß die Steuer⸗ erhöhung in unſerer Gemeinde möglichſt unterbleibt und wir die Steuerkraft unſerer Mitbürger auch im neuen Etatsjahre nicht mehr in Anſpruch nehmen, als es bisher geſchehen iſt. (Bravo!) Stadtrat und Kämmerer Scholtz: Meine Herren, die verſchiedenen Auslaſſungen am heutigen Abend könnten mich reizen, recht eingehend zu antworten. Aber ich ahne und glaube, daß wir noch ſehr viel Gelegenheit haben werden, uns im Ausſchuß gegen⸗ ſeitig auszuſprechen, und dort der Magiſtrat bei den verſchiedenen Kapiteln auch Gelegenheit haben wird, den Herren nachzuweiſen, daß hier auch reichliche Irr⸗ tümer vorgekommen ſind. Heute aber möchte ich ſchon das eine ſagen: daß nicht der Magiſtrat es ge⸗ weſen iſt, der den Charakter des Ausgleichsfonds, der ja noch recht jung iſt, geändert hat, ſondern daß der Magiſtrat ſeinen Grundſätzen nach dieſer Richtung völlig treu geblieben iſt, daß aber hier eine — wie ich aus den Zurufen ſchließen kann — wohl ehr große Mehrheit des Stadtverordnetenkollegiums zur⸗ zeit den Eharakter des Ausaleichsfonds ändern will, weil es ſcheinbar in dieſem Moment zu ihrem Pro⸗ gramm paßt. Ich ſpare mir alle ſachlichen Bemerkungen für den Ausſchuß auf und möchte lediglich deswegen, da⸗ mit nicht etwa aus einem Schweigen des Magiſtrats geſchloſſen werden könnte, daß die Auffaſſungen, die heute ausgeſprochen ſind, von ihm geteilt werden, ausdrücklich erklären: das iſt nicht der Fall. (Ein Antrag des Stadtv. Otto auf Schluß der Beratung wird genügend unterſtützt und darauf an⸗ genommen.) Stadtv. Dr Stadthagen (perſönliche Bemerkung): Herr Kollege Hirſch war ſo freundlich, wie ich gerade nicht zuhören konnte — aber ich habe es aus dem Stenogramm entnommen —, darüber zu ſprechen, ich hätte mich gemauſert. Herr Kollege Hirſch ſcheint aber nicht zugehört zu haben, wie ich die Aenderung meiner Anſicht begründet habe. Er hat vergeſſen, daran zu denken, daß ich davon ſprach, daß auch die Verhältniſſe ſich gemauſert haben. Das ſoll nämlich auch vorkommen. (Bravol) Stadtv. Hirſch (perſönliche Bemerkung): Meine Herren, ich danke zunächſt den Herren Liberalen da⸗ für, daß ſie unmittelbar, nachdem ſie einen Redner gegen mich losgelaſſen haben, die Debatte ſchließen, um mir dadurch die Möglichkeit einer Erwiderung ab⸗ zuſchneiden. (Rufe: Oho!) Das zeigt mir noch mehr als die Erregung des Herrn Kollegen Meyer, (Widerſpruch und Unruhe) Sitzung vom 14. Februar 1912 wie recht meine Kritik an dem Verhalten der Liberalen geweſen iſt, die nicht einmal die Wahrheit hören wollen, ſondern durch Gewaltmittel dem Gegner die Möglichkeit einer Erwiderung ab⸗ ſchneiden. (Rufe: Iſt das perſönlich?) — Alles perſönlich. Herr Kollege Meyer hat gegen mich eine große Reihe Vorwürfe erhoben. Ich kann natürlich nicht auf alle eingehen. Ich möchte nur betonen, daß es mir nicht eingefallen iſt, irgend jemandem falſche Motive unterzuſchieben. Ich weiſe ferner darauf hin, daß Herr Kollege Meyer kein Recht hat, mir Unkenntnis der Geſetze vorzuwerfen. Er hat offenbar gar nicht verſtanden, was ich geſagt habe. Ich habe nicht geſagt, daß wir verpflichtet ſind, eine Irrenanſtalt zu bauen, ſondern ich habe es als eine Aufgabe bezeichnet, die wir noch zu erfüllen haben, nicht geſetzlich, ſondern weil es ſich um eine ſoziale Aufgabe handelt. Meine Herren, natürlich kann man im Rahmen einer perſönlichen Bemerkung nicht auf alles eingehen. Wäre das möglich, dann würde ich auch Herrn Kollegen Meyer nachweiſen, daß ich mindeſtens die⸗ ſelbe volksfreundliche Politik treibe, wenn nicht eine volksfreundlichere, wie er, nur daß ich das nicht ſage. Ich würde, wenn es möglich wäre, Herrn Kollegen Meyer nachweiſen, daß alle ſeine ſchönen Redens⸗ arten darüber nicht hinwegtäuſchen, daß es ſich hier ſelbſt bei denjenigen, die ein Einkommen von 3000 ℳ haben, um eine Steuererhöhung von nur 10 Pfennig pro Woche handelt. Darum das ganze Geſchrei, das nur beweiſt, daß Herr Kollege Meyer und ſeine Freunde die Intereſſen der Beſitzenden vertreten. Stadtv. Meyer (perſönliche Bemerkung): Meine Herren, daß Herr Kollege Hirſch ſeinen Gegner andere Motive unterſtellt, als die, zu denen ſie ſich ſelbſt be⸗ kennen, haben ſeine Ausführungen über die Ab⸗ lehnung der Krankenbaracke bewieſen, die keines⸗ wegs aus Sparſamkeitsgründen erfolgte, wie es heute von Herrn Kollegen Hirſch behauptet worden iſt. Herr Kollege Hirſch hat mir eine Rüge erteilt, weil ich ihm Unkenntnis des Geſetzes vorgeworfen hätte. Ich habe das doch lediglich in bezug auf die Beſtimmungen über die Irrenpflege geſagt, worin kein arger Vorwurf liegt. Im übrigen aber konnte ich allerdings nicht vorausſetzen, daß Herr Kollege Hirſch verlangt, daß wir neben der Unterhaltung der Provinzialirrenanſtalt noch eine ſtädtiſche Irren⸗ anſtalt bauen. Wenn Herr Hirſch endlich von meiner Erregung geſprochen hat — ich nehme an, daß er das mit Be⸗ dauern getan hat —, ſo freue ich mich, ihm ver⸗ ſichern zu können, daß ich nicht im geringſten erregt geweſen bin und auch jetzt nicht bin. (Heiterkeit.) Stadtv. Hirſch (perſönliche Bemerkung): Ich habe natürlich nicht mit Bedauern von der Erregung des Herrn Kollegen Meyer geſprochen, ſondern ich habe mich umgekehrt darüber gefreut, weil mir das an beſte Beweis iſt, daß ich auf dem richtigen Wege in. (Zuruf bei den Liberalen: Dann müſſen Sie Ihre Freude rückgängig machen!)