Sitzung vom 6. März 1912 leriſche Bewegung. Zielbewußt drängt ſie ſich immer mehr auch an die Jugend heran. Sie umgarnt ſie durch eine planmäßige und geſchickte Agitation, ſucht ſie der Heimat und dem Vater⸗ hauſe zu entfremden und ihr alle Autoritäten in Kirche, Staat und Geſellſchaft verächtlich zu machen. Dann heißt es weiter: Ungefeſtigt und unerfahren ſteht die Jugend all dieſen Gefahren gegenüber und gewinnt nicht die Kraft zum Widerſtande, wenn ſie, wie leider ſo häufig, der rechten Beratung und Lei⸗ tung entbehrt. Darum gilt es, ſich der ſchul⸗ entlaſſenen Jugend fürſorgend anzunehmen, ſie zu heben, zu ſtützen, geiſtig und wirtſchaftlich zu fördern. Meine Herren, daraus können Sie deutlich erſehen, wohin die Fürſorge für die Jugend geht. Es gilt nicht, die Jugend an ſich zu heben, ſondern ſie in erſter Linie vor freiheitlichen Beſtrebungen zu bewahren. Das dokumentiert ſich auch noch am beſten da⸗ durch, daß dieſe Fürſorge der Regierung erſt mit dem Punkte eingeſetzt hat, wo die großen und nam⸗ haften Erfolge der Sozialdemokratie für die Jugend⸗ fürſorge vorgelegen haben. Meine Freunde können aus dieſen Gründen der Vorlage nicht zuſtimmen. (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Verſamm⸗ lung beſchließt die Ueberweiſung der Vorlage an einen Ausſchuß von elf Mitgliedern.) Vorſteher Kaufmann: Ich erbitte mir im Laufe der Verhandlungen die Vorſchlagsliſte. Wir kommen zu Punkt 3 der Tagesordnung: Bericht des Ausſchuſſes über die Vorlagen 2) betr. Bebauungsplan für Nordweſtend, ) betr. Aenderung des Bebauungsplans in dem Gelände ſüdlich des Kaiſerdamms und weſtlich der Stadt⸗ und Ringbahn. Druckſachen 44, 45 und 58. Ich bitte den Herrn Berichterſtatter, zunächſt über Punkt a allein zu berichten. (Die Beratung wird eröffnet.) Berichterſtatter Stadtv. Harniſch: Meine Herren! In der letzten Sitzung verſprach ich, kurz zu ſein, als ich über das Projekt des Bebauungsplans Neuweſtend referierte. Hinterher habe ich erſt gemerkt, als ich meine Rede durchlas, daß ich mein Wort ein bißchen gebrochen habe, denn es ſind verſchiedene Spalten ge⸗ worden. Ich glaube, mich heute kürzer faſſen zu können. Wir haben die Vorlage in einen Ausſchuß ge⸗ ſchickt, der Ausſchuß hat beraten und iſt zu einem Reſultat gekommen, wie es mir damals ſchon vor Augen ſchwebte und wie ich es Ihnen als wahrſchein⸗ lich hinſtellte. Ich nehme zuerſt vorweg, daß der Aus⸗ ſchuß einſtimmig geweſen iſt in dem, was ich Ihnen jetzt vortragen werde. Wir haben uns im Ausſchuß zunächſt mit zwei Petitionen beſchäftigt, die eingegangen waren un dieſes Fluchtlinienprojekt betrafen. Ich habe mich heute noch mit einer dritten Petition zu beſchäftigen, die inzwiſchen an die Stadtverordnetenverſammlung eingegangen iſt. Die erſte Petition iſt von einem 87 Mieterverein ausgegangen, der offenbar nicht genau gewußt hat, was in der Stadtverordnetenvorlage vor⸗ geſchlagen war. Die Eingabe des Mietervereins ſucht das zu erreichen, was tatſächlich erreicht iſt. Der Ver⸗ ein wünſcht, daß keine Hinterhäuſer gebaut wer⸗ den, keine Fünfetagenhäuſer gebaut werden, daß die Seitenflügel unterbleiben, daß Plätze ange⸗ legt werden uſw., daß ein großer parkähnlicher Gürtel erhalten bleibt — alles Dinge, die tatſächlich ſchon im Magiſtratsprojekt vorhanden ſind. Deshalb war es uns ſehr leicht, über dieſe Petition hinwegzugehen. Die zweite Petition war von der Vereinigung Charlottenburg⸗Weſt eingegangen. Das iſt eine Gruppe von Terrainintereſſenten, die dort große Ter⸗ rains haben; es iſt kein Beſitzerverein, der über ein großes Terrain verfügt, ſondern eine Vereinigung von Grundbeſitzern. Dieſe Beſitzer haben nun mit der Petition einen Bebauungsplan von Nordweſtend überreicht, den ſie durch den Architerten Traut haben entwerfen laſſen; ſie machen dazu ihre Vorſchläge. Der Plan iſt an und für ſich in den Einzelheiten recht hübſch, er enthält verſchiedenes, was man ſogar als eine Verbeſſerung gegen unſern Plan bezeichnen kann. Wir waren deshalb alle einſtimmig der Anſicht, daß wir dieſen Plan dem Magiſtrat als Material über⸗ weiſen ſollten. Ich bitte Sie, ſich dem nachher anzu⸗ ſchließen. Nun kommt das, was in der Petition die Hauptſache iſt: der Grundbeſitzerverein bittet die Stadtverordneten, ſie möchten alle Hebel in Bewegung ſetzen, die vorhandene Bauordnung von fünf Etagen für ganz Nordweſtend unter Zugrundelegung ihres Planes zu erhalten. Der ſehr hübſche Plan iſt ge⸗ wiſſermaßen die Lockſpeiſe, die Petition ſelbſt bezweckt die Erhaltung deſſen, was vor Erlaß der Miniſterial⸗ bauordnung dort vorhanden war, nämlich die Fünf⸗ etagenbebauung. Meine Herren, wenn wir das tun wollten, was die Petition von uns erbittet, nämlich die Befürwortung beim Magiſtrat und weiter beim Miniſterium, ſo gehörte dazu zunächſt die Mehrheit der Stadtverordnetenverſammlung. Ich halte es für ausgeſchloſſen, daß ſich hierzu eine Mehrheit der Stadtverordnetenverſammlung findet. Selbſt aber wenn ſie ſich fände und wenn wir einſtimmig für die Petition beim Magiſtrat einträten, ſelbſt dann wäre es mir immer noch ſehr zweifelhaft, ob ſich der Ma⸗ giſtrat uns anſchließen würde. Nehme ich jedoch den günſtigſten Fall, daß der Magiſtrat mit uns über⸗ einſtimmt, dann erreichen wir nicht nur nichts für dieſe Petition, ſondern wir würden den Grund⸗ beſitzern und uns ſelbſt ſchaden. Es iſt ja gerade die neue Bauordnung erlaſſen worden, nachdem vorher der Fünfetagenbau dort beſtand, und als unſer Syndi⸗ kus und unſer Oberbürgermeiſter verſuchten, vom Mi⸗ niſterium nur einen kurzen Aufſchub bis zum Erlaß der Bauordnung zu erreichen, damit wir inzwiſchen unſere Pläne einreichen konnten, wurde uns das rund⸗ weg abgelehnt; es hieß: wenn ihr ſpäter kommt, wird ſich darüber unterhandeln laſſen, jetzt nicht. Wenn wir nun an dasſelbe Miniſterium gehen, das rundweg abgelehnt hat, die beſtehende Bauordnung zu erhalten, und das uns weiterhin bei den Plänen, die wir vor⸗ gelegt haben, geſagt hat: ſo wird es auch noch nichts, ihr müßt noch da und da nachgeben, — wenn wir jetzt mit der Bitte zu dem Miniſterium kommen: laßt alles, wie es geweſen iſt — ſo bekommen wir d nicht nur glatt einen Korb, ſondern es wird uns höchſt wahrſcheinlich geſagt werden: wenn ihr aus der Luke pfeift, dann laſſen wir unſere Villenbauordnung be⸗ ſtehen. Würden wir alſo auf die Petition eingehen, ſo würden wir uns nicht nur ſelbſt ſchaden, ſondern