Sitzung vom 6. März 1912 liegt, dann Zwei⸗, Dreietagenhäuſer, die ſich dadurch auszeichnen, daß nach der Spandauer Chauſſee hin⸗ über Zettel heraushängen: hier ſind möblierte Stuben zu vermieten. Es ſieht noch viel ſchlimmer aus: es hängt ſchmutzige Wäſche zum Trocknen heraus! Da⸗ zwiſchen liegen zwei Kutſcherkneipen, Tanzlokale, es ſind Schaukeln an die Bäume gebunden, und ſchließ⸗ lich endet die Bebauung bei dem Etabliſſement Moritz im Oſten. Das iſt alſo das „Villengebiet“, das even⸗ tuell erhalten werden kann. Nach meiner feſten Ueberzeugung wird das ewig ſo bleiben — nicht ewig, aber recht lange. Ein Beiſpiel dafür iſt die Bismarck⸗ ſtraße: auf der einen Seite iſt ſie anſtändig geworden. Dieſe würde zu vergleichen ſein mit der Nordſeite der Spandauer Chauſſee, die höchſtwahrſcheinlich, ziemlich ſicher, anſtändig werden wird; dann haben Sie die andere Seite der Bismarckſtraße mit den — ich glaube, ich kann ſagen, Baracken, den alten Char⸗ lottenburger Häuſern, die da noch ſtehen, die zum Teil jeder Beſchreibung ſpotten. Es wurde ange⸗ nommen, ſie würden ſchnell heruntergeriſſen werden, wenn auf der andern Seite eine gute Bebauung ein⸗ ſetzte. Aber die alten Häuſer haben immerhin noch einen gewiſſen Wert, der die Bauſtelle ſo teuer macht, daß das Herunterreißen unrationell wäre. Genau dasſelbe haben wir auf dieſen Blocks. Da ſteht auch — ich ſage wieder: Baracken, Gerümpel, das nicht verſchwinden wird, weil das Terrain zu teuer wird, wenn Dreietagenhäuſer abgeriſſen werden müſſen, um Villenbauſtellen zu werden. Die Spandauer Chauſſee iſt eine Verkehrsſtraße, ſie wird es immer mehr werden, und an die Verkehrsſtraße werden nach meiner Ueberzeugung nie Villen gelegt werden; ſie können da nicht entſtehen, weil kein Menſch an einer Verkehrsſtraße eine Villa baut, die doch eigentlich den Zweck hat, Ruhe zu bieten. Weshalb iſt denn gerade dieſes Stück von ganz Weſtend das allerver⸗ lorenſte und traurigſte? Weil ſchon bei Begründung der Villenkolonie vor 40 Jahren jeder wußte: das iſt das ſchlechteſte Stück von Weſtend, da iſt der ganze Trubel des Verkehrs nach Spandau. Da haben ſich die kleinſten Leute angeſiedelt, die Leute, die ſich nicht eine Villa ſchaffen wollten, ſondern die ihr Haus mehr als Kapitalsanlage betrachteten, das ihnen möglichſt hohe Renten bringen ſollte. Genau das, was ich für die Zukunft befürchte, wird durch die Verhältniſſe bewieſen, die ſeit Anfang in Weſtend beſtanden. An der Spandauer Chauſſee kann nach meiner Anſicht nicht Villenbau entſtehen. Jeder ſucht in der Villa Ruhe, geht aber nicht mit ihr an die Verkehrsſtraße. Meine Herren, dies iſt mein Standpunkt, der, wie ich Ihnen ſchon ſagte, von der Mehrheit der Tief⸗ baudeputation nicht geteilt worden iſt. Ich halte ihn aber doch für ſo beachtenswert, daß wir uns vielleicht in der Ausſchußſitzung darüber klar werden können, ob die Gründe, die ich angeführt habe — oder einige der Gründe von mehreren, die ich noch habe —, ſtich⸗ haltig ſind oder ob ſie zu verwerfen ſind. Ich würde Sie bitten, mit mir dahin zu entſcheiden, dieſe Vor⸗ lage in einen Ausſchuß zu ſchicken. Da ich ſie für wichtig genug halte, um eine große Beteiligung des Ausſchuſſes zu rechtfertigen, ſo ſchlage ich einen Fünf⸗ zehnerausſchuß vor. Ich bitte Sie, dem zuzuſtimmen. Stadtv. Wagner: Meine Herren! Es iſt das gute Recht des Referenten, ſeine perſönliche Anſicht hier zum Ausdruck zu bringen. Da dieſe aber, bevor der Ausſchuß zuſammentritt, in die Oeffentlichkeit gelangt, ſo halte ich es doch für richtig, auch die gegen⸗ teilige Anſicht in die Oeffentlichkeit zu bringen, die 91 damals in der Tiefbaudeputation von der Mehrheit der Deputationsmitglieder von dem Herrn Ober⸗ bürgermeiſter, dem Herrn Stadtſyndikus und ver⸗ ſchiedenen maßgebenden Herren der Deputation ge⸗ teilt und geäußert worden iſt. Wir hatten das Ge⸗ fühl, daß, wenn eine viergeſchoſſige Hochbaumaske an der Spandauer Chauſſee vor Altweſtend vorgelegt würde, dies der erſte Anfang wäre, um dieſe Luft⸗ quelle und Lunge der Stadt Charlottenburg an dieſer Stelle abzuſchneiden und gewiſſermaßen, wenn man das erſte Stück erſt abgeſchnitten hat, allmählich ganz Altweſtend zu ruinieren. (Sehr richtig!) Die Herren, die nach Altweſtend hinausgezogen ſind, ſich dort eine Villa gebaut haben, um dort in Ruhe zu leben, haben ein Recht darauf! Sie ſind die erſten geweſen, die dort auf den Gedanken gekommen ſind. Die Spekulanten folgten erſt ſpäter nach. Ihnen ſoll nun eine Maske vorgelegt werden, ſie ſollen in die Hinterhäuſer hineinblicken! Denn, meine Herren, das läßt ſich nicht vermeiden, wenn dort erſt hohe Häuſer gebaut werden. Wir können nicht die baupoli⸗ zeilichen Beſtimmungen ſo zuſammenſchneiden, daß wir vorſchreiben: das Hinterhaus ſoll eine ſchöne Faſſade bekommen. Sie ſehen über die Bäume hinweg in die Hinterhäuſer hinein, und die ſchrecklichen Verhältniſſe, die uns Herr Kollege Harniſch an der Ecke von vorn geſchildert hat, werden ſich für die Bewohner von Altweſtend von hinten zeigen. Dort werden Kleider getrocknet werden, dort wird man Wäſche heraushängen ſehen, und den Bewohnern von Altweſtend wird nichts übrig bleiben als auszuziehen. Es wird dann auch ſchließlich ein Hochbauviertel werden, und wir werden damit unſerer Stadt keinen Vorteil bringen. Ueberall wird jetzt verſucht, z. B. durch die Gartenſtadt Froh⸗ nau und was ich Ihnen ſonſt noch nennen könnte, eine weite Bebauung zu ſchaffen. Wir zerſtören durch ſolch Vorgehen die Entwicklung der wenigen weiten Bebauung, die noch vorhanden iſt; wenn wir den Vorſchlägen des Herrn Harniſch folgen, ſo rui⸗ nieren wir uns das Gebiet von Altweſtend — und, meine Herren, von den dortigen Bergen kommt die gute Luft in die Stadt —, wir nutzen auch nicht den Steuerzahlern. Die dort ihre Villen haben, bringen der Stadt doch auch gewiſſe Vorteile. Ich glaube, daß ſich im Laufe der Zeit ſolche Zuſtände mit den jetzt noch wenig ſchönen Häuſern, wie ſie eben ge⸗ ſchildert worden ſind, auch von allein regeln laſſen werden. Das iſt vielleicht ein Punkt, wo die Stadt einſetzen kann, um für ſich Grundſtücke zu erwerben, was nicht unmöglich iſt. Auch an andern Stellen gab es ähnliche Schandflecke, in Berlin wie bei uns, die allmählich ausgeräumt wurden. Aber man ſoll nicht das Kind mit dem Bade ausſchütten. Stadtſyndikus Dr Maier: Ich möchte gegenüber den Ausführungen des Herrn Referenten auch vom Magiſtratstiſche aus hervorheben, daß ſich der Ma⸗ giſtrat in ſeiner großen Mehrheit auf den Standpunkt geſtellt hat, daß von der landhausmäßigen Bebauung in Altweſtend nicht abgewichen werden ſoll. An und für ſich ſind ja die Gemeindekörperſchaften überhaupt nicht zuſtändig, dieſe Frage zu entſcheiden. Sie werden nur indirekt durch den Bebauungsplan hier⸗ mit beſchäftigt. Die Rechtslage iſt folgende. Für Altweſtend gilt die Bauordnung von 1892, d. h. die landhausmäßige Bebauung, die urſprüng⸗