104 Material iſt der Stadtverordnetenverſammlung bis jetzt noch nicht zugegangen. Den beiden vorhin ge⸗ nannten Deputationen iſt es bereits vorgelegt wor⸗ den, und auf eine Anfrage im Etatsausſchuß hat der Dezernent des Magiſtrats die Erklärung abgegeben, daß es demnächſt auch der Stadtverordnetenverſamm⸗ lung zugehen werde. Da es inzwiſchen noch nicht ge⸗ ſchehen iſt, ſo hoffe ich, daß der Magiſtrat dieſe Er⸗ klärung auch heute hier im Plenum wiederholen wird. Sachlich habe ich noch zu bemerken, daß die Be⸗ ſtimmungen über die Erteilung des Nachhilfeunter⸗ richts eine Reviſion und wie ich wohl ſagen darf — eine Verbeſſerung durch die Deputationen erfahren haben. Im Zuſammenhange mit dieſen Erörterungen iſt im Etatsausſchuß darauf hingewieſen worden, daß im preußiſchen Abgeordnetenhauſe von einer Stelle ausgeſprochen wäre, die Stadt Charlottenburg habe mit ihren Reformen auf dem Gebiete des Gemeinde⸗ ſchulweſens ungünſtige Erfahrungen gemacht und denke daran, die ganzen Reformen aufzuheben. Es iſt der ausdrückliche Wunſch des Etatsausſchuſſes, daß dieſer falſchen Darſtellung hier entgegengetreten wird, und ich tue das, indem ich ausſpreche, daß die Stadt Charlottenburg keinerlei Urſache hat, die bisher beſchloſſenen Reformen aufzuheben, da die Erfahrun⸗ gen, die damit gemacht worden ſind, im großen und tomen als durchaus günſtig bezeichnet werden önnen. Stadtv. Schwarz: Meine Herren, ich ſchließe mich perſönlich dem Wunſche des Kollegen Otto an, daß wir recht bald eine Aufſtellung über den Nach⸗ hilfeunterricht bekommen. Ich gehe aber weiter. Be⸗ reits im Etatsausſchuß des vorigen Jahres iſt dem Herrn Stadtſchulrat der Wunſch ausgedrückt worden, eine ſtatiſtiſche Aufſtellung über dieſen Nachhilfe⸗ unterricht zu bekommen. Dem Etatsausſchuß dieſes Jahres hat dieſer Bericht noch nicht vorgelegen. (Hört! hört!) Meine Herren, ich erkenne gern an, daß mit dem Dezernat für das Schulweſen eine große Arbeitslaſt perbunden iſt; aber bei den gewaltigen Summen, die wir für den Schuletat aufbringen, iſt es notwen⸗ dig, daß wir genau zu kontrollieren vermögen, wie es mit den Koſten ſteht. Nehmen Sie das Kapitel III zur Hand, ſo finden Sie, daß unter A, fortdauernde Ausgaben, in Abſchnitt 3 Gemeindeſchulen — unter Nr. 3 eine Rechnung aufgemacht iſt, welche die Koſten des Nachhilfeunterrichts insgeſamt mit 104 767 ℳ beziffert. Davon werden 22 % in Abſatz gebracht, ſo daß hier als Sollbetrag für das Jahr 1912 tat⸗ ſächlich 81 718 % in den Etat eingeſtellt ſind; es ſind alſo 23 049 ℳ abgezogen. Ich glaube, das iſt eine roſenfarbige Rechnung, und ich habe gegen die Richtigkeit dieſer Rechnung die allerernſteſten Beden⸗ ken. Aus folgenden Gründen. Hier heißt es: „Hiervon werden infolge Ausfalls einzelner Stunden erſpart“. Dieſer Ausfall wird bedingt zum Beiſpiel durch den neuen Lehrplan, der eine Stundenermäßigung in etwa drei Klaſſen vorſieht, wie ſie auch in Wilmersdorf und Schöneberg ſtattfindet. Aber wir ſparen dadurch nichts. Denn einmal macht die ſtärkere zflichtſtundenermäßigung der Lehrkräfte „fliegende“ Lehrer und Lehrerinnen nötig, an die zu zahlen iſt. Zweitens konnten früher Lehrkräfte durch Klaſſen⸗ kombinationen in Turnen und Singen erſpart wer⸗ d richt in den B⸗Klaſſen am Sitzung vom 4. März 1912 den; dieſe Kombinationen in Turnen und Singen aber verbietet der neue Lehrplan. Dadurch brauchen wir mehr Lehrkräfte, erwachſen uns neue Koſten. Drittens ſind auch die Rektoren entlaſtet worden; die dadurch nötig gewordene Vertretung koſtet auch Geld. Endlich verteuern (in Kapitel II1 A, fortdauernde Ausgaben, Abſchnitt 1 Nr. 7 Jugendſpiele unter Erläuterungen B Gemeindeſchulen 2 —) Spiel⸗ ſtunden für die 85 unterſten Klaſſen — die VII. Klaſ⸗ ſen —, die in die Pflichtſtunden hätten einbezogen werden können, den Unterricht um 5100 %. Auch an die infolge Einrechnung von Nachhilfeſtunden bei erkrankten, beurlaubten uſw. Lehrkräften erhofften Erſparniſſe kann ich nicht glauben. Geſetzt, eine ſolche Lehrkraft gäbe ſtatt 28 nur 18 Pflichtſtunden, und in dieſe würden drei Nachhilfeſtunden (unbezahlte natürlich) eingerechnet, dann gäbe dieſe Lehrtraft von den ihr obliegenden 18 nur 15 Pflichtſtunden. Die an der ſtundenplanmäßigen Zahl fehlenden drei Pflichtſtunden müßten durch eine Vertretung gegeben, dieſe Vertretung aber müßte bezahlt werden. Ich glaube alſo nicht an die 22 % Abzug und fürchte, wir müſſen uns darauf gefaßt machen, daß wir hier eine Nachforderung bekommen werden. Aber mehr als der Nachhilfeunterricht im allge⸗ meinen liegt mir im beſonderen der Nachhilfeunter⸗ Herzen, und ich wünſche, über dieſen eine recht genaue Auskunft zu erhalten. In den Theſen des Charlottenburger Lehrervereins heißt es an der Spitze, den Nachhilfeunterricht be⸗ treffend: „Der Nachhilfeunterricht iſt geeignet, normal befähigten, geſunden Kindern, die aus vorübergehen⸗ den Urſachen zurückgeblieben ſind, eine weſentliche Förderung zu gewähren.“ Die Schularztberichte — die uns leider ſehr ſpät zugegangen ſind, ſo daß meines Erachtens die Hälfte der Mitglieder der Schuldeputation ſie noch nicht zu Geſicht bekommen hat — bezeichnen aber die Kinder der B⸗Klaſſen als trank, zum Teil als ſehr krank. Herr Stadtrat Gott⸗ ſtein ſagte uns in einer Schuldeputationsſitzung, daß die überwiegende Mehrzahl der Schulärzte auf dem Standpunkte ſtehe, die Kinder in den B⸗Klaſſen dürf⸗ ten einen Nachhilfeunterricht nicht haben. Noch weiter geht der Bericht eines Schularztes, der ſagt: „Ich fann nur wiederholen, daß mir der Nachhilfeunterricht nur da angängig erſcheint, wo ein Kind aus einem andern Unterrichtsſyſtem kommt und Lücken aufweiſt oder infolge von Krankheit längere Zeit gefehlt hat, beides aber auch nur dann, wenn die Kinder körper⸗ lich genügend kräftig ſind, um den Mehranforderun⸗ gen ſtandzuhalten. Eine Ueberanſtrengung geſund⸗ heitlich ſchwacher und infolgedeſſen in ihren Leiſtungen mangelhafter Kinder, nur zu dem Zwecke, um ein Sitzenbleiben zu verhindern, halte ich für verwerf⸗ lich und befinde mich darin in völliger Ueberein⸗ ſtimmung mit ſämtlichen Kollegen.“ Meine Herren, dieſe Schularztberichte bieten ein überaus wertwolles Material. Es ſind gravierende Zahlen, die da genannt werden. Ich habe mir eine ſtatiſtiſche Ueberſicht aller einzelnen Zahlen der ge⸗ ſamten Schularztberichte von Charlottenburg zuſam⸗ mengeſtellt. Danach kommt vor allen Dingen Anämie oder Blutloſigkeit in Betracht. Es folgt Skrophuloſe, um von Rhachitis und den Erkrankungen des Naſen⸗ rachenraumes zu ſchweigen; vorher geht aber noch Wirbelſäulenverkrümmung in erſchreckender Häufig⸗ keit. Dieſer Wirbelſäulenverkrümmung ſoll unſer orthopädiſcher Unterricht zu Hilfe kommen, der in noch ſehr verſtärktem Maße gewünſcht wird, weil er ſehr ſegensreich wirkt. Die Wirkung aber dieſes