Sitzung vom 6. März 1912 Ferner aber werden und da komme ich nun auf das Intereſſe der Städte an einer ſolchen Geſell⸗ ſchaft zu ſprechen unzweifelhaft durch die Mög⸗ lichkeit, ſich ein eigenes Stück Land unter die Füße zu bringen, viele Leute vom Lande abgehalten, in die Städte zu ziehen, das Proletariat darin zu ver⸗ mehren, die Armenlaſten zu vergrößern und alle die Schwierigkeiten herbeizuführen, die mit dem Zuzug eines großen ungelernten Proletariats in die Städte unzweifelhaft verbunden ſind. Darum haben auch die Städte ein großes Intereſſe daran, daß ſolche Landgeſellſchafren gegründet werden, die eine Reihe von Bauernſtellen durch Zerſchlagen von großen Gütern ſchaffen. Charlottenburg hat nun ein nicht ſo ſtarkes unmittelbares Intereſſe wie die kleineren und mittleren Städte im Regierungsbezirke Frank⸗ furt a. Oder, und daher beantrage ich auch, entgegen dem Vorſchlage des Magiſtrats, hier nur 5000 t, gewiſſermaßen als eine Anerkennung 5⸗ gebühr für die gute Idee, die in der Landgeſell⸗ ſchaft liegt, zu bewilligen. Wenn wir dieſe Summe bewilligen, ſo iſt das nicht à fonds perdu gegeben, ſondern es wird — wie ich ſchon vorhin ausführie — eine Dividende gezahlt, und im vergangenen Jahre hat ſich bereits eine Dividende von 4% bei der Ge⸗ ſellſchaft ergeben. Ich meine, meine Herren — und damit will ich ſchließen —: eine Stadt wie Charlottenburg hat, natürlich in angemeſſenem Rahmen, auch allge⸗ meine ſoziale Pflichten zu erfüllen, die über die Grenzen der Gemeinde hinausgehen, und zur Förderung des Staatsganzen mit beizutragen. Des⸗ halb möchte ich Sie bitten, dem Antrage zuzuſtimmen. Stadtv. Dr Byk: Ein Schmerzenskind in un⸗ ſerem Etat ſind die Provinzialſteuern, welche in dieſem Jahre 1 737 000 ℳ betragen. Wie der Herr Kämmerer in ſeiner Etatsrede hervorgehoben hat, ſind wir ja auf dieſe Ausgabe einflußlos. Um ſo mehr hat es mich gewundert, daß der Herr Käm⸗ merer, wie wir heute in den Zeitungen geleſen haben, geſtern im Provinziallandtag die Vorlage, die be⸗ zweckt, eine Million für die Lebensverſicherung zu be⸗ willigen, ſo warm befürwortet hat. Ich muß ſagen, wir haben doch ſo hervorragende private Lebensver⸗ ſicherungsgeſellſchaften, und da iſt es nicht recht ver⸗ ſtändlich, daß man dieſen privaten Geſellſchaften, die doch vorzüglich fundiert ſind und von den Aufſichts⸗ behörden genügend kontrolliert werden, Konkurrenz machen will. Aber um ſo mehr hat es mich gewundert, daß dieſer neu zu gründenden Lebensverſicherung ein Dahrlehn von eine Million auf ſechs Jahre zinslos bewilligt werden ſoll. Dadurch iſt dieſer Lebensver⸗ ſicherungsgeſellſchaft Jahr für Jahr ein Geſchenk von 40 000 ℳ gemacht worden. Dieſe 40 000 ℳ belaſten natürlich den Etat des Provinzialverbandes ziemlich erheblich und damit auch ſchließlich unſern Etat. Ich glaube, daß der Zweck des ganzen Vorgehens bei dieſer Vorlage iſt, den kleineren und mittleren Städten Geld zu verſchaffen für Anleihen, und ich verſtehe das um ſo weniger, als doch von der Regie⸗ rung jetzt immer empfohlen wird, die Ausgaben nach jeder Richtung hin und vor allen Dingen die An⸗ leihen einzuſchränken. Stadtrat und Kämmerer Scholtz: Meine Herren! Die Tätigkeit im Provinziallandtag ſteht ja hier in dieſem Saale nicht zur Beratung (Oho!) 119 und Sie können jedenfalls nicht verlangen, daß man Ihnen hier einen Vortrag über die öffentlich⸗rechtliche Lebensverſicherung hält. Wenn Sie es aber wünſchen, bin ich gern bereit, Ihnen den ein⸗ bis eineinhalb⸗ ſtündigen Vortrag, den ich geſtern im Provinzial⸗ benns gehalten habe, ſofort noch einmal zu rekapitu⸗ ieren. (Heiterkeit und Rufe: Nein!) — Es ſcheint kein allgemeines Verlangen danach zu ſein; (Zuruf: Doch!) deshalb will ich nur ganz kurz folgendes bemerken. Meine Herren, über dieſe Frage die ſich nicht ſo einfach abtun läßt, wie der Herr Vorredner es getan hat, indem er ſagte: „Wir haben ſehr gute private Verſicherungsgeſellſchaften“ — hat zunächſt einmal eine Kommiſſion getagt, und zwar ungefähr ſteben Stunden lang. Die Frage iſt ſehr eingehend geprüft worden. Dabei hat man die Tätigkeit der privaten Lebensverſicherungsgeſellſchaften aufs aller⸗ wärmſte anerkannt, und trotzdem hat man, obgleich anfangs auch Bedenken bezüglich der Notwendigkeit der Einrichtung vorhanden geweſen ſind, dieſe Frage in der Kommiſſion bejaht. In der Kommiſſion habe ich nicht allein geſeſſen, ſondern es haben ihr auch ſehr ſachverſtändige und ſehr erfahrene Leute aus allen möglichen Branchen angehört, und zwar nicht bloß, wie Sie etwa glauben könnten, Agrarier, die uns nun überſtimmt hätten, ſondern im Gegen⸗ teil, wenn ich nicht irre, iſt nur ein einziger Herr — oder waren es zwei — vom Lande darin geweſen, alle anderen waren Vertreter von Städten. Und aus der Tatſache, daß die Vorlage faſt einſtimmig ange⸗ nommen worden iſt, können Sie entnehmen, daß, nachdem die Notwendigkeit der Vorlage bejaht und nachdem die anderen Fragen und Bedenken ohne weiteres geklärt worden ſind, auch anerkannt worden iſt, daß die Vorlage nicht nur für das platte Land, ſondern auch für die kleinen, für die mittleren und für die großen Städte tatſächlich ihren Nutzen und ihren Erfolg haben wird. Da Sie nicht einen längeren Vortrag über die Sache hier wünſchen, ſo bin ich gern bereit, dem Herrn Vorredner das ausführliche Material zur Verfügung zu ſtellen, damit er ſich in einer ſtillen Stunde nun etwas ausgiebiger damit beſchäftigt, und ich habe die felſenfeſte Ueberzeugung: wenn er ſich damit beſchäf⸗ tigt, und zwar ſo ausgiebig, wie die Kommiſſion es getan hat ſieben Stunden lang! —, dann wird er ſicher zu der Meinung kommen, daß das, was geſtern im Provinziallandtage beſchloſſen worden iſt, etwas Segensreiches iſt. Jedenfalls ſind im Provin⸗ ziallandtag, wie ich noch einmal hervorheben möchte, faſt alle Vertreter darüber einig geweſen, und zwar die ländlichen ebenſo gut wie die ſtädtiſchen. Ich glaube, ich kann mich auf dieſe Bemerkungen be⸗ monng. und ſtehe Ihnen im übrigen gern zur Ver⸗ ügung. Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren, ich komme auf den Antrag des Kollegen Erdmanns⸗ dörffer zurück und möchte zunächſt betonen, daß ja die Stadt Charlottenburg zu den zwei Millionen, die der Provinziallandtag für die „Eigene, Scholle“ zur Verfügung geſtellt hat, etwa 170 000 ℳ beträgt. Wir partizipieren alſo jetzt an der „Eigenen Scholle“ indirekt allerdings, noch nicht direkt — mit etwa 170 000 ℳ. Das iſt ein Betrag, der ziemlich hoch