120 iſt. Unſere Vertreter im Provinziallandtage haben, ſoviel mir bekannt iſt, auch für dieſe zwei Millionen geſtimmt. (Zuſtimmung.) Alſo damit haben wir auch ſchon unſere Zuſtimmung zu dem ganzen Werke zum Ausdruck gebracht. Nun ſchätze ich derartige Beſtrebungen, wie Sie die „Eigene Scholle“ in Angriff nehmen will, ſicherlich ebenſo hoch wie der Kollege Erdmannsdörffer; das habe ich ja ſchon oft genug hier betont. Die innere Koloniſation hat auch für die Städte eine ganz außerordentlich hohe Be⸗ deutung; das iſt gar keine Frage. Ich bin der wärmſte Freund einer derartigen inneren Koloni⸗ ſation. Ich würde aber ſehr gern, trotzdem die Stadt Charlottenburg bereits 170 000 ℳ zugeſteuert hat, auch die Etikette auf die Flaſche ſetzen und ſagen: es empfiehlt ſich, daß die Stadt Charlottenburg auch noch einen beſonderen Beitrag gibt, um nach außen hin mehr zu dokumentieren, daß die Stadt Charlotten⸗ burg eim derartiges Werk für gut hält. Aber, meine Herren, ich möchte ja eben, daß die Stadt Charlotten⸗ burg das wirklich tut, daß ſich alſo eine Mehrheit in der Verſammlung dafür findet. Aus dieſem Grunde wurde im Etatsausſchuß angeregt, daß der Magiſtrat uns eine beſondere Vorlage über die „Eigene Scholle“ machen ſollte, vielleicht nach einigen Monaten, wo gewiſſe Verhältniſſe ſich geklärt haben, die anſchei⸗ nend augenblicklich noch nicht ganz geklärt ſind; ich will nicht näher auf dieſe Verhältniſſe eingehen. Da⸗ her möchte ich den Herrn Antragſteller bitten, gerade in ſeinem Sinne, um eine Zuſtimmung zu erhalten, im Intereſſe der „Eigenen Scholle“ für heute ſeinen Antrag zurückzuziehen. Ich bin überzeugt, daß wir für eine eigene, beſondere Vorlage des Magiſtrats in einigen Monaten eine ſtarke Majorität hier in der Stadtverordnetenverſammlung bekommen würden. Sollte der Antragſteller dieſem meinem Wunſche nicht folgen, dann würde ich für meine Perſon — ich glaube, auch einige meiner Fraktionsfreunde mit mir — heute ſeinem Antrage zuſtimmen. Ich fürchte aber, die Majorität der Verſammlung wird heute vielleicht nicht dafür zu haben ſein. Bürgermeiſter Matting: Wenn es gewünſcht werden ſollte, würde der Magiſtrat natürlich gern be⸗ reit ſein, eine beſondere Vorlage zu dieſem Zwecke noch einmal zu machen; er würde allerdings im weſentlich dann wohl Bezug nehmen müſſen auf die Vorlage, die er bereits am 30. Januar der Verſamm⸗ lung hat zugehen laſſen, die zwar von dem Herrn Antragſteller nicht ſehr günſtig beurteilt worden iſt, nach meiner Meinung aber nicht Veranlaſſung gibt zu den Ausſtellungen, die er daran geknüpft hat. Aber das nur ganz nebenbei. Es ſteht nun einmal dieſer Antrag Erdmannsdörffer zur Debatte, und ich nehme gern dazu Stellung. 4 Ich möchte dem Herrn Antragſteller dafür danken, daß er dem Magiſtrat Gelegenheit gegeben hat, hier im Plenum ſeine Stellung zur „Eigenen Scholle“ zu begründen und Ihnen die Beteiligung an dieſem Unternehmen warm zu empfehlen, wie er es auch in der Vorlage getan hat. Nach meiner Meinung hat der Herr Antragſteller — wie ich ſchon andeutete — aus einigen nur nebenhergehenden Be⸗ merkungen der Vorlage mehr abgeleitet, als was im Sinne des Magiſtrats aus ihr abgeleitet werden ſollte. Ich glaube nämlich, daß der Herr Antrag⸗ ſteller die Vorlage des Magiſtrats teilweiſe ident⸗ Sitzung vom 6. März 1912 fiziert hat mit dem Vortrage, den der Regierungs⸗ präſident von Schwerin auf dem Städtetage gehalten hat. Von der Degenerierung der Bevölkerung in den großen Städten ſteht ſehr wenig in unſerer Vorlage, aber ſehr viel in dem Vortrage des Herrn von Schwerin. Wir haben, wenn ich die Vorlage richtig leſe — ſie im weſentlichen mit denſelben Geſichts⸗ punkten begründet wie der Herr Antragſteller. Viel⸗ leicht darf ich einige Stellen daraus verleſen. Es heißt darin: Abgeſehen von den nationalen Folgen (Ab⸗ nahme der Wehrkraft uſw.), die in erſter Linie den Staat angehen, intereſſieren die Städte beſonders die wirtſchaftlichen Folgeerſcheinungen jenes Vorganges: das Land einerſeits verliert allmählich ſeine Bebauer, und zwar ſowohl die deutſchen Landarbeiter wie die deutſchen Kleinbauern, die in weiten Teilen des Oſtens ſchon ſo gut wie ganz verſchwunden ſind; die Städte andererſeits werden überſchwemmt mit gelernten und mehr noch mit ungelernten Arbeitskräften, die nicht mehr, wie früher, in Zeiten des wirtſchaftlichen Niederganges oder der vorübergehenden Ar⸗ beitsloſigkeit auf das Land und in die Land⸗ ſtädte zurückſtrömen können, weil ihnen dorr das Betätigungsfeld verloren gegangen iſt; es mangelt alſo an dem früher allgemein üb⸗ lichen, ungemein regulierend wirkenden Aus⸗ tauſch der Arbeitskräfte zwiſchen Stadt und Land, Großſtadt und Landſtädten. Die Maſſen bleiben in den Städten ſitzen und erzeugen dort Arbeitsloſigkeit wie Wohnungsmangel in zeit⸗ weilig erſchreckendem Maße mit all dem daraus entſpringenden Elend. Und an einer anderen Stelle heißt es: Die Antwort auf die Frage, wie hier zu helfen iſt, ergibt ſich leicht aus der Urſache der Entvölkerung: es fehlt an Lan d, an der jedem Geſundempfindenden erſehnten eige⸗ nen Scholle ſowohl für den Landar⸗ beiter wie für den Kleinbauern. Beiden Kategorien enthält der im Oſten herr⸗ ſchende Großgrundbeſitz das Stück Landes vor, ohne daß ſie auf dem Lande — die eine nicht 14 will, die andere nicht beſtehen an n. Dann iſt auch ausdrücklich betont, welche Folge⸗ erſcheinungen für das Zerſchlagen großer Güter ge⸗ rade die von der „Eigenen Scholle“ in die Wege ge⸗ leitete Parzellierung hat, und daß das Zerſchlagen der großen Güter ja eine allgemein anerkannte Not⸗ wendigkeit der inneren Koloniſation iſt. Meine Herren, Sie finden alſo drei ſehr wichtige Geſichts⸗ punkte, die der Herr Antragſteller für ſeinen Antrag ausgeführt hat, auch in unſerer Vorlage. 3 Wie wenig im übrigen die Tätigkeit der „Eigenen Scholle“ im Sinne gerade unſerer ultraagrariſchen Kreiſe iſt, werden Sie, glaube ich, daraus entnehmen, daß nach den Beobachtungen, die wir Vertreter unſerer Stadt im Provinziallandtage gemacht haben, gerade dieſe ultraagrariſchen Kreiſe die Tätigkeit der „Eige⸗ nen Scholle“ unfreundlich betrachten und, ohne es zu⸗ geſtehen zu wollen, verſuchten, dieſer Organiſation möglichſt kleine Schwierigkeiten zu machen und Steck⸗ nadelſtiche zu verſetzen. Das kam in einem Antrage zum Ausdruck, der ſich auf die Zuſammenſetzung des