Sitzung vom 13. März 1912 wenn ſie glauben, daß wir unſern Antrag aus agi⸗ tatoriſchen Gründen geſtellt haben. Das haben wir nicht nötig. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Unſer Antrag iſt durchaus ſachlich, und ich glaube, auch die Begründung meines Freundes Wilk hat zu ſolchen Aeußerungen keinen Anlaß gegeben. Der Herr Vertreter des Magiſtrats meint, daß die Frage ja erſt im Jahre 1918 wieder akut iſt. Ich darf aus dieſer ſeiner Antwort wohl den Schluß ziehen, daß er nichts dagegen hat, wenn wir im Fahre 1917 zu geeigneter Zeit den Antrag wieder einbringen, und daß der Magiſtrat dann ſelbſt für unſern Antrag ſtimmen wird — vorausgeſetzt. daß er nicht ſchon vorher eine Anordnung im Sinne unſeres Antrages getroffen hat. Dann meint der Vertreter des Magiſtrats, das Publikum ſei durchaus nicht befremdet geweſen, denn der Anſchlag ſei ja ſchon einige Tage vorher in der Badeanſtalt zu ſehen geweſen. Ja, meine Herren, Sie dürfen doch nicht vergeſſen, daß die Beſucher der Anſtalt nicht jeden Tag baden gehen. Es gibt eine große Reihe von Einwohnern, die überhaupt nur des Sonnabends Zeit haben, baden zu gehen, und die wiſſen nicht, daß vielleicht Montag oder Dienstag mitgeteilt iſt, daß am Sonnabend die Badeanſtalt geſchloſſen iſt. Wenn der Herr Vertreter des Magiſtrats weiter ſagt, der Grund für ſein Vorgehen wäre einfach das Bedürfnis geweſen, meine Herren, ſo ſtimmt das nicht. Das Bedürfnis der Bevölkerung muß hier entſcheidend ſein, und das Bedürfnis der Bevölkerung verlangt es, daß gerade am Sonnabend die Bade⸗ anſtalt geöffnet iſt, und zwar bis zum Abend, wie auch ſonſt immer. Die Beſucher am Sonnabend rekrutieren ſich gerade aus Arbeiterkreiſen, aus ſolchen Kreiſen, die in ihren Wohnungen keine Badeein⸗ richtung haben, und die vielfach nur des Sonnabends in der Lage ſind, ein Bad zu nehmen. Darauf müßte man beſonders Rückſicht nehmen. Ganz beſonders gewundert hat mich aber die Haltung des Herrn Kollegen Stadthagen. Nicht etwa, daß er gegen unſern Antrag iſt — wir haben nicht erwartet, daß er für unſern Antrag ſein wird —; (Heiterkeit) nein, daß er ſolche Gründe gegen unſern Antrag vorbringt. Er ſagt: wenn wir verlangen, daß aus denſelben Gründen auch das Gas⸗ und das Elektrizitätswerk geſchloſſen werden ſollte, ſo gehe das zu weit. Ja, Herr Kollege Stadthagen, da weichen wir in unſeren patriotiſchen Standpunkten weit von einander ab! Ich ſtehe auf dem Standpunkt, daß, wenn ſie die Badeanſtalt an Kaiſers Geburtstag ſchließen, Sie dann auch das Gaswerk und das Elek⸗ trizitätswerk ſchließen können; denn ſo weit wird doch Ihr Patriotismus gehen, daß Sie dann am nächſten Tage einmal im Dunkeln ſitzen können, namentlich wenn Sie am Tage vorher gründlich be⸗ leuchtet hatten. Der Grund, daß das Badeperſonal einmal frei haben ſoll, um Kaiſers Geburtstag feiern zu ſollen, iſt abſolut nicht ſtichhaltig. Wir gönnen dem Bade⸗ perſonal wahrhaftig die freie Zeit: aber dann ſorgen Sie dafür, daß es einen freien Sonntag oder auch einen freien Wochentag hat. Die Rückſicht auf das Publikum muß unbedingt vorangehen. 143 Es iſt ja zweifellos, daß Sie unſern Antrag ablehnen werden. Aber trotzdem halten wir ihn aus ſachlichen Gründen für berechtigt und proteſtieren nochmals nachdrücklich dagegen, daß wir agitatoriſche Zwecke damit verfolgen wollen. Stadtv. Wilk: Ich möchte Sie dringend bitten, meine Ausführungen nicht etwa als eine Agitations⸗ rede zu betrachten. Denn wir brauchen uns mit ſolchen Argumenten nicht zu beſchäftigen, um Agitations⸗ reden zu halten. 2 2 Wenn Herr Kollege Otto geſagt hat, daß ich mich in der Zeit geirrt habe, ſo gebe ich das zu. Das erſte Mal war es vielleicht ein Sprachfehler, wenn ich 12 Uhr ſagte und es nachher in 1 Uhr verbeſſerte. Wenn es in Wirklichkeit 3 Uhr geweſen iſt — nun, um 3 Uhr ſetzt ja eigentlich erſt die ſtarke Frequenz in der Badeanſtalt ein, und ich meine, ich habe am Schluß meiner Ausführungen ausdrücklich geſagt, daß ich mich lediglich aus den Gründen der Zweckmäßigkeit und des Bedürfniſſes leiten laſſe. Die Bedürfnis⸗ frage liegt ja tatſächlich ſchon darin, daß die großen Fabriken, die großen induſtriellen Etabliſſements ihre Betriebe ſchon um 3 Uhr nachmittags ſchließen. Dann gehen die Leute natürlich ſofort nach der Badeanſtalt, um da ein erfriſchendes Bad zu nehmen. In der Woche ſind ſie ja dazu nicht in der Lage; ſie arbeiten dann meiſtens durch und kommen ermüdet nach Hauſe, ſo daß ſie gar keine Gedanken dafür haben, die Badeanſtalt noch einmal aufzuſuchen. Lediglich das war für mich der Grund. Es wird mir hier von einem meiner Freunde noch geſagt, der die Verhältniſſe beſonders in der Zweigbadeanſtalt in der Danckelmannſtraße beob⸗ achtet hat: es iſt ganz zweifellos, daß die Leute dar⸗ über befremdet waren, daß die Badeanſtalt um 3 Uhr ſchon geſchloſſen war. Ich möchte Sie dringend bitten: faſſen Sie die Sache nicht ſo verkehrt auf, wie die Herren Kollegen Otto und Stadthagen es zum beſten gegeben haben, daß wir lediglich aus agitatoriſchen Gründen den An⸗ trag geſtellt haben. Die Gründe, die Sie vorgebracht haben, und der Grund, weshalb geſchloſſen iſt, iſt für uns höchſt gleichgültig, meine Herren. Für uns ſpielt nur — und das betone ich ausdrücklich nochmals das Bedürfnis eine Rolle. Ich möchte Sie daher drin⸗ ſgend bitten, meine Herren: ſtimmen Sie unſerem Antrage zu, laſſen Sie ſich eines Beſſeren belehren! (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Verſamm⸗ lung lehnt den Antrag der Stadtv. Bade und Ge⸗ noſſen ab.) Vorſteher Kaufmann: Meine Herren! Noch eine Veränderung betreffend den Ausſchuß über den An⸗ kauf des Grundſtücks in der Roſinenſtraße habe ich zu Ihrer Kenntnis zu bringen: an die Stelle des Herrn Kollegen Harniſch wünſcht Herr Kollege Kern zu treten. Wenn ich keinen Widerſpruch höre, ſo iſt die Stadtverordnetenverſammlung damit einver⸗ ſtanden. Es iſt ſo beſchloſſen. Wir kommen zum nächſten Punkt der Tages⸗ ordnung, Punkt 10: Vorlage betr. Benutzung der Brücke über den neuen Verbindungskanal und der Seeſtraße durch die Große Berliner Straßenbahn. Druckſache 72. Berichterſtatter iſt der Kollege Gredy. (Pauſe.)