146 hier geſagt wird, daß der Staat zwar für die Kolo⸗ nialkrieger zu ſorgen habe, ſeine Mittel jedoch nicht ausreichen, ſo ſehen wir trotzdem keine Veranlaſſung für die Kommune, hier einzugreifen und einen Be⸗ trag beizuſteuern, da wir ja noch genug vor unſerer eigenen Tür zu tun haben, um überhaupt den not⸗ wendigſten Anforderungen nachkommen zu können. Unſere Mittel reichen ja auch nicht aus, um unſeren Invaliden gerecht zu werden. In der Vorlage ſteht, daß das Geld dazu ver⸗ wendet werden ſoll, in Krankheitsfällen ärztliche Hilfe und Arzneien zu bezahlen. In unſerer Kommune hier in Charlottenburg iſt es ſo, daß, wenn unſere Arbeiter unbemittelt in ein Krankenhaus kommen und die Arzneikoſten nicht bezahlen können, ſie dann mit einer ſtrengen Strafe dadurch bedacht werden, daß ihnen das Wahlrecht genommen wird. Hier ſollte man zunächſt daran denken, tatkräftig einzugreifen. Wenn es ſich auch nur um 500 % handelt, ſo können wir nicht einſehen, warum die Kommunen eintreten ſollen, um den Kolonialkriegern eine Unterſtützung zu gewähren. Dieſen Leuten wird ja die Zeit, die ſie in den Kolonien verbringen. doppelt gerechnet, und ſie kommen faſt in allen Fällen als Militär⸗ anwärter zurück, als welche ſie ſofort Stellung er⸗ halten und dadurch ſchon weit beſſer geſtellt ſind als die Arbeiter. Wenn in der Vorlage geſagt wird, daß der Fonds dem Kaiſer zu ſeinem 25jährigen Regierungs⸗ jubiläum als Stiftung überreicht werden ſoll, ſo können wir eine Notwendigkeit hierfür nicht ein⸗ ſehen. Dann wird weiter darauf verwieſen, daß wir auch für das Seemannserholungsheim etwas gegeben hätten. Nun, das iſt ganz etwas anderes als hier dieſer Kolonialkriegerdank, da hier mehr die Allge⸗ meinheit in Betracht kommt und auch Angeſtellte der Kauffahrteiſchiffe einen Nutzen davon haben, wenn ſie verunglücken und nicht mehr imſtande ſind, ſich weiter zu ernähren, oder wenn ſie krank geworden ſind. Hier handelt es ſich aber um eine Pflicht des Staates und des Reichs; denn ſie haben für dieſe Krieger zu ſorgen. Maßgebend für unſere ablehnende Haltung iſt, daß wir zunächſt noch innerhalb unſerer Kommune reichlich für Unterſtützungen zu ſorgen haben, nament⸗ lich wenn man bedenkt, daß hier noch Gehälter von 1200, 1300 ℳ gezahlt werden, die doch lange nicht ausreichen, um eine Familie entſprechend zu ernähren. Wir bitten Sie, dieſe 500 ℳ nicht zu bewilligen. Stadtrat Seydel: Gegenüber den Ausführungen des Herrn Vorredners möchte ich nur kurz hervor⸗ heben, daß man nicht davon ſprechen kann, daß wir Pflichten des Reiches übernehmen, wenn wir 500 % für dieſes Unternehmen aufwenden. Wir hatten bei dieſer Vorlage die Abſicht, die gute Sache, die offen⸗ kundig hervortritt, zu unterſtützen, wie wir das ja auch ſeinerzeit bei dem Seemannserholungsheim ge⸗ tan haben. Ferner ſprach für uns noch folgender Geſichtspunkt mit: Wenn das Reich auch für ſeine invaliden und bedürftigen Kolonialkrieger und ihre Hinterbliebenen eintritt, ſo gewährt es doch — wie es bei jeder ſolchen Fürſorge üblich iſt — nur das Notdürftige. Ueber dieſes Notdürftige hinaus gibt es aber doch noch eine Reihe von Wünſchen und Be⸗ dürfniſſen, die man gern aus rein menſchlichen Grün⸗ den befriedigt. Solche Wünſche und Bedürfniſſe zu befriedigen, will auch dieſes Heim ſich angelegen ſein laſſen. Insbeſondere will es alten Kriegern, wenn Sitzung vom 13. März 1912 der Lage ſind, ſich ſelbſt zu unter⸗ halten, ein ſchönes Heim ſchaffen, in dem ſie in Ruhe und Zufriedenheit ihr Alter genießen können. Das geht zweifellos über das hinaus, was das Reich, wenn es auch noch ſo weit geht, zu gewähren verpflichtet iſt und gewähren wird. Ich bitte deshalb, dieſer guten Sache Ihre Hilfe nicht zu verſagen und das kleine Schärflein beizutragen. ſie nicht mehr in Stadtv. Erdmannsdörffer: Meine Herren! Meine Freunde möchten Ihnen anheim geben, der Regierungsvorlage zuzuſtimmen. (Heiterteit. Zuruf: der Regierungsvorlage?) — Pardon! Der Magiſtratsvorlage! Die Argumente des Herrn Kollegen Bade kann ich mir nicht in allen Punkten zu eigen machen. Vor allen Dingen war es abwegig von ihm, das Argument zu bringen, daß die Kolonialtrieger, wenn ſie in die Heimat zurück⸗ kehren, vielfach Militäranwärterſtellen erhalten und ſich dabei ſehr gut ſtehen. Ja, meine Herren, um dieſe Krieger handelt es ſich hier gar nicht, ſondern um erkrankte und malade Leute und nicht um ge⸗ ſunde Menſchen. Der Vorlage ſelbſt aber — und da nähern wir uns etwas der Auffaſſung des Herrn Kollegen Bade — tönnen wir doch nur mit gemiſchten Gefühlen gegenübertreten. Ein Satz der Vorlage lautet: Wenn auch der Staat für die Krieger ſorgt, ſo reicht doch in vielen Fällen die geſetzmäßige Fürſorge nicht aus, weil die zur Verfügung ſtehenden Mittel beſchränkt ſind. Meine Herren, wir ſind der Auffaſſung, daß an ſich die Regierung durchaus verpflichtet iſt, für dieſe Leute ausreichend zu ſorgen. Die Mittel hierfür haben eben nicht knapp zu ſein, ſondern die Leute müſſen ſo geſtellt ſein, daß ſie nicht nur gegen die äußerſte Not gewappnet ſind, ſondern ſie müſſen auch von Reichs wegen dann genügend unterſtützt werden, wenn die Krankheit ſich wieder einſtellt. (Zuſtimmung.) Wenn dieſe Leute, die für das Vaterland ihre Haut zu Markte getragen haben, malade und ſtrapaziert in die Heimat zurückkommen, ſo iſt es meines Erachtens die verdammte Pflicht und Schuldigkeit der Ne⸗ gierung, in ausreichender und groß⸗ zügiger Weiſe für ſie zu ſorge n. Es macht einen unangenehmen, um nicht z u ſagen unwürdigen Eindruck, wenn ſich erſt private Vereinigungen bilden müſſen, die nun in den Städten, bei Privaten uſw. herumbetteln müſſen — verzeihen Sie das harte Wort um Verpflichtungen zu übernehmen, die im Grunde ge⸗ nommen das Reich zu tragen hat. (Sehr richtig!) Wie liegen die Dinge? Man kann nicht einmal ſagen, daß die Kolonialkrieger an ſich beſonders ſchlecht geſtellt ſind. Die Angehörigen unſeres Land⸗ heeres ſind, wenn ſie invalide werden, ſchlechter ge⸗ ſtellt. Nach dem Mannſchaftsverſorgungsgeſetz non 1906 liegen die Dinge ſo, daß ein ganz invalider Landſoldat 540 % Penſion bekommen kann. Für hierher zurückkehrende ganzinvalide, Kolonialtrieger wird noch eine Zulage von 300 ℳ gegeben. Im Durchſchnitt iſt es ſo, daß die ganzinvaliden Kolonial⸗