147 Sitzung vom 13. März 1912 krieger monatlich 54 ℳ erhalten. Damit können die Leute keinesfalls, um mich einmal berliniſch auszu⸗ drücken, Fettlebe machen. Es iſt dann möglich, noch eine Verſtümmelungszulage zu erhalten, was aber ſehr ſchwer iſt, da die Anſichten darüber, was eine ausreichende Verſtümmelung iſt, innerhalb der Re⸗ gierungs⸗ und Aerztekreiſe ſehr verſchieden ſind. Wenn nun aber der Mann ſelbſt die ganze Penſion erhält, ſo tritt doch ſehr häufig der Fall ein, daß er ſie nur eine kurze Zeit behält, weil die ganze Invalidität ſpäter oft in eine halbe verändert wird, ſo daß nach ein oder zwei Jahren der betreffende Mann ſtatt der früheren 54 ℳ nur noch 34 %1 monatlich bekommt; zuweilen wird er ſpäter ſogar ganz geſund geſchrieben. Eine Eigentümlichkeit der Kolonialleiden iſt es nun aber, daß dieſe Krankheiten ſehr häufig nach einiger Zeit wieder auftreten; beſonders iſt das bei Dyſenterie, bei Herz⸗ und Lungenleiden der Fall. Unter Lungenkrankheiten leiden namentlich die Leute, die in Südweſtafrika die Transporte auf den endloſen Wegen zu Fuß haben mitbegleiten müſſen und dazu angeſtellt waren, die Eſel und Ochſen vorwärts zu treiben. Der ungeheure ſüdweſtafrikaniſche Staub, der ſich bei dieſen Transporten entwickelt, legt ſich ſo ſtark auf die Lungen, daß die Leute zu einem großen Prozentſatz an Lungenerkrankungen leiden. Viele dieſer Tropenkrankheiten melden ſich nach einiger Zeit wieder, und dann ſtehen die Leute meiſtenteils ohne Penſion da, und es iſt ſehr ſchwierig, ihnen aufs neue eine ſolche zuzubilligen. Für dieſen Zweck hat ſich nun dieſer Kolonial⸗ kriegerdank, eingetragener Verein, begründet. Es iſt an ſich durchaus richtig, daß die Regierung auch dann für dieſe Leute mit ausreichenden Unterſtützungen einzutreten hat, wenn ſie ſpäter wieder krank wer⸗ den, wenn ſich die Folgen der Tropenkrankheiten und des Feldzuges überhaupt einſtellen. Der Kolonial⸗ kriegerdank iſt im Jahre 1909 begründet worden. Er hat zuerſt, wie ich mir habe ſagen laſſen, etwas ſehr viel Verwaltungskoſten gehabt, ſo daß für ſeinen eigentlichen Zweck nicht allzu viel übrig geblieben iſt. Immerhin hat der Verein im erſten Jahre 900 %, im zweiten 4000 ℳ und im dritten bereits 10 000 ℳ an wirklichen Unterſtützungen verteilen können. Die oberſten Poſten in dieſem Kolonialkriegerdank ſind ehrenamtlicher Natur. Wenn nun in der Begründung der Vorlage ge⸗ ſchrieben ſteht — auch Herr Kollege Bade hat darauf Bezug genommen —, daß beabſichtigt ſei, den Fonds dem Kaiſer zu ſeinem 25 jährigen Regierungsjubi⸗ läum als Stiftung zu überreichen, ſo iſt das nur cum grano salis zu verſtehen. In Wirklichkeit ſoll der Fonds in der Verwaltung des Kolonialkrieger⸗ danks verbleiben; es ſoll ein Kuratorium des Vereins darüber beſchließen, in welcher Weiſe die Gelder ver⸗ wendet werden. Auf dieſen Paſſus, mit dem man vielleicht verſucht hat, einzelne Gemeinden beſonders angenehm zu ſtimmen, brauchen wir daher meines Erachtens keinen ſehr großen Wert zu legen. Meine Herren, wenn wir trotz unſerer Bedenken, die ſich dahin kumulieren laſſen, daß wir der Mei⸗ nung ſind, derartige Aufgaben ſeien Reichsaufgaben und die Kommunen ſollten nicht noch mit derartigen Dingen belaſtet werden, die ſie ja eigentlich gar nichts angehen, für die Vorlage eintreten wollen, ſo ge⸗ ſchieht das aus rein humanitären Grün⸗ den. Hier iſt die Tatſache vorhanden, daß wackere deutſche Männer, die für unſer Vaterland draußen geſtritten und gelitten haben, ſich in augenblicklicher Notlage befinden, die im Moment durch die Geſetz⸗ gebung nicht abzuändern iſt, und da entſteht die Frage, ob wir nicht vielleicht verpflichtet ſind, mora⸗ lſch wenigſtens verpflichtet ſein ſollten, für dieſe Leute mit einzutreten. Meiner Anſicht nach können wir hier theoretiſche und ſonſtige Erörterungen bei⸗ ſeite laſſen und für die Vorlage ſo, wie ſie uns der Magiſtrat unterbreitet hat, eintreten. (Bravo!) Bürgermeiſter Matting: Meine Herren! Ich möchte nur noch hinzufügen, daß ſich aus den Aus⸗ führungen des Herrn Stadtv. Erdmannsdörffer er⸗ gibt, daß der Staat ſich ſeiner Verpflichtung den Kolonialkriegern gegenüber durchaus nicht entzieht und die Fürſorge, die der Staat den alten Kriegern zuteil werden läßt, eine, ich will nicht ſagen reich⸗ liche, aber für allgemeine Fälle durchaus ausreichende iſt. Es werden aber natürlich immer eine Reihe von Fällen übrig bleiben, die einer beſonderen Behand⸗ lung bedürfen, und die man nicht von dieſem all⸗ gemeinen Geſichtspunkt aus betrachten kann. Wir machen doch in unſerer Verwaltung dieſelbe Beob⸗ achtung. Auch wir können unſere Fürſorge in ſozialer Hinſicht immer nur nach allgemeinen Merkmalen ein⸗ richten und nur dasjenige tun, was eben nach dieſen allgemeinen Merkmalen unbedingt notwendig iſt. Ueberall bleibt jedoch nicht nur eine Unmenge von Einzelarbeit zu leiſten übrig, ſondern es müſſen auch noch weiterhin Geldmittel für Unterſtützungen auf⸗ gewendet werden. Auch wir wenden uns in derartigen Fällen ſtets an Vereine und erwarten, daß die Privatwohltätigkeit für außergewöhnliche Vorkomm⸗ niſſe in beſonderer Weiſe ſorgt. Ich erinnere Sie z. B. an den Verein gegen Verarmung. Das iſt eine Aufgabe, wie ſie im vorliegenden Falle dem Kolonialkriegerdank zufällt. Meine Herren, es iſt deshalb meiner Meinung nach nicht notwendig, aus grundſätzlichen Erwägungen heraus dieſe Vorlage abzulehnen. Der Magiſtrat hat ebenfalls in erſter Linie die Abſicht gehabt, den Ge⸗ fühlen der Sympathie für dieſe alten Krieger damit Ausdruck zu verleihen und hat aus dieſem Geſichts⸗ punkt heraus gemeint, ſich einer derartigen wohl⸗ tätigen Maßregel nicht entziehen zu ſollen. Ich möchte Sie dringend bitten, der Vorlage zuzu⸗ ſtimmen. Stadtv. Dr Stadthagen: Meine Herren! Meine Freunde ſehen es als Ehrenpflicht an, zum Beſten der Krieger, die in den Kolonien Leben und Geſund⸗ heit im Intereſſe des Deutſchen Reichs aufs Spiel geſetzt haben, ein Scherflein dieſem in ihrem In⸗ tereſſe liegenden Unternehmen zuzuwenden. Selbſt⸗ verſtändlich haben wir auch den Wunſch, der hier von anderer Seite vorgetragen worden iſt, daß auch Reich und Staat ihr Möglichſtes und im weſentlichen Aus⸗ reichendes für dieſe Krieger tun. Im übrigen ſtimmen wir aber ohne weiteres der Magiſtratsvorlage zu. (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Verſamm⸗ lung beſchließt nach dem Antrag d iſtrats, we fact: g des Magiſtrats, Dem „Kolonialkriegerdank e. V.“ wird zur Bildung eines Fonds zwecks Unterbringung erkrankter Kolonialkrieger in Erholungsheimen und Heilſtätten eine einmalige Beihilfe von