Sitzung vom 13. März 1912 Dr Borchardt teilt mir mit, daß in der Deputation große Neigung geweſen iſt, ſich um die Klaſſen v, IV, 1I1 nicht zu kümmern, wie die Vorlage es ja bezüg⸗ lich der Klaſſen II und 1 tut. Manche Mitglieder ſollen überhaupt der Meinung geweſen ſein, daß mindeſtens in bezug auf die Schülerinnen der Klaſſen 111 bis v das in der Vorlage von den Klaſſen 1 und 11 Geſagte auch zutreffe, und daß man ſich deshalb um die wenigen Schülerinnen der Klaſſen 1 bis V überhaupt nicht zu kümmern brauche. Meine Herren, wie geſagt, ich bin nicht Mitglied der Deputation; ich kann nicht wiſſen, inwiefern dieſe Ausführungen den Tatſachen entſprechen. Ich darf aber wohl annehmen, wenn mein Freund Borchardt mir das ſchreibt, daß er ſich dann vorher genau in⸗ formiert hat. Die Deputation ſoll jedenfalls das gebilligt haben, daß Fräulein Schmidt zur Fortfüh⸗ rung ihrer Klaſſen v, IV und 111 beurlaubt wird. Am ſchlimmſten ſind nun die Lehrerinnen der bisherigen Schmidtſchen Anſtalt geſtellt. Dieſe Damen ſind meiſtens mit einem Gehalt von 60 bis 70 %% monatlich angeſtellt, und nun iſt ihnen plötzlich am 15. Februar zum 1. April gekündigt worden, weil wegen der Errichtung unſerer Schule Fräulein Schmidt ihre Schule eingehen laſſen muß. Herr Dr Borchardt teilt mir mit, daß er angeregt hat, den Lehrerinnen von der Stadt aus ein ſogenanntes Gnadenquartal zu zahlen, damit ſie wenigſtens Zeit hätten, ſich nach etwas anderem umzuſehen. Einen beſtimmten Antrag nach der Richtung hat er aus dem Grunde nicht geſtellt, weil er ſich von vornherein ſagte, daß es ſich ja um keine ſtädtiſchen Lehrerinnen handelt und deshalb ein ſolcher Antrag ausſichtslos wäre. Jedenfalls hat die Stadt irgendwelche Ver⸗ pflichtung nach der Richtung hin nicht. Immerhin möchte ich aber doch dem Magiſtrat zu erwägen geben, ob es nicht angeſichts dieſer für die Damen zweifellos ſehr mißlichen Verhältniſſe möglich wäre, ihnen in irgendeiner Weiſe beizuſpringen. Sie wer⸗ den mir zugeben, wenn eine Lehrerin heute mit einem Gehalt von 60 bis 70 ℳ angeſtellt iſt, und wenn ſie dann plötzlich 6 Wochen vor dem 1. April gekündigt iſt, daß es ihr dann ſehr ſchwer iſt, weiter durchzu⸗ kommen; die meiſten der Damen werden wohl kaum Ausſicht haben, bis zum 1. April eine neue Stelle zu finden. Meine Herren, beſondere Bedenken erheben wir gegen den letzten Abſatz der Begründung der Vorlage. Hiernach ſoll die Stadtgemeinde die Garantie zur Deckung eines etwa entſtehenden Defizits bis zur Höhe von 3000 ℳ übernehmen. Wie liegt die Sache in Wirklichteit? Wenn ſich Ueberſchüſſe ergeben, ſo gehören ſie zweifellos Fräulein Schmidt; denn nach der Vorlage ſoll ja die Schule als Privatſchule weiter⸗ geführt werden, und es ſoll jeder Schein vermieden werden, als handle es ſich bei der Schule mit ihren zum mindeſten nicht guten Leiſtungen und ihrer ge⸗ radezu miſerablen Entlohnung der Lehrerinnen um ein ſtädtiſches Unternehmen. Dieſer Schein wird aber nicht vermieden, wenn wir von vornherein er⸗ klären, daß wir für ein eventuelles Defizit eintreten. Meine Freunde haben deshalb gegen dieſen letzten Paſſus ſehr lebhafte Bedenken. Höchſtens könnte man ſich vielleicht dazu verſtehen, daß bei der Beurlaubung von Fräulein Schmidt, die ja jetzt ſtädtiſches Gehalt bekommt, vertraglich feſtgelegt wird, daß ein etwaiger Ueberſchuß ganz oder zum größten Teil den Lehr⸗ kräften zugute kommt. Ich glaube, wenn die Mög⸗ lichkeit dazu offen ſtände, daß wir dann einen Weg 149 beſchreiten würden, auf dem den Lehrerinnen wenig⸗ ſtens in etwas geholfen werden kann. Stadtſchulrat Dr Neufert: Meine Herren! Ich kann zunächſt erklären, daß, ſo weit ich darüber unter⸗ richtet bin, die Schulvorſteherin Fräulein Schmidt in Weſtend mit ihrer Schule geleiſtet hat, was unter den Verhältniſſen menſchenmöglich war. Es iſt keine Kleinigkeit, mit einer ſo geringen Anzahl von Schüle⸗ rinnen, wie ſie Fräulein Schmidt in ihrer Schule ge⸗ habt hat, eine Privatſchule durchzuführen. Sie hat viele Jahre lang nur etwa 60 oder 70 Schülerinnen gehabt. Erſt in den letzten Jahren, als ſich die Be⸗ bauung von Weſtend mehr und mehr hob, iſt die Zahl etwas größer geworden. Immerhin ſteht ſie noch weit zurück hinter allen anderen höheren Mädchenſchulen. Sie iſt infolgedeſſen nicht in der Lage geweſen, ſo hohe Gehälter zu zahlen wie andere, und es tut mir leid, daß der Herr Vorredner der Dame daraus einen Vorwurf gemacht hat. Was die Fürſorge für die Lehrerinnen anlangt, ſo glaube ich, daß durch den Antrag, den der Magiſtrat Ihnen unterbreitet, für dieſe Lehrerinnen ſo gut als nur möglich unter den gegenwärtigen Verhältniſſen geſorgt wird. Wir geben es zu, daß es für ſie hart war, kurz vor Oſtern eine Kündigung zu bekommen. Dieſe Härte wird aber weſentlich dadurch gemildert, wenn die Schule in den bisherigen Verhältniſſen noch ein ganzes Jahr weiter arbeitet. In dieſer langen Zeit wird es den Lehrerinnen hoffentlich möglich ſein, wieder anderweitig ein Unterkommen zu finden, und ich will hoffen, daß ſie ein recht gutes Unter⸗ kommen finden. Dann iſt angeregt worden, einen etwaigen Ueber⸗ ſchuß aus den Einnahmen in dieſem Jahre unter die Lehrerinnen zu verteilen. Nun, meine Herren, dieſer Vorſchlag iſt mir ſehr ſympathiſch, und ich habe das wiederholt ſowohl in der Deputation als auch im Magiſtrat auch als meine Anſicht ausgeſprochen. Ich habe daraufhin auch von keiner Seite Widerſpruch erfahren, wenn die Sache auch nicht zu einer be⸗ ſtimmten Beſchlußfaſſung erhoben worden iſt. Wir müſſen doch aber zunächſt erſt abwarten, ob überhaupt Ueberſchüſſe herauskommen; dann erſt können wir an ihre Verteilung denken. Die Deputation hat allerdings in einem Punkt anders beſchloſſen als der Magiſtrat, aber nicht ſo, wie Herr Stadtv. Hirſch meinte. Die Deputation hat ſich auch dafür ausgeſprochen, daß die Klaſſen V, IV und III, in denen ſowohl Oſter⸗ als auch Michaelisabteilungen vereinigt ſind, in der bisherigen Weiſe weitergeführt werden. Nur von der Beibe⸗ haltung der kombinierten Klaſſe 1 und II wurde wegen der geringen Schülerzahl abgeſehen. Sie war nur anderer Meinung bezüglich der Michaeliszöten. Aber auch hier iſt die Abweichung nicht ſo grund⸗ ſätzlicher Art geweſen. Die Deputation erkannte ebenfalls an, daß für die Michaelisſchülerinnen etwas geſchehen müſſe, und ſie ging darin noch weiter: ſie wollte ſofort einen Michaeliszötus neben dem Oſter⸗ zötus auf Weſtend entwickeln. Der Magiſtrat hat ſich aber auf dieſen Standpunkt nicht ſtellen können, und zwar iſt das ſtatiſtiſche Material, das ihm zur Verfügung ſteht, dafür ausſchlaggebend geweſen. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 haben ſich in ganz Weſtend und in dem benachbarten Bezirke Spandauer Berg zuſammen nur ſoviel Schülerinnen höherer Schulen befunden, daß auf die einzelne Klaſſe nur etwa 15 bis 20 Kinder kämen, wenn alle dieſe